Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 5.Juni 1955 geborene Maschinenschlosser Manfred U*** und dessen am 15.Februar 1965 geborener Bruder, der Karosseriespengler Konrad U***, wurden des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Dem der Hauptfrage I entsprechenden, auf dem einstimmigen Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Schuldspruch zufolge haben die beiden Angeklagten am 12.Juni 1985 in Zeltweg vorsätzlich im bewußten Zusammenwirken als unmittelbare Täter den Grundwehrdiener Manfred K*** durch Faustschläge und Fußtritte gegen den Körper sowie durch Schläge mit Zwischenwandziegeln, Formbetonstücken und mit einem 11,5 kg schweren runden Naturstein gegen den Kopf getötet. Die Zusatzfrage I nach Begehung der Tat in einer fahrlässig ohne Absicht auf die Tat zugezogenen vollen Berauschung (also im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit gemäß § 11 StGB) wurde von den Geschwornen einstimmig verneint. Die des weiteren auf das Vergehen nach § 287 Abs. 1 (§ 75) StGB lautende Eventualfrage I, die das Vergehen der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach § 87 Abs. 1 und 2 (letzter Fall) StGB betreffende Eventualfrage II, die dazu gestellte Zusatzfrage wegen voller Berauschung und schließlich die neuerlich nach dem Vergehen nach § 287 Abs. 1 (allerdings in Verbindung mit § 87 Abs. 1 und 2, letztem Fall) StGB gestellte Eventualfrage III blieben folgerichtig unbeantwortet.
Den Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, wobei Manfred U*** die Gründe der Z. 6 und 8, Konrad U*** jene der Z. 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO geltend machen.
Zur Beschwerde des Manfred U***:
Rechtliche Beurteilung
Eine Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO erblickt dieser Beschwerdeführer zunächst darin, daß es der Schwurgerichtshof versäumt habe, "in konsequenter Abstufung des Fragenschemas nach der Schwere des Grunddeliktes" auch eine Eventualfrage in Richtung einer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 und 86 StGB zu stellen. Dies zu Unrecht. Sind doch nicht grundsätzlich "konsequent abgestuft" Fragen bis zum geringsten, denkbarer Weise verwirklichten Tatbestand zu stellen, sondern nur insoweit, als "in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind" (§ 314 Abs. 1 StPO), nach denen, wenn sie als erwiesen angenommen werden, u. a. die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele. Nur wenn eine von der Anklage abweichende rechtliche Deutung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat nach dem tatsächlichen Vorbringen in der Hauptverhandlung in den Bereich der näheren Möglichkeit rückte, ist der Schwurgerichtshof zur Stellung einer entsprechenden Eventualfrage verpflichtet (EvBl. 1978/119 = LSK 1978/139, 13 Os 108/84, 13 Os 177/84, 13 Os 135/85). Ein solches Tatsachensubstrat fehlt insbesondere auch dann, wenn der Angeklagte die Tat leugnet oder - wie vorliegend - den Tatentschluß in das Unbewußte verweist, denn die Wahrheit dieser Behauptung müßte zu seinem Freispruch, nicht aber zu einer Verurteilung nach einem milderen Strafgesetz führen. Im gegenständlichen Verfahren hat sich der Angeklagte Manfred U*** in der Hauptverhandlung dahin verantwortet, daß er zwar die Tat an sich nicht bestreiten könne, daß er aber dem Opfer nachgelaufen sei und ihm "möglicherweise unbewußt Schläge mit den Ziegeln und vielleicht auch mit dem Stein" versetzt habe; er sei jedoch so betrunken gewesen, daß er sich an Einzelheiten nicht erinnern könne (S. 46, 47, 56, 114/IV). Bei einer derartigen Verantwortung, die wegen des behaupteten gänzlichen Fehlens der Erinnerung keine Schlüsse auf die subjektive Tatseite gestattet, kann sich ein Tatsachensubstrat zu einer anderen als der anklagekonformen Beurteilung der Tat nur in den objektiven Beweisergebnissen finden. Nach diesen lag eine mit der Absicht, das Opfer schwer zu verletzen, zugefügte Körperverletzung allenfalls noch im Bereich der Möglichkeit. Demgemäß hat der Schwurgerichtshof in dem Bestreben, den Geschwornen die Möglichkeit zu einer solchen Tatbeurteilung zu eröffnen, auch diese Eventualfrage gestellt. Angesichts der außerordentlichen Brutalität der Tatausführung ist es aber undenkbar, daß die Täter nicht zumindest mit der Absicht, ihr Opfer schwer zu verletzen (§ 5 Abs. 2 StGB), gehandelt haben. Eine Eventualfrage nach dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs. 1, 86 StGB) ist daher zu Recht unterblieben, zumal auch der Beschwerde selbst nicht einmal die Behauptung eines eine solche Fragestellung indizierenden Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung entnommen werden kann.
Dem Beschwerdeführer kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn er vermeint, die Hauptfrage hätte dahin genauer konkretisiert werden sollen, welcher der beiden Angeklagten "die einzelnen Tathandlungen gegen K*** gesetzt hat und welche dieser Handlungen dessen Tod herbeigeführt haben". Denn die in Rede stehende Frage (bei deren Formulierung es einer Spezialisierung nicht bedurfte) ist durch die Angabe von Tatort, Tatzeit, Namen der (Mit-)Täter, des Opfers, der Tathandlungen und des Erfolgs jedenfalls so hinreichend im Sinn des § 312 Abs. 1 StPO konkretisiert und individualisiert, daß einerseits die Verwechslung mit anderen Handlungen gleicher oder ähnlicher Beschaffenheit und mithin eine wiederholte Verfolgung der Angeklagten wegen derselben Tat ausgeschlossen erscheint und andererseits die rechtliche Unterstellung des Tathergangs ermöglicht wird (Mayerhofer-Rieder 2 , § 312 StPO, Nr. 26 ff.). Einer genaueren Abgrenzung der einzelnen Tatbeiträge der beiden Angeklagten bedurfte es hingegen deshalb nicht, weil ihre Mittäterschaft bewirkt, daß jeder von ihnen für die im bewußten und gewollten Zusammenwirken verübte Tat in deren vollem Umfang strafrechtlich haftet, ohne daß es einer Verwirklichung des gesamten Tatbilds durch jeden von ihnen bedürfte.
Daraus, daß er in der Hauptverhandlung vorgebracht habe, er wisse nicht, warum er K*** nachgelaufen sei, er habe vielleicht seinem Bruder helfen wollen (S. 57/IV), er wisse noch, daß K*** (das Tatopfer) ihm einen Schlag versetzt und zuerst auf sie (seinen Bruder und ihn) losgegangen sei (S. 67/IV), sowie daraus, daß der Zeuge Leo F*** aussagte, der Beschwerdeführer habe an der linken Hand blutende Kratzwunden aufgewiesen (S. 77/IV), leitet der Nichtigkeitswerber ab, es habe zwischen seinem Bruder Konrad und Manfred K*** ein Kampf stattgefunden, bei dem er vermeint habe, seinem Bruder helfen zu müssen. Wenn ihm schon nicht der Rechtfertigungsgrund der Notwehr zustatten komme, so wären doch eine Zusatzfrage nach irrtümlicher Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts in Richtung des § 8 StGB bzw. eine Eventualfrage nach fahrlässiger Tötung zu stellen gewesen; auch insofern sei der Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO verwirklicht. Mutmaßungen des Beschwerdeführers, er habe seinem Bruder "vielleicht helfen wollen", enthalten jedoch neuerlich noch kein Tatsachenvorbringen im Sinn des § 314 Abs. 1 StPO und indizieren keineswegs konkret die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts. Auch im Zusammenhang damit, daß Manfred K*** angeblich den ersten Schlag geführt hat, ergibt sich noch keineswegs die irrtümliche Annahme einer Notwehrsituation und das Bestreben, einen rechtswidrigen, auf den Bruder gerichteten Angriff von diesem abzuwehren, also Nothilfe zu üben. Einem anderen "hilft" ein Täter vielmehr auch, wenn er ihn bei rechtswidrigem Tun unterstützt. Die von einem Zeugen beobachtete geringfügige Verletzung des Beschwerdeführers schließlich deutet nicht im entferntesten darauf hin, daß er seinerseits Opfer eines rechtswidrigen Angriffs gewesen wäre. Aus der Verantwortung des Angeklagten Manfred U*** und dem sonstigen Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung ergab sich somit der in der Beschwerde vertretenen Ansicht zuwider kein ausreichendes Substrat, das letztlich Grundlage für eine Fragestellung nach fahrlässiger Tötung hätte sein können. In der Rüge nach § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO bezeichnet Manfred U*** die Rechtsbelehrung zunächst deshalb als unrichtig, weil sie (in S. 135/IV) zur Definition der Mittäterschaft den § 12 StGB heranziehe und auf die Begehungsformen der Anstiftung und der Beihilfe verweise. Ungeachtet der gerügten, auf vorliegend allerdings nicht aktuelle Formen der Täterschaft verweisenden Darlegung ist die Rechtsbelehrung jedoch keineswegs unrichtig oder geeignet, die Geschwornen irrezuführen, weil sie - ohne den Anstifter oder den Gehilfen als unmittelbaren Täter zu bezeichnen - im Anschluß daran zutreffend ausführt, daß bei der Tatbegehung durch mehrere Personen jedem Beteiligten die Stellung eines unmittelbaren Täters zukommt, der die Mitwirkung im vorsätzlichen Zusammenwirken mit dem anderen Mittäter ausübt und sich an der Ausführung der Tat durch Mitwirkung in der Ausführungsphase zur Erreichung des gewollten (verpönten) Erfolgs beteiligt, was der Beschwerdeführer übergeht.
Ferner wird gerügt, daß die Rechtsbelehrung in gesetzwidriger Weise der Vorschrift des § 312 Abs. 2 (offenbar gemeint: § 321 Abs. 2) StPO zuwider auf die Verantwortung der Angeklagten, die Ergebnisse des Ortsaugenscheins und die psychiatrischen Gutachten konkret zurückgreife (S. 138/IV); derartige Hinweise seien der mündlichen Besprechung mit den Geschwornen nach § 323 Abs. 2 StPO vorbehalten. Indes kann eine Rechtsbelehrung, die den gesteckten Rahmen des § 321 Abs. 2 StPO überschreitet, indem sie sich nicht auf die Erläuterung rechtlicher Umstände beschränkt, sondern die in die Frage aufgenommenen gesetzlichen Merkmale auch auf den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalt zurückführt, deshalb allein noch nicht als unrichtig im Sinn des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO beurteilt werden (Mayerhofer-Rieder 2 , § 345 Z. 8 StPO Nr. 17). Zudem haftet aber der vorliegenden Rechtsbelehrung ein solcher Fehler gar nicht an. In ihr wird nämlich keineswegs konkret auf irgendwelche Ergebnisse des Beweisverfahrens Bezug genommen; vielmehr werden die Geschwornen lediglich ganz allgemein "auf die Verantwortung beider Angeklagten im Vorverfahren, insbesondere beim Ortsaugenschein, vor dem Untersuchungsrichter und (auf) die psychiatrischen Gutachten hingewiesen". Darin jedoch liegt keine Erörterung tatsächlicher Umstände.
Schließlich ist die Rechtsbelehrung den Beschwerdebehauptungen zuwider auch nicht deshalb in einer Unrichtigkeit bewirkenden Weise unvollständig, weil die Geschwornen mit den verwendeten Fachausdrücken der Diskretions- und Dispositionsunfähigkeit nichts anfangen könnten. Der Beschwerdeführer übergeht, daß die Rechtsbelehrung sich mit der Zurechnungsfähigkeit nicht nur an der zitierten Stelle allgemein beschäftigt (S. 130/IV), sondern im besonderen Teil (ab S. 137/IV) ausführlich die volle Berauschung und deren Auswirkungen auf die Zurechnungsfähigkeit erörtert hat, wobei auch gesagt wird, daß eine volle Berauschung nur dann vorliegt, wenn der Täter nicht mehr imstande ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln, eben jene Definition, die der Beschwerdeführer in seiner Rüge vermißt.
Zur Beschwerde des Konrad U***:
Dieser Beschwerdeführer behauptet eine Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO deswegen, weil in der Rechtsbelehrung der Hinweis fehle, daß ab einem "gewissen Alkoholisierungsgrad" eine durch Alkoholisierung hervorgerufene Zurechnungsfähigkeit "indiziert" sei.
Hierin kann ihm jedoch nicht gefolgt werden: Grundsätzlich ist zu bemerken, daß dem österreichischen Strafrecht eine starre Grenze der vollen Berauschung als Folge eines exakt bestimmten Blutalkoholgehalts fremd ist. Es ist vielmehr in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob die Alkoholisierung des Täters die in der Rechtsbelehrung richtig beschriebenen Auswirkungen auf dessen Verstandes- und Willenstätigkeit hat. Zudem ist es eine bloße Behauptung des Beschwerdeführers, daß sein Blutalkoholgehalt zur Tatzeit 3,8 Promille betragen habe. Auch ein solcher würde übrigens, abermals der Beschwerde zuwider, zwar eine genaue Prüfung der Zurechnungsfähigkeit erforderlich machen, sie aber nach den forensischen Erfahrungen keineswegs immer und generell ausschließen. Letztlich sind gerade diese vom Nichtigkeitswerber vermißten Darlegungen der tatsächlichen Beweisumstände nicht Thema der schriftlichen Rechtsbelehrung, sondern allenfalls Gegenstand der gemäß § 323 Abs. 2 StPO mit den Geschwornen im Anschluß an die mündliche Rechtsbelehrung abzuhaltenden Besprechung. Zum weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO verweist der Beschwerdeführer lediglich auf sein vorstehend erörtertes Vorbringen. Der bezeichnete Nichtigkeitsgrund wird daher nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, die ein Festhalten an dem im Wahrspruch festgestellten Sachverhalt, einen Vergleich dieses Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz und die Bezeichnung jenes anderen Strafgesetzes voraussetzen würde, dem die im Wahrspruch festgestellte Tat nach Ansicht des Beschwerdeführers zu unterstellen wäre.
Aus den aufgezeigten Gründen waren die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Das Geschwornengericht verhängte nach § 75 StGB über Manfred U*** eine lebenslange Freiheitsstrafe, über Konrad U*** eine Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren. Dabei waren erschwerend die Vorstrafen, die grausame, für das Opfer qualvolle Handlungsweise bei der Tat und die Ausnützung von dessen Wehrlosigkeit, mildernd war bei Manfred U*** nichts, bei Konrad U*** sein Alter unter 21 Jahren. Eine mildernde Wirkung einer Enthemmung durch Alkohol lehnte das Geschwornengericht unter Hinweis auf § 35 StGB ausdrücklich ab (S. 172/IV).
Beide Angeklagten begehren mit ihren Berufungen eine Herabsetzung der über sie verhängten Strafen. Jedoch auch dies zu Unrecht.
Wenn Manfred U*** meint, daß seine einzige Vorverurteilung zu einer geringfügigen Geldstrafe bei der Strafbemessung doch nicht so ins Gewicht fallen könne, daß über ihn die Höchststrafe verhängt wird, so verkennt er, daß die Schwere der Sanktion nicht in seinem Vorleben, sondern in der Tat selbst begründet ist. Die von ihm des weiteren als mildernd reklamierte Alkoholisierung wurde vom Geschwornengericht zutreffend abgelehnt. Schließlich sind Sorgepflichten ebensowenig mildernd (LSK. 1975/118). Auch Konrad U*** möchte seine Alkoholisierung als mildernd gewertet wissen. Ihm ist ebenfalls entgegenzuhalten, daß er über genügend Lebenserfahrung verfügte, um die Wirkung alkoholischer Getränke auf sich abschätzen zu können. Der kompensatorische Effekt des § 35 StGB kommt daher auch bei ihm nicht zum Tragen. Mag sein, daß Manfred U*** der treibende Teil gewesen ist; als Manfred K*** zu Tode gesteinigt wurde, hat indes auch Konrad U*** zielstrebig und tatkräftig mitgewirkt; letztlich wird aber auch diesem Umstand durch die bloß zeitliche Freiheitsstrafe ausreichend Rechnung getragen. Die mit empörender und abstoßender Brutalität verübte (Mord-)Tat verlangt auch aus generalpräventiven Gründen sehr strenge Strafen, sodaß eine Herabsetzung der vom Geschwornengericht ausgemessenen Freiheitsstrafen nicht gerechtfertigt erscheint.
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