OGH 13Os177/84

OGH13Os177/8420.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller, Dr.Schneider, Dr.Felzmann (Berichterstatter) und Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens des versuchten Mords nach § 15, 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Werner A gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Linz vom 7. März 1984, GZ 28 Vr 2775/83-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr.Knob, und der Verteidigerin Dr.Fechter-Petter, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 7.Jänner 1946 geborene Werner A wurde des Verbrechens des versuchten Mords nach § 15, 75 StGB (1), des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach § 125, 126 Abs 1 Z. 7 StGB (2) und des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 109 (Abs 1 und) Abs 3 Z. 1 StGB (3) schuldig erkannt. Die Zitierung des Abs 1 des § 109 StGB ist angesichts des die Unterstellung unter § 109 Abs 3 Z. 1 StGB deckenden Wahrspruchs offenbar nur auf ein Vergreifen im Ausdruck zurückzuführen (Kienapfel BT. 2 RN. 63 zu § 109 StGB, 13 0s 106/84), zumal der dieser Hauptfrage zugrundeliegende Anklagevorwurf richtig qualifiziert wurde (ON 14) und auch die Rechtsbelehrung für Abs 3 Z. 1 zutrifft (ON 34 S. 24-26). Darnach hat der Angeklagte am 11. November 1983 Helga A dadurch zu töten versucht, daß er ihr einen Schlag mit einer 5 kg schweren Campinggasflasche gegen den Kopf versetzte (1); fremde bewegliche Sachen mit einer Campinggasflasche beschädigt bzw. zerstört, wodurch ein 5.000 S übersteigender Schaden herbeigeführt wurde, und zwar:

  1. a) durch Einschlagen die Balkonverkleidung (Schaden 2.500 S) sowie
  2. b) die Glastürfüllung (Schaden 1.623,68 S), jeweils des verfügungsberechtigten Vermieters der Wohnung der Helga A;

    c) durch Einschlagen der Wagenfenster und der Beleuchtungsanlagen sowie durch Einbeulen der Karosserie den Personenkraftwagen der Helga A, wobei der Schaden 30.000 S betrug (2) und ist mit Gewalt, nämlich durch Einschlagen der Wohnungseingangstür, in die Wohnstätte der Helga A eingedrungen, wobei er gegen die dort befindliche Helga

    A Gewalt zu üben beabsichtigte (3).

    Die Geschwornen hatten die ihnen vorgelegten Hauptfragen (1, 7 und 8) stimmeneinhellig bejaht, eine Zusatzfrage zur Hauptfrage 1 nach Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) und eine weitere Zusatzfrage zu den Hduptfragen 1, 7 und 8 nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) stimmeneinhellig verneint und daher (folgerichtig) die Eventualfragen nach versuchtem Totschlag (§ 15, 76 StGB), nach absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 StGB), nach schwerer Körperverletzung (§ 83 Abs 1 oder Abs 2, 84 Abs 2 Z. 1 StGB) und nach gefährlicher Drohung (§ 107 Abs 1 und 2 StGB) unbeantwortet gelassen.

    Werner A bekämpft nur den Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten Mords mit einer auf § 345 Abs 1 Z. 6 und 9 (hilfsweise auch Z. 5) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erblickt er darin, daß den Geschwornen zu der auf versuchten Mord lautenden Hauptfrage 1 nicht auch eine Frage nach fahrlässiger Körperverletzung (§ 88 Abs 1 StGB) vorgelegt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 314 StPO sind an die Geschwornen entsprechende Schuldfragen (Eventualfragen) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die es, wären sie erwiesen, in den Bereich der näheren Möglichkeit rücken (EvBl. 1978/119 = LSK. 1978/139, 13 0s 108/84), daß die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz (das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte) fällt. Das Vorbringen muß aber so konkret sein, daß bei Beachtung der objektivierten Tatelemente die gewünschte Deutung des Geschehens logisch und empirisch naheliegend ist (SSt. 39/50, 51/29).

In subjektiver Richtung hat sich der Angeklagte zu der seiner geschiedenen Frau Helga A mit der von ihm in Händen gehaltenen, fünf Kilogramm schweren Gasflasche zugefügten (gerade noch) leichten Körperverletzung während des Strafverfahrens unterschiedlich verantwortet. Während er bei seiner polizeilichen Einvernahme noch den Tötungsvorsatz zugab (S. 25-29), schwächte er seine Einlassung im Zug der Voruntersuchung und im Zwischenverfahren in Richtung (absichtlicher oder vorsätzlicher) Körperverletzung ab (ON 5 und 21) und stellte in der Hauptverhandlung das Geschehen so dar, als habe er die Gasflasche nur zum Zweck der Drohung (um die Frau aus der Wohnung zu treiben) verwendet, jedoch nicht gezielt zugeschlagen, sondern noch im letzten Moment versucht, die Gasflasche zurückzuziehen, um nicht zu treffen. Er räumte allerdings ein, daß er zumindest eine Mißhandlung seiner geschiedenen Ehefrau (durch 'Watschen') beabsichtigte. Auf entsprechende Vorhalte, daß diese Verantwortung widersprüchlich und mit dem tatsächlich geführten Schlag mit der Gasflasche gegen den Kopf (was bei einem Zurückziehen unmöglich gewesen wäre) logisch nicht in Einklang zu bringen sei, blieb der Angeklagte die Antwort schuldig (S. 257, 263, 265, 272, 273).

Daraus ergibt sich aber - entgegen der Meinung der Beschwerde -, daß ein Vorbringen, welches eine Deutung dieses Teils des Tatgeschehens nur als fahrlässige Körperverletzung in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken und daher eine Fragestellung in Richtung fahrlässiger Körperverletzung indizieren könnte, in Wahrheit nicht vorliegt. Hätte der Angeklagte nämlich mit dieser seiner Verantwortung zum Ausdruck bringen wollen, daß die Verletzung seiner Frau im Zug des Eindringens in die Wohnung nur fahrlässig entstanden sei, hätte er konsequenterweise auch den Anklagevorwurf in Richtung § 109 Abs 3 Z. 1 StGB bestreiten und eine andere Tatversion anbieten müssen. Wenn er aber bis zuletzt zugestanden hat, daß sich sein vorsätzlicher Angriff sowohl gegen das Rechtsgut des Hausrechts (§ 109 StGB) als auch gegen Leib und Leben seiner geschiedenen Frau gerichtet hat (§ 75 f. StGB), dann kann die (tatsächlich eingetretene) Verletzung äußerstenfalls die fahrlässige Folge eines mit Mißhandlungsvorsatz geführten Angriffs gegen die Person sein. Bei einer derartigen Fallkonstellation ist immer Idealkonkurrenz des Vergehens des Hausfriedensbruchs mit dem somit vorsätzlich (absichtlich) begangenen Tötungs- oder Körperverletzungsdelikt anzunehmen (SSt. 48/31, Leukauf-Steininger 2 RN. 32 zu § 109 StGB; aM. Bertel in WK. RN. 53 zu § 109 StGB). Für eine Subsumtion des gegen die körperliche Integrität gerichteten Angriffs nur unter § 88 Abs 1 StGB bleibt sohin kein Raum.

Der Schwurgerichtshof hat daher vollkommen unbedenklich diesem Vorbringen in der Hauptverhandlung dadurch Rechnung getragen, daß Fragen in Richtung des Tatbestands nach § 83 Abs 1 und 2 StGB (Eventualfrage 4 a und b), in Richtung § 107 StGB (Eventualfrage 5) und in derjenigen eines Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB: Zusatzfrage 6) gestellt wurden. Die Geschwornen haben aber durch Bejahung der Hauptfrage 1, lautend auf Verbrechen des versuchten Mords durch die einhelllige Verneinung der Zusatzfrage 6 und durch die Bejahung der Hauptfrage 8 betreffend das Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z. 1 StGB das Tatgeschehen für das Rechtsmittelgericht unverrückbar konstatiert und damit auch klargestellt, daß der Beschwerdeführer (bewaffnet mit einer fünf Kilogramm schweren Gasflasche) mit Gewalt durch Einschlagen der Glastür in die Wohnung seiner geschiedenen Frau eingedrungen ist, wobei er gegen (die dort befindliche) Helga A Gewalt zu üben beabsichtigte (§ 5 Abs 2 StGB). Diesen denknotwendig die Subsumtion des körperlichen Angriffs auf Helga A unter den Fahrlässigkeitstatbestand des § 88 Abs 1 StGB ausschließenden Wahrspruch der Geschwornen läßt die Beschwerde unbekämpft, weshalb das Vorbringen bei folgerichtiger Beurteilung gar nicht geeignet sein kann, eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung hinsichtlich des Körperverletzungsdelikts aufzuzeigen. Wenn unter Zitierung der Nichtigkeitsgründe nach § 345 Abs 1 Z. 9 und 5

StPO bemängelt wird, daß der Schwurgerichtshof die Geschwornen nicht angeleitet habe, in ihrer Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO) näher anzugeben, weshalb sie dem ersten Geständnis bei der Gendarmerie gefolgt seien und nicht den späteren Verantwortungen, entbehrt die Beschwerde überhaupt einer gesetzmäßigen Ausführung. Die Erwägungen, von denen sich die Geschwornen leiten ließen, sind nämlich kein Gegenstand des Wahrspruchs. Sie können daher weder aus der Z. 9 des § 345 Abs 1 StPO noch mit einem anderen Nichtigkeitsgrund wegen Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder eines inneren Widerspruchs mit Erfolg angefochten werden (siehe auch die Aufzählung im § 345 Abs 1 Z. 4 StPO, wo § 331 StPO nicht vorkommt).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte Werner A nach § 28, 75 StGB zu einer elfjährigen Freiheitsstrafe und wertete als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, den überaus raschen Rückfall (nach einer erst am 3.November 1983 durchgeführten Berufungsverhandlung sowie einer Verurteilung vom 10.November 1983) und das Zusammentreffen dreier Delikte. Als mildernd wurden das Geständnis vor der Gendarmerie und der Umstand, daß es beim Mordversuch geblieben ist, sowie ein Erregungszustand zur Tatzeit berücksichtigt.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung an, vermag jedoch damit nicht durchzudringen. Das Gericht hat den Erregungszustand und damit die gesamte psychische Konstellation des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ausdrücklich als mildernd ins Kalkül gezogen und über ihn nur eine knapp über der gesetzlichen Untergrenze liegende Freiheitsstrafe verhängt, was ohnehin im Hinblick auf die einschlägige Vorbelastung und die seiner geschiedenen Gattin bereits vorher entgegengebrachte Aggression nur verständlich ist, wenn man dem psychischen Ausnahmezustand ein hohes Gewicht zuerkennt. Für eine weitere Reduzierung oder gar die Anwendung des § 41 StGB fehlt es an Anhaltspunkten. Die hiezu vorgebrachten Berufungseinwände, daß Werner A trotz der Möglichkeit hiezu nach der Tat nicht geflohen ist und sich bei der Tatausführung eines unhandlichen und daher eher unbrauchbaren Werkzeugs bedient hat, kann nicht überzeugen, vor allem aber nicht aufzeigen, daß beträchtlich überwiegende Milderungsumstände vorlägen, die auch ein Unterschreiten der vom Gesetz angedrohten Mindeststrafe zulässig erscheinen ließen.

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