Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ernst Karl B*** wird zurückgewiesen.
Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Siegfried R*** teilweise Folge gegeben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 1 StPO das angefochtene Urteil im Schuldspruch dieses Angeklagten wegen der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (Urteilsfaktum A I 2) und des Betruges nach § 146 StGB (Urteilsfaktum A II) und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Siegfried R*** auf die getroffene Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Ernst Karl B*** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden schuldig erkannt, Ernst Karl B*** der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (Urteilsfaktum A I 1), des Betruges nach § 146 StGB (Urteilsfaktum A II) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB (Urteilsfaktum A III) und Siegfried R*** der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (Urteilsfaktum A I 2), des Betruges nach § 146 StGB (Urteilsfaktum A II), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Urteilsfaktum B I und II) und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Urteilsfaktum B III).
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen betraten am 13.Juni 1985 die beiden Angeklagten in Begleitung der Monika S*** die "Susi-Bar" in Wien und konsumierten Getränke im Werte von 1.086 S (richtig: 1.680 S), obwohl sie weder in der Lage noch gewillt waren, die Getränke zu bezahlen. Ihre Verantwortung, daß ein Dritter für sie die Getränke bestellt habe, hat das Erstgericht als widerlegt angesehen (Urteilsfaktum A II). Die Kellnerin Branka R*** hatte aufgrund des Verhaltens der beiden Angeklagten den Eindruck, daß diese die von ihnen bestellten und konsumierten Getränke bezahlen werden. Von der Kellnerin verständigt, erschienen Polizeibeamte, die von den Angeklagten beschimpft wurden. Hierauf wurde von den Polizeibeamten die Festnahme ausgesprochen, gegen die sich beide Angeklagte widersetzten. B*** versetzte in Verletzungsabsicht dem Sicherheitswachebeamten Franz L*** mit der flachen Hand und mit der Faust mehrfach Schläge, wodurch der Beamte einen Bluterguß des rechten Unterlides, Prellungen der knöchernen Augenhöhlen sowie eine Augapfelprellung, somit leichte Verletzungen erlitt. Siegfried R*** schlug auf den Sicherheitswachebeamten Alfred S*** ein, ohne daß dieser verletzt wurde. Beide Angeklagte handelten mit dem Vorsatz, die Amtshandlung zu vereiteln (Urteilsfakten A I 1 und 2 und A III). Siegfried R*** hat am 1.März 1985 die Wohnungseingangstür der Brigitte H*** vorsätzlich beschädigt, wobei der Schaden 4.000 S betrug (Urteilsfaktum B I). Am 14.Februar 1985 besuchte R*** das Lokal "Schickeria" in Wien. Nachdem er vom Kellner aus dem Lokal gewiesen wurde, zertrümmerte er vor dem Lokal mit der Faust die Verbundglasscheibe der Eingangstür, wobei der Schaden 3.000 S betrug (Urteilsfaktum B II). Am 2.Oktober 1984 verletzte er Erich K*** vorsätzlich mit Faustschlägen am Körper leicht, wodurch dieser Schwellungen am linken Backenknochen und am rechten Unterkiefer sowie eine blutende Wunde an der rechten Unterlippe erlitt (Urteilsfaktum B III).
Dieses Urteil wird von beiden Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen angefochten. Mit seiner auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Beschwerde macht B*** geltend, das Schöffengericht habe unrichtigerweise angenommen, daß er nicht voll berauscht war. Seine Volltrunkenheit ergebe sich aus seiner ersten Verantwortung, aus der hervorgeht, daß er sich an den Vorfall nicht mehr erinnern könne.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesen Ausführungen weicht aber der Angeklagte von dem im Urteil festgestellten Sachverhalt ab. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist somit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil bei der Entscheidung über eine auf einen materiellen Nichtigkeitsgrund gestützte Beschwerde der Oberste Gerichtshof die Richtigkeit der Gesetzesanwendung auf der Grundlage des im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhaltes zu prüfen hat (Mayerhofer-Rieder 2 § 281 StPO E 26-30). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war aber B*** (ebenso wie der Zweitangeklagte) zur Tatzeit zwar alkoholisiert, nicht aber volltrunken (S 180).
Die auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten R*** richtet sich lediglich gegen die Schuldsprüche A I 2, A II und B II. Mit dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund bemängelt der Beschwerdeführer zu Recht, daß die Feststellung, der Zweitangeklagte habe sich durch Schläge und Fußtritte gegen den Zeugen S*** seiner Festnahme entziehen wollen (Urteilsfaktum A I 2), durch die Aussagen der Zeugen L*** und S*** nicht gedeckt sei.
Nach den Urteilsfeststellungen hat der Zweitangeklagte auf den Sicherheitswachebeamten Alfred S*** mit dem Vorsatz eingeschlagen (S 177), sich seiner Festnahme zu widersetzen. Das Erstgericht stützt diese Feststellungen auf die Aussagen der als Zeugen vernommenen Wachebeamten L***, S*** und W*** (S 179). Der Zeuge Andreas W*** hat jedoch eine solche Wahrnehmung nicht gemacht (S 163, 164). Franz L*** hat lediglich bekundet, daß R*** auf den Funkwagen eingetreten hat (S 128). Ebenso hat der Zeuge Alfred S*** nicht behauptet, daß er von R*** geschlagen wurde, er hat vielmehr angegeben, daß R*** beim Einsteigen in den Funkwagen herumgetreten hat, aber, wie er ausdrücklich hinzufügte, nicht aus dem Grund, um ihn zu verletzen, sondern um zu verhindern, daß er mitgenommen wird (siehe S 148, 149). Die Frage des Verteidigers, ob er gesehen habe, daß R*** gegen das Polizeiauto trat, hat der Zeuge sinngemäß bejaht (S 149); wobei offen bleibt, ob sich die Aktionen des Zweitangeklagten gegen Walter S*** (und in welcher Form) gerichtet haben. Die auf die genannten Zeugen gestützte Urteilsannahme, daß der Angeklagte auf den Sicherheitswachebeamten Alfred S*** eingeschlagen hat, ist somit durch die Beweisergebnisse nicht vollauf gedeckt und deshalb unzureichend begründet (Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO). Ein Eingehen auf die in diesem Zusammenhang gemachten weiteren Beschwerdeausführungen erübrigt sich somit.
Berechtigt ist die Mängelrüge des Angeklagten R*** auch bezüglich des Schuldspruchs Faktum A II. Das Erstgericht hat mit Stillschweigen das Geständnis des Angeklagten B*** übergangen, der zugab, daß er die Bestellung getätigt hat (S 117) und die Aussage der Zeugin Monika S***, die diese Verantwortung des Erstangeklagten bestätigte (S 125). Worin die Irreführung der Kellnerin durch den Angeklagten R*** bestanden haben soll, geht aus dem Urteil nicht eindeutig hervor. Selbst wenn die Zeugin Branka R*** den subjektiven Eindruck gehabt haben sollte, daß nicht nur B***, sondern auch R*** für die Zeche aufkommen würde (S 176), entspricht ein nur daraus auf eine Irreführungshandlung des Zweitangeklagten gezogener Schluß nicht den Denkgesetzen. Daß auch der Angeklagte R*** Getränke bestellt und konsumiert hat, läßt sich aus der Aussage der Zeugin Branka R*** (S 123 f), auf die sich das Erstgericht bezüglich dieses Faktums ausschließlich stützt (S 179), nicht ableiten.
Auch dieser Schuldspruch des Angeklagten R*** ist somit unzureichend begründet (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO). Dieser Begründungsmangel trifft allerdings nicht auch den Schuldspruch des Erstangeklagten, denn dieser wird durch dessen Geständnis, das durch die Aussage der Zeugin S*** bestätigt wird, gestützt. Es bestand somit kein Anlaß zu einer Maßnahme nach § 290 Abs. 1 StPO zugunsten des Erstangeklagten.
Mit seinen Ausführungen zum Urteilsfaktum B II, es widerspreche der Lebenserfahrung, daß die im Lokal verbliebenen Zeugen gesehen haben könnten, was sich vor dem Lokal abspiele, weil Sicherheitsglas nicht durchsichtig sei, versucht der Beschwerdeführer R*** lediglich in einer im Nichtigkeitsverfahren gegen Urteile der Schöffengerichte unzulässigen Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes anzufechten, das insbesonders auf Grund der Aussagen der Zeugen Werner T*** (S 165 f) und Monika M*** (S 166 f) mängelfrei feststellte, daß der Angeklagte die Scheibe eingeschlagen hat (S 180).
Die nicht gesetzmäßig ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ernst Karl B*** und, in bezug auf das Faktum B II, des Angeklagten Siegfried R*** waren somit bereits in einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO sofort zurückzuweisen. Hingegen war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Siegfried R***, soweit sie sich auf die Fakten A I 2 und A II bezieht, gemäß § 285 e StPO sofort Folge zu geben und das Urteil gemäß § 288 Abs. 2 Z 1 StPO im Schuldspruch des Siegfried R*** wegen der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (Urteilsfaktum A I 1) und des Betruges nach § 146 StGB (Urteilsfaktum A II) und demzufolge auch in dem diesen Angeklagten treffenden Strafausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Mit seiner Berufung war Siegfried R*** auf diese Entscheidung zu verweisen.
In sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO waren die Akten zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Ernst Karl B*** dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten.
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