OGH 1Ob543/86

OGH1Ob543/8623.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brunhilde S***, Hausfrau, geboren am 4. Oktober 1940 in St.Georgen am Längsee, Pischeldorf, Lassendorf 40, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Anton S***, Angestellter, geboren am 14. November 1935 in St.Johann am Tauern, Klagenfurt, Alois Schader-Straße 23, vertreten durch Dr. Peter Kranzelbinder, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 8. Oktober 1985, GZ 7 R 146/85-63, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14. Mai 1985, GZ 23 Cg 112/83-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 25.10.1968 die Ehe. Aus der Ehe entstammen drei mj. Kinder. Ein uneheliches Kind der Klägerin wurde vom Beklagten an Kindesstatt angenommen.

Die Klägerin begehrt mit der am 3.3.1983 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Die häusliche Gemeinschaft sei Ende August 1982 durch Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung aufgehoben worden. Der Beklagte habe die Klägerin auch in Gegenwart der Kinder empfindlich beschimpft und herabgesetzt und sie wiederholt, so am 11.2.1980, 14.9.1982, 15.12.1982 und nach Einbringung der Scheidungsklage am 21.6.1983, 7.8.1983 und 16.6.1984 mißhandelt und mitunter verletzt. Im Herbst 1982 habe der Beklagte versucht, die Ehewohnung zu vermieten. In einem Schreiben an das Finanzamt Klagenfurt vom 27.1.1983 habe er die Klägerin fälschlich als Alkoholikerin bezeichnet. Am 13.3.1983 habe er sie beschimpft und mit dem Umbringen bedroht. Der Beklagte sei seinen Unterhaltsverpflichtungen der Klägerin und den Kindern gegenüber nicht nachgekommen. Er unterhalte zu anderen Frauen ehewidrige Beziehungen oder strebe diese an; so habe er auch ein Eheanbahnungsinstitut aufgesucht. Die Ehe sei durch das Verhalten des Beklagten unheilbar zerrüttet.

Der Beklagte bestritt, Eheverfehlungen begangen zu haben, allenfalls seien ihm Eheverfehlungen aufgrund regelmäßigen Geschlechtsverkehres verziehen worden. Die Ehe sei nicht zerrüttet. Er stellte einen Mitschuldantrag. Die Klägerin sei unbegründet eifersüchtig, habe ihn grundlos beschimpft und geschlagen, habe sich durch einen Nachschlüssel unrechtmäßig in den Besitz seiner Urkunden gesetzt, verweigere seit Mai 1982 grundlos den Geschlechtsverkehr und sei aus dem ehelichen Schlafzimmer ausgezogen. Sie führe gegen ihn Exekutionen wegen rückständigen Unterhaltes, obwohl keine Rückstände bestanden hätten oder ihm Stundung zugesagt worden sei. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Es sprach aber aus, daß die Klägerin ein (gleichteiliges) Mitverschulden treffe. Es stellte fest: Schon in den Jahren 1970 bis 1979 sei es gelegentlich zu wechselseitigen Beschimpfungen sowie zu Mißhandlungen (überwiegend) durch den Beklagten gekommen. Seit 1980 habe sich das Verhältnis zwischen den Ehegatten verschlechtert. Es sei immer häufiger zu gegenseitigen Beschimpfungen gekommen. Am 11.2.1980 habe der Beklagte die Klägerin durch einen Fußtritt gegen das rechte Hüftgelenk leicht verletzt (Hämatom). Die Klägerin sei damals aus dem gemeinsamen Schlafzimmer gezogen und habe im Keller des Hauses genächtigt; dem Beklagten sei es aber gelungen, die Klägerin nach einem Monat zur Rückkehr in das Schlafzimmer zu bewegen. Fallweise sei der Beklagte erst spät nachts nach Hause gekommen, gelegentlich sei er alkoholisiert gewesen. Die Klägerin habe nicht gewußt, wo er sich aufgehalten hatte. Wollte der Beklagte dann Geschlechtsverkehr, habe dies die Klägerin unter Hinweis auf die späte Stunde abgelehnt. Wegen dieses Verhaltens des Beklagten sei die Klägerin im Mai 1982 erneut und diesmal endgültig aus dem Schlafzimmer gezogen. Ab diesem Zeitpunkt habe sie dem Beklagten den ehelichen Verkehr verweigert, für ihn nicht mehr die Wäsche und ihm auch kein Essen mehr gerichtet (an anderer Stelle der Feststellungen heißt es, die Klägerin habe dem Beklagten ab den Sommerferien 1982 kein Frühstück und manchmal auch kein Mittagessen gerichtet). Die Klägerin habe ab diesem Zeitpunkt im Kinderzimmer geschlafen, das sie während der Nacht versperrt gehalten habe. Im Sommer 1982 habe die Klägerin dem Beklagten erklärt, sie werde ihn noch (finanziell) fertigmachen. Am 26.8.1982 habe die Klägerin beim Bezirksgericht Klagenfurt wegen eines behaupteten Unterhaltsrückstandes für den adoptierten Sohn Bruno in der Höhe von S 2.900 gegen den Beklagten eine Lohnpfändung beantragt, die antragsgemäß bewilligt worden sei. Ob und welcher Rückstand damals bestanden habe, könne nicht festgestellt werden. Die Klägerin habe jedenfalls einen um S 700 überhöhten Rückstand behauptet. Nach Zustellung der Exekutionsbewilligung sei der Beklagte Ende August 1982 aus der Ehewohnung ausgezogen und in das ihm gehörige Haus Timenitz 17 übersiedelt. Er habe aber gelegentlich noch in der Ehewohnung übernachtet und sich dort auch tagsüber aufgehalten. Als die Klägerin ihn gefragt habe, wie das weitergehen solle, habe der Beklagte ihr vorgeschlagen, die Unterhaltsexekution zurückzuziehen, dann werde alles wieder in Ordnung sein. Die Klägerin habe dies aber mit der Begründung abgelehnt, der Arbeitgeber des Beklagten solle wissen, was der Beklagte für ein Mensch sei. Am 14.9.1982 habe der Beklagte der Klägerin einen Fußtritt versetzt, durch den sie ein Hämatom am linken Oberschenkel erlitten habe. Der Beklagte habe immer die monatliche Lebensmittelfassung an Fleisch und Gemüse für den gemeinsamen Haushalt gekauft. Der Klägerin habe er monatlich S 2.000 und bei Bedarf weitere kleinere Beträge für die täglich notwendigen kleinen Einkäufe gegeben. Im September 1982 habe der Beklagte der Klägerin nur S 1.000, im Oktober 1982 überhaupt kein Bargeld gegeben, weil er gerade größere Fleischvorräte angeschafft und selbst kein Geld gehabt habe. Die Klägerin sei darauf auf die finanzielle Hilfe durch Nachbarn angewiesen gewesen. Sie habe am 19.10.1982 für die drei ehelichen Kinder einen Unterhaltsfestsetzungsantrag auf je S 2.000 monatlich gestellt. Dieser Antrag und ein von der Klägerin selbst eingeleiteter Unterhaltsprozeß seien am 23.11.1982 vergleichsweise beendet worden. In dem den Unterhalt der Kinder betreffenden Vergleich habe die Klägerin erklärt, ihren beim Finanzamt Klagenfurt eingebrachten Antrag auf Auszahlung der Familienbeihilfe an sie zurückzuziehen. Dem sei sie in der Folge aber nicht nachgekommen, der Beklagte habe darauf abgelehnt, weiterhin die monatlichen Lebensmittelfassungen zu kaufen. Im November 1982 habe der Beklagte, um die Klägerin zu ärgern, durch Inserate Mieter für sein Haus, in dem sich die Ehewohnung befand, gesucht. In dieser Zeit habe er auch die Klägerin angebrüllt, am gescheitesten wäre es, er bringe sie gleich um. Am 15.12.1982 habe der Beklagte die Klägerin mit Wein angeschüttet und mit einem Stäbchen geschlagen. Dadurch habe sie Hämatome an der rechten Schulter, am rechten Oberarm und an der Brust erlitten. Die Auseinandersetzung sei allerdings von der Klägerin dadurch provoziert worden, daß sie dem Beklagten mehrmals Zigarettenrauch ins Gesicht geblasen habe. Der Beklagte habe der Klägerin zu Weihnachten 1982 auch gedroht, er werde sich selbst umbringen. In der gegen den Bescheid, mit dem die Auszahlung der Familienbeihilfe an die Klägerin angeordnet wurde, gerichteten Berufung vom 27.1.1983 habe der Beklagte behauptet, die Klägerin sei sehr oft betrunken; sie trinke heimlich und sei aus den Gasthäusern nicht mehr heimzubringen. Daß die Klägerin tatsächlich übermäßig Alkohol trinke und dadurch den Haushalt und die Pflege und Erziehung der Kinder vernachlässige, könne nicht festgestellt werden. Auch nach Einbringung der Scheidungsklage sei es zu Auseinandersetzungen der Streitteile gekommen. Im März 1983 habe die Klägerin dem Beklagten, als sie ihn in der Wohnung der Silvia A*** angetroffen habe, eine Ohrfeige versetzt. Am 7.6.1983 sei es zu wechselseitigen Tätlichkeiten gekommen. Die Klägerin habe damals durch Anfassen am Oberarm ein Hämatom erlitten. Am 21.6.1983 sei es deshalb zu einer Auseinandersetzung gekommen, weil die Klägerin die Wäsche nicht im Garten, sondern auf dem Balkon aufgehängt gehabt habe. Die Klägerin habe im Zuge des Streites eine Bierflasche ergreifen wollen; der Beklagte sei jedoch schneller gewesen und habe die Klägerin mit Bier überschüttet. Anschließend habe er die Wäscheleine durchschnitten, so daß die Wäsche auf den Boden gefallen sei. Der Beklagte sei im März und April 1983 bestrebt gewesen, mit anderen Frauen Beziehungen aufzunehmen. Im Mai 1983 habe der Beklagte versucht, sich Brigitte S*** in sexueller Absicht zu nähern. Die Klägerin habe am 15.3.1983 zwei Exekutionsanträge wegen ihres und des Unterhaltes der Kinder eingebracht, obwohl sie dem Beklagten auf dessen Ersuchen Stundung gewährt gehabt habe. Am 14.5.1983 sei die Klägerin in der Wohnung des Beklagten im Haus in Timenitz mit einem Nachschlüssel eingedrungen und habe verschiedene Urkunden an sich gebracht. Am 8.2.1984 habe der Beklagte erklärt, er werde im Falle der Scheidung nicht mehr arbeiten gehen. Am 9.4.1984 habe er behauptet, die Klägerin sei lesbisch veranlagt. Am 16.6.1984 habe er der Klägerin eine Ohrfeige versetzt. Feststellungen, der Beklagte habe zu Silvia A*** ehewidrige Beziehungen unterhalten, er verkürze absichtlich sein Einkommen, die Klägerin sei unbegründet eifersüchtig, könnten nicht getroffen werden. Die Ehe sei kurze Zeit vor Einbringung der Scheidungsklage zerrüttet gewesen, eine Verzeihung habe nicht stattgefunden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, beide Teile hätten schwere Eheverfehlungen begangen. Der Beklagte habe die Klägerin wiederholt mißhandelt und öfters verletzt. Er habe sie in kränkender Weise beschimpft und herabgesetzt, sei unberechtigt aus der gemeinsamen Ehewohnung Anfang September 1982 ausgezogen und habe die Klägerin dadurch mutwillig geängstigt, daß er Mietinteressenten für das Haus gesucht habe. Der Klägerin sei zum Vorwurf zu machen, daß sie ohne vorherige Ankündigung aus dem ehelichen Schlafzimmer ausgezogen sei, dem Beklagten den Geschlechtsverkehr, die Wäscheversorgung und seine Verpflegung verweigert habe, einen um S 700 überhöhten Unterhaltsrückstand behauptet habe, aus Anlaß einer vorübergehenden Geldknappheit Unterhaltsverfahren eingeleitet und die angebotene Versöhnung abgelehnt habe. Der Beklagte habe zwar die Klägerin mehrmals mißhandelt und auch geringfügig verletzt, die Aufhebung der Schlafgemeinschaft und die Verweigerung des ehelichen Beistandes durch die Klägerin wögen aber besonders schwer, weil ein wichtiger Anlaß für diese Maßnahme nicht habe festgestellt werden können. Beide Ehegatten hätten daher annähernd gleich schuldhaft zur Zerrüttung der Ehe beigetragen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, mit der sie die Beseitigung des Ausspruches ihrer Mitschuld anstrebte, nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile komme es auf das Verhalten der Ehegatten während der gesamten Ehe sowie darauf an, wessen Verfehlungen die erste Ursache für die weiteren gewesen seien und inwieweit sie allenfalls andere bedingt und schließlich zum Scheitern der Ehe geführt hätten. Eine Verschlimmerung des eheliche Verhältnisses sei im Jahre 1980 dadurch eingetreten, daß die wechselseitigen Beschimpfungen sowie auch die Mißhandlungen immer ärger geworden seien. Da es sich um wechselseitige Beschimpfungen gehandelt habe, könne somit, obwohl der Beklagte gegen die Klägerin tätlich geworden sei, jedenfalls nicht gesagt werden, daß die Klägerin an der schuldhaften Einleitung der Zerrüttung der Ehe keinen Anteil gehabt hätte. Durch den von der Klägerin herbeigeführten weitgehenden Abbruch der ehelichen Beziehungen, der durch das den unmittelbaren Anlaß bildenden Verhalten des Beklagten nicht gerechtfertigt erscheine, habe die Klägerin nicht nur ihrerseits maßgebend zum endgültigen Scheitern der Ehe beigetragen, es ließe dies zugleich auch die folgenden Verfehlungen des Beklagten teilweise in einem milderen Licht erscheinen. Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens sei nur zulässig, wenn die Schuld des einen Ehegatten dermaßen schwerer wiege als die des anderen, daß das Verschulden des anderen Teiles fast völlig in den Hintergrund trete. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes wiege das Verschulden des Beklagten insbesondere in Anbetracht der Tätlichkeiten, Drohungen und herabsetzenden Äußerungen gegenüber Dritten zwar schwerer als jenes der Klägerin, doch sei deren Verschulden nicht derart gering, daß es gegenüber jenem des Beklagten fast völlig in den Hintergrund trete.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

In ihrer Rechtsrüge vertritt sie den Standpunkt, ihre Verhaltensweise stelle entschuldbare Reaktionshandlungen dar; selbst bei anderer Ansicht würden aber die vom Beklagten gesetzten Eheverfehlungen derart überwiegen, daß sein Mitschuldantrag nicht berechtigt sei; allenfalls sei das überwiegende Verschulden des Beklagten auszusprechen.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Von einer entschuldbaren Reaktion könnte nur dann gesprochen werden, wenn sich ein Ehepartner in unmittelbarer Folge eines grob ehewidrigen Verhaltens des anderen Teiles in einer verständlichen Gemütsbewegung dazu hinreißen läßt, seinerseits Eheverfehlungen zu setzen (EFSlg 46.146, 43.603, 41.178 ua). Ein solcher Zusammenhang besteht nach den getroffenen Feststellungen nicht.

Die Mitschuld des Klägers ist nach § 60 Abs3 EheG über Antrag des Beklagten dann auszusprechen, wenn auch der Beklagte auf Scheidung wegen Verschuldens hätte klagen können. § 49 zweiter Satz EheG ist daher auch für die Zulässigkeit eines Mitschuldantrages von Bedeutung (EFSlg 46.227; Schwind, Eherecht 2 252). Nach § 49 zweiter Satz EheG kann, wer selbst Eheverfehlungen begangen hat, dann nicht die Scheidung begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhanges der Verfehlung des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden, sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist. Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre mangelt es dann an der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens und damit an der Berechtigung, einen Mitschuldantrag zu stellen, wenn dem Beklagten zwar eine schwere Eheverfehlung zur Last liegt, die zur Zerrüttung der Ehe führte oder dazu beitrug, diese Verfehlung jedoch erst durch schuldhaftes Verhalten des Klägers hervorgerufen wurde oder ein Zusammenhang zwischen der Verfehlung des Klägers mit dem Verhalten des Beklagten besteht und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe das Begehren auf Scheidung der Ehe wegen dieses Zusammenhanges nicht als zulässig erkannt werden könnte oder selbst ohne solchen Zusammenhang der beiderseitigen Eheverfehlungen die Verfehlungen des Beklagten unverhältnismäßig schwerer wiegen (EFSlg 46.182, 43.639, 38.718; SZ 38/181 uva; Schwind aaO 215; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 5, 6 zu § 49 EheG). Nach § 60 Abs2 EheG ist das überwiegende Verschulden eines Teiles nur dann auszusprechen, wenn sein Verschulden erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile muß augenscheinlich hervortreten (EFSlg 46.243, 43.691, 41.281 bis 41.284 uva); subtile Abwägungen über das Verschuldensausmaß der beiden Partner sind nicht anzustellen (Schwind aaO 251), das Verschulden des anderen Ehegatten muß fast völlig in den Hintergrund treten (EFSlg 46.242, 43.692, 41.281 uva; Pichler aaO Rdz 2 zu § 60 EheG). Für die beiderseitige Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend (EFSlg 46.230, 46.231, 43.684 ua); zu berücksichtigen ist, wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat (EFSlg 46.234, 43.679, 41.273 ua); die Ursächlichkeit der Verfehlungen für den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung ist von ausschlaggebender Bedeutung (EFSlg 43.680, 43.677, 41.271 ua). Eheverfehlungen, die in den Zeitraum nach dem Eintritt der völligen Zerrüttung der Ehe fallen, spielen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle (EFSlg 46.237, 43.688).

Nach den Feststellungen liegen weder die Voraussetzungen nach § 49 zweiter Satz EheG noch für ein überwiegendes Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe vor. Es kam nicht nur schon in den Jahren 1970 bis 1979 zu wechselseitigen Beschimpfungen der Streitteile, die Klägerin, die zwar aufgrund einer Mißhandlung durch den Beklagten am 11.2.1980 zunächst die Bettgemeinschaft aufgehoben und nicht mehr im gemeinsamen Schlafzimmer, sondern in Kellerräumen übernachtet hatte, hat diese Eheverfehlungen dem Beklagten aber verziehen und nahm nach rund einem Monat das gemeinsame Eheleben wieder auf. Sie war zwar im Mai 1982 jeweils berechtigt, das Ansinnen des spät nachts gelegentlich alkoholisiert nach Hause kommenden Beklagten auf Durchführung eines Geschlechtsverkehres abzulehnen; da es aber an Feststellungen, der Beklagte habe damals versucht, sexuelle Kontakte auf energische aggressive Art herbeizuführen, mangelt, war die Klägerin nicht berechtigt, dies zum Anlaß der Aufhebung der Bettgemeinschaft und dauernder Verweigerung des Geschlechtsverkehres zu nehmen und aus dem Schlafzimmer auszuziehen sowie dem Beklagten den nötigen Beistand durch Versorgung seiner Wäsche und Bereiten von Mahlzeiten zu verweigern. Die Klägerin erklärte dem Beklagten zudem, sie werde ihn finanziell fertigmachen, sie stellte auch für den Unterhalt des Adoptivsohnes einen Exekutionsantrag, der auf jeden Fall um S 700 überhöht war. Erst durch dieses Eheverfehlungen der Klägerin darstellende Verhalten kam es zur Eskalierung der beiderseitigen, nunmehr überwiegend dem Beklagten anzulastenden Eheverfehlungen. Erst das Verhalten der Klägerin nahm der Beklagte zum Anlaß, seinerseits auszuziehen und seine in barem Geld bestehende Unterhaltsleistungen einzuschränken, ja sie sogar überhaupt zu beenden, die Klägerin noch vor Einbringung der Scheidungsklage zweimal zu mißhandeln und die Ehewohnung als vermietbar zu inserieren.

Der Revision ist zuzugeben, daß auch nach Einbringung der Scheidungsklage die Eheverfehlungen des Beklagten bei weitem überwiegen. Dies zeigt aber nur deutlich, daß entgegen dem Vorbringen des Beklagten, der wiederholt Kontakt zu anderen Frauen suchte, auch er selbst die Ehe als unheilbar zerrüttet ansah. Ins Gewicht für eine andere Verschuldensabwägung können aber diese weiteren Eheverfehlungen des Beklagten nicht mehr fallen. Die Klägerin setzte vielmehr zu einem Zeitpunkt, als die Ehe noch nicht zerrüttet war, Eheverfehlungen wie die Aufhebung der Geschlechtsgemeinschaft und die Verweigerung, dem Beklagten den nötigen Beistand durch Versorgung mit Wäsche und Essen zu gewähren, die entscheidend zur Zerrüttung der Ehe beitrugen. Es kann daher nicht gesagt werden, daß unter Berücksichtigung der Kausalität der beiderseitigen Eheverfehlungen zur Herbeiführung der Zerrüttung der Ehe die Eheverfehlungen der Klägerin völlig in den Hintergrund treten, geschweige denn, daß die des Beklagten unverhältnismäßig schwerer wiegen. Aufgrund der Abwägung des beiderseitigen Gesamtverhaltens unter Berücksichtigung der die endgültige Zerrüttung begründenden Eheverfehlungen ist der von den Vorinstanzen ausgesprochene gleichteilige Verschuldensausspruch zu billigen. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit liegen, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs3 ZPO), nicht vor.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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