OGH 7Ob663/85

OGH7Ob663/8520.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hansjörg K***, Rechtsanwalt in Bregenz, als Masseverwalter im Konkurs der G***- und S*** Ges.m.b.H. Wolfurt, wider die beklagte Partei B*** V*** Aktiengesellschaft, München 2,

Kardinal Faulhaber-Straße 14, vertreten durch Dr. Max Josef Allmayer-Beck und Mag. Dr. Johannes Stockert, Rechtsanwälte in Wien, wegen restl. DM 50.524,81 s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8. Oktober 1984, GZ 6 R 221/84-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. Mai 1984, GZ 11 Cg 6012/84-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.821,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.920 Barauslagen und S 1.081,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 28. August 1980 eröffnete die beklagte Partei für die damals noch im Gründungsstadium befindliche Gemeinschuldnerin auf deren Antrag ein Geschäftskonto, auf das die Kunden der Gemeinschuldnerin in der Bundesrepublik Deutschland Zahlungen leisteten. Das Konto wies immer nur ein Guthaben der Gemeinschuldnerin auf. Der Kontoeröffnung wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei zugrunde gelegt. Danach hat die Bank dem Kunden gegenüber jederzeit Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten für alle Verbindlichkeiten, auch soweit sie bedingt oder befristet sind (Punkt 19 Abs 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Die in den Besitz oder die Verfügungsgewalt irgendeiner Stelle der Bank gelangten oder noch gelangenden Sachen und Rechte, einschließlich der Ansprüche des Kunden gegen die Bank selbst, dienen als Pfand für alle bestehenden und künftigen - auch bedingten oder befristeten - Ansprüche der Bank gegen den Kunden. Dieses Pfandrecht besteht auch für Ansprüche gegen den Kunden, die von Dritten auf die Bank übergehen und für Ansprüche der Bank gegen Firmen oder Gesellschaften, für deren Verbindlichkeiten der Kunde persönlich haftet. Es macht keinen Unterschied, ob die Bank den mittelbaren oder unmittelbaren Besitz, die tatsächliche oder rechtliche Verfügungsgewalt über die Gegenstände erlangt hat (Punkt 19 Abs 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Am 15. März 1982 stellte die Gemeinschuldnerin zwei am 10. Juni 1982 fällige Wechsel über DM 23.185,90 und DM 49.992,44 aus, deren Akzeptant die Firma K*** & C*** OHG in Essen war. Die Wechsel wurden von der Gemeinschuldnerin an die Firma G*** in Lindau indossiert und von dieser der beklagten Partei diskontiert. Mangels Zahlung durch den Akzeptanten eröffnete die beklagte Partei ein Rückwechselkonto und rechnete am 25. Juni 1982 gegen das auf dem Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin bestehenden Guthaben von DM 52.450,47 auf.

Über die Gemeinschuldnerin wurde am 17. Mai 1982 der Ausgleich und am 7. Februar 1983 der Anschlußkonkurs eröffnet. Die klagende Partei ficht die Aufrechnung an. Sie begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Aufrechnung den Gläubigern gegenüber und die Zahlung von DM 52.450,47 s.A. Die Anfechtung werde auf jeden in Betracht kommenden Anfechtungsgrund gestützt. Die beklagte Partei habe insbesondere durch das von ihr behauptete Pfandrecht an der Forderung der Gemeinschuldnerin gegen sie und dessen Realisierung durch Kompensation eine inkongruente Deckung erlangt.

Nach dem Standpunkt der beklagten Partei liege kein Anfechtungstatbestand vor. Die beklagte Partei beruft sich auf das ihr nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zustehende Pfandrecht und das Recht zur Pfandverwertung. Sie sei nicht begünstigt worden, weil sie die Sicherstellung schon vor Konkurseröffnung und auch vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin erlangt habe. Im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung habe sie von der Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin und dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Kenntnis gehabt. Die Anfechtung führe zu keiner Erhöhung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger, weil ein Antrag auf Ausfolgung des im Ausland befindlichen Vermögens bisher nicht gestellt worden und ein Erfolg eines solchen Antrages zweifelhaft sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß der beklagten Partei im Zeitpunkt des Ankaufes der Wechsel am 24. März 1982 die Zahlungsschwierigkeiten der Gemeinschuldnerin weder bekannt waren noch bekannt sein mußten. Mitte April 1982 sperrte die beklagte Partei jedoch das Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin, weil sie erfahren hatte, daß die Akzeptantin der beiden Wechsel in Zahlungsschwierigkeiten geraten war. Am 14. Mai 1982 teilte der Kreditschutzverband der beklagten Partei mit, daß die Gemeinschuldnerin am 11. Mai 1982 die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens beantragt habe. Ab diesem Zeitpunkt war der beklagten Partei bekannt, daß die Gemeinschuldnerin Zahlungsschwierigkeiten hat. Die Gläubiger dritter Klasse im Konkurs der Gemeinschuldnerin haben keine Aussicht, eine 100 %ige Befriedigung ihrer Forderungen aus der Konkursmasse zu erhalten. Nach Ansicht des Erstgerichtes liege der Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs 1 Z 2 KO vor. Durch § 2 Abs 2 KO würden im Falle eines Anschlußkonkurses die Anfechtungsfristen erweitert und seien vom Tage des Antrages auf Ausgleichseröffnung oder vom Tage der Ausgleichseröffnung an zu berechnen. Gemäß § 31 Abs 2 KO könne sich der andere Teil bei Rechtshandlungen während der Dauer des Ausgleichsverfahrens nicht auf die Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit berufen. Im vorliegenden Fall habe die beklagte Partei die Aufrechnung zu einem Zeitpunkt vorgenommen, als der Ausgleich bereits eröffnet gewesen sei und sie vom Antrag auf Ausgleichseröffnung Kenntnis gehabt habe. Bei der von der beklagten Partei vorgenommenen Aufrechnung handle es sich auch um ein typisch nachteiliges Rechtsgeschäft, werde doch das Guthaben der Gemeinschuldnerin ihrer Rechtszuständigkeit entzogen und ihr Vermögen dadurch vermindert. Die Anfechtung erhöhe die Befriedigungsaussichten der Gläubiger und sei daher befriedigungstauglich.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang des Zuspruches von DM 1.925,66 s.A., wies jedoch im übrigen das Klagebegehren ab. Es stellte ergänzend fest, daß das Guthaben der Gemeinschuldnerin am 24. März 1982 DM 50.524,81 betragen habe. Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes gelte für die Anfechtung in einem im Inland geführten Konkurs inländisches Anfechtungsrecht, die Frage der wirksamen Begründung des Pfandrechtes sei jedoch nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach den Bestimmungen des BGB habe die beklagte Partei auf Grund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ein Pfandrecht an der Forderung der Gemeinschuldnerin erworben. Die Verpfändung als anfechtbare Rechtshandlung sei aber bereits am 28. August 1980 und demnach zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die nach § 31 Abs 1 Z 2 KO bestimmten Anfechtungsvoraussetzungen nicht gegeben gewesen seien. An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn man den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung gegen die Gemeinschuldnerin zugrunde legte, weil die Forderung der beklagten Partei bereits mit dem Ankauf der Wechsel am 24. März 1982 entstanden sei. Die Anfechtung sei aber auch nach dem hier noch in Betracht kommenden Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 1 KO mangels inhaltlicher und zeitlicher Inkongruenz nicht gerechtfertigt. Die Vorgangsweise der beklagten Partei habe dem Inhalt des materiellen Schuldverhältnisses entsprochen. Die Sicherung sei jedoch schon vor der Entstehung des Schuldverhältnisses gewährt worden. Das Klagebegehren sei demnach nur hinsichtlich jenes Betrages unbegründet, der dem Kontostand der Gemeinschuldnerin am 24. März 1982 entsprochen und in welcher Höhe sich das der beklagten Partei eingeräumte Pfandrecht bewegt habe. Die durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 aufgehobene Bestimmung des § 67 KO stehe dem Klagebegehren nicht entgegen, weil vor Stellung eines Ausfolgungsantrages klargestellt werden müsse, ob ein Anspruch auf die im Ausland gelegenen Vermögenswerte gegeben seien.

Gegen den abweisenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Entscheidungswesentlich ist hier die international-konkursrechtliche Frage, ob sich das im Inland eröffnete Konkursverfahren auch auf das im Ausland gelegene Vermögen des Gemeinschuldners erstreckt. Gehört dieses nicht zur Konkursmasse, untersteht es der freien Verfügung des Gemeinschuldners, und es können die dieses Vermögen betreffenden Verfügungen auch nicht der Anfechtung unterliegen (vgl. Bartsch-Pollak 3 I, 164). Nach § 66 der Konkursordnung aF erstreckte sich das Konkursverfahren auf das gesamte bewegliche und auf das im Inland gelegene unbewegliche Vermögen des Gemeinschuldners. "Mit Bezug auf das ausländische Vermögen" bestimmte § 67 KO, daß das im Ausland befindliche Vermögen des Gemeinschuldners in den inländischen Konkurs zu ziehen und die ausländische Behörde um Ausfolgung dieses Vermögens zu ersuchen ist, soferne nicht Staatsverträge etwas anderes bestimmen. Das im Inland befindliche Vermögen eines Gemeinschuldners, über dessen Vermögen der Konkurs im Ausland eröffnet worden ist, ist der ausländischen Behörde auf deren Verlangen auszufolgen, sofern nicht der Konkurs im Inland eröffnet wird. Das Vermögen darf erst nach Befriedigung der bis zum Einlangen des Ersuchens erworbenen Aussonderungs- und Absonderungsrechte ausgefolgt werden (§ 67 Abs 1). Die Ausfolgung ist abzulehnen, insoweit der ausländische Staat nicht Gegenseitigkeit beobachtet. Bestehen Zweifel an der Beobachtung der Gegenseitigkeit, so ist die bindende Erklärung des Justizministers einzuholen (§ 67 Abs 2). Die Konkursordnung folgte zwar dem Grundsatz der Universalität, das österreichische Konkursverfahren sollte grundsätzlich ein Universalkonkursverfahren sein, das das gesamte wo immer gelegene Vermögen des Gemeinschuldners erfaßt. Der Grundsatz erfuhr jedoch eine weitgehende Abschwächung. Das im Ausland gelegene unbewegliche Vermögen wurde überhaupt ausgeschieden. Bei beweglichem Vermögen war die ausländische Behörde um Ausfolgung zu ersuchen, wobei aber anerkannt wurde, daß diese für die Befriedigung der bis zum Einlangen des Ansuchens erworbenen Aussonderungs- und Absonderungsrechte zu sorgen hatte (Bartsch-Pollak 3 I 332 ff; Petschek-Reimer-Schiemer, 235 f). Im übrigen gehörte auch nur dasjenige im Ausland gelegene bewegliche Vermögen des Gemeinschuldners zum österreichischen Konkursvermögen, das der Gemeinschuldner im Zeitpunkt des Einlangens des Ausfolgeansuchens bei der ausländischen Konkursbehörde noch hatte (4 Ob 582/70). Maßgebender Stichtag war somit das Einlangen des Ausfolgeansuchens bei der ausländischen Behörde.

Die §§ 66 und 67 der Konkursordnung aF wurden durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 aus der Erwägung aufgehoben, daß sie die in sie gesetzten Erwartungen des Gesetzgebers nicht erfüllen konnten. Mangels Vorliegens der Gegenseitigkeit kommt es weder dazu, daß bewegliches Auslandsvermögen in den inländischen Konkurs gezogen wird, noch dazu, daß inländisches Vermögen ausgefolgt wird (3 Blg NR 15. GP 49). Gegenseitigkeit war insbesondere auch im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben (EvBl 1984/125; SZ 53/44). Diese Lücke wurde inzwischen durch den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Konkurs- und Ausgleichs(Vergleichs)Rechtes, BGBl. 1985/233, geschlossen. Dieser Vertrag ist aber erst auf Konkurs- und Ausgleichsverfahren anzuwenden, deren Eröffnung nach seinem Inkrafttreten beantragt worden ist. Für einen von Amts wegen eröffneten Konkurs ist der Zeitpunkt des Antrages auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens maßgebend (Art. 30 Abs 1). Die Bestimmungen über die Anfechtung von Rechtshandlungen sind nur dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung nach seinem Inkrafttreten vorgenommen wurde (Art. 30 Abs 3). Der Vertrag ist am 1. Juli 1985 in Kraft getreten. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens am 11. Mai 1982 gestellt, der Ausgleich wurde am 17. Mai 1982 und der Anschlußkonkurs am 7. Februar 1983 eröffnet. Die Aufrechnung durch die beklagte Partei erfolgte am 24. Juni 1982. Das obgenannte Abkommen ist daher nicht anzuwenden. Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 ist am 1. Jänner 1983 in Kraft getreten. Die bisher geltenden Bestimmungen sind - von den hier nicht in Betracht kommenden Sonderregelungen des § 2 Abs 2 des Art. XI abgesehen - dann anzuwenden, wenn das Verfahren (Konkurs-, Anschlußkonkurs- oder Ausgleichsverfahren) vor dem Ablauf des Jahres 1982 eröffnet wurde (Art. XI § 2 Abs 1 IRÄG). Mit Rücksicht auf den Tag der Ausgleichseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin ist daher im vorliegenden Fall noch von den Bestimmungen der §§ 66 und 67 KO aF auszugehen, was aber am Ergebnis nichts ändert. Mangels Gegenseitigkeit zur Bundesrepublik Deutschland konnten sich die Rechtswirkungen des inländischen Konkurses nicht auf das in der Bundesrepublik Deutschland gelegene Vermögen der Gemeinschuldnerin erstrecken. Dieses Vermögen untersteht der freien Verfügung der Gemeinschuldnerin (vgl. SZ 53/44; SZ 47/71), die sich darauf beziehenden Rechtshandlungen unterliegen daher auch nicht der Anfechtung.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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