OGH 3Ob646/79

OGH3Ob646/7919.3.1980

SZ 53/44

Normen

KO §1
KO §67 Österreichisch-deutscher Vollstreckungsvertrag Art14 Abs1 Z2
KO §1
KO §67 Österreichisch-deutscher Vollstreckungsvertrag Art14 Abs1 Z2

 

Spruch:

Eine im Ausland erfolgte Konkurseröffnung hat, sofern nicht durch Staatsverträge anders bestimmt wird, keine Wirkung im Inland

OGH 19. März 1980, 3 Ob 646/79 (OLG Wien 4 R 118/79; HG Wien 19 Cg 105/78)

Text

Die klagende Partei, über deren Vermögen mit Beschluß des Amtsgerichtes Hildesheim vom 28. April 1977, GZ 25 N 20/77, der Anschlußkonkurs eröffnet wurde, begehrt von der Beklagten 80 357.80 DM samt Anhang als Kaufpreis für Warenlieferungen. Der in der Bundesrepublik Deutschland anhängige Konkurs erstrecke sich nicht auf ausländisches Vermögen der Klägerin. Diese sei daher über ihr in Österreich gelegenes Vermögen verfügungsberechtigt. Überdies sei der Konkursverwalter mit der Klagsführung einverstanden.

Die beklagte Partei wendete Unzulässigkeit des Rechtsweges, Mangel der aktiven Klagslegitimation sowie Gegenforderungen aus dem Titel des Schadenersatzes ein und beantragte daher Klagsabweisung. Gemäß § 67 Abs. 1 KO sei das im Inland befindliche bewegliche Vermögen eines Gemeinschuldners, über dessen Vermögen der Konkurs im Ausland eröffnet worden sei, der ausländischen Konkursbehörde auf deren Verlangen nach Befriedigung der bis zum Einlangen des Ersuchens erworbenen Aus- und Absonderungsrechte auszufolgen. Da die klagsgegenständliche Forderung zum beweglichen Vermögen der Gemeinschuldnerin gehöre, hätte das im § 67 Abs. 1 KO bezeichnete Ausfolgeverfahren durchgeführt werden müssen, wobei die eingewendeten Schadenersatzansprüche der Beklagten zu berücksichtigen gewesen wären.

Da die Klagsforderung die eingewendeten Gegenforderungen der Beklagten jedenfalls um 23 614.48 DM samt Anhang übersteigt, gab das Erstgericht über Antrag der klagenden Partei dem Klagebegehren in Ansehung dieses Betrages mit Teilurteil statt. Es stellte fest, daß die Beklagte bis Ende Juni 1976 Generalvertreterin der Klägerin war und als solche deren Geräte unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat. Per 30. Jänner 1977 war aus unbezahlten Fakturen ein Betrag von 80

357.80 DM offen. Mitte 1976 wurde dieses Generalvertretungsverhältnis auf Initiative der Klägerin, welche der Ansicht war, daß die Beklagte ihre Interessen nicht oder nicht ausreichend vertrete, beendet. Im Zuge der Verhandlungen über den Abschluß eines Generalvertretungsvertrages mit der Firma T-W wurde auch darüber gesprochen, daß diese Firma die bei der Beklagten lagernden H-Geräte übernehme. Dabei verlangte die Beklagte, daß die Klägerin oder die Firma T-W weitere Spesen von etwa 200 000 S übernehmen müsse. Es kam aber weder eine Vereinbarung über die Zahlung des Betrages von 200 000 S zustande noch wurden die bei der Beklagten lagernden Geräte von der Firma T-W übernommen. Ein Antrag gemäß § 67 Abs. 1 der österreichischen KO wurde nicht gestellt.

Bei diesem Sachverhalt führte das Erstgericht aus, die rechtliche Beurteilung des Teilanspruches von 23 614.38 DM hänge somit von der Erledigung der formalen Einwände der Beklagten ab. Die im Ausland erfolgte Konkurseröffnung im Inland sei grundsätzlich nicht wirksam, der Gemeinschuldner des ausländischen Konkurses behalte also sein Verfügungsrecht über sein im Inland befindliches Vermögen. Der im Ausland bestellte Masseverwalter besitze daher hinsichtlich eines solchen Vermögens keine Vertretungsmacht und sei demgemäß zur Geltendmachung von Ansprüchen auf dieses Vermögen nicht legitimiert. Da er somit in Österreich nicht klagen könne, bleibe nur mehr zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein Antrag nach § 67 Abs. 1 KO gestellt werden könne. Gemäß § 67 Abs. 2 KO sei in einem Auslandskonkurs die Ausfolgung des im Inland gelegenen Vermögens an die ausländische Konkursbehörde abzulehnen, wenn der ausländische Staat Gegenseitigkeit nicht beobachte. Im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland sei die Gegenseitigkeit nicht gewährleistet.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Teilurteil. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Frage, wer zur Geltendmachung einer Forderung eines ausländischen, im Konkurs befindlichen Gläubigers gegen den inländischen Schuldner legitimiert sei, nach der zwingenden Bestimmung des § 67 KO zu beurteilen sei. Da diese Bestimmung durch das IPR-Gesetz nicht berührt werde und ein am 25. Mai 1979 mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenes Abkommen in Konkurssachen noch nicht in Kraft getreten sei, sei nach wie vor § 67 KO die Rechtsgrundlage für die Beurteilung des vorliegenden Streitfalles. Es bestehe kein Zweifel, daß die Bundesrepublik Deutschland die Gegenseitigkeit im Sinne des § 67 Abs. 2 erster Satz KO nicht beobachte; dies ergebe sich schon aus der Notwendigkeit, ein Abkommen in Konkurssachen abzuschließen. Die Einholung einer Erklärung des Bundesministers für Justiz über die Frage der Gegenseitigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle sei daher nicht erforderlich. Da mangels Gegenseitigkeit eine Ausfolgung inländischen Vermögens an die ausländische Konkursbehörde nicht in Betracht komme, könne auch nicht das Bestehen eines die Verfahrensunterbrechung rechtfertigenden Schwebezustandes angenommen werden. Die klagende Partei bleibe mangels einer Vertretungsmacht des deutschen Konkursverwalters zur Klageführung im Inland legitimiert, es mangle auch weder an der Zulässigkeit des Rechtsweges noch an der inländischen Gerichtsbarkeit. Da die Anwendung fremden (Konkurs-) Rechtes durch die zwingende Vorschrift des § 67 KO für deren Geltungsbereich ausgeschlossen sei, sei es auch bedeutungslos, ob der Konkursverwalter nach § 17 dKO noch Erfüllung verlangen könnte. Ob auf das Vertragsverhältnis im übrigen die Bestimmungen des österreichischen oder des deutschen Rechtes Anwendung finden, könne unerörtert bleiben, weil die Berechtigung des Anspruches auch nach deutschem Recht außer Zweifel stehe. Die Einwendung der Verjährung sei von der beklagten Partei in erster Instanz nicht erhoben worden und stelle daher eine unzulässige Neuerung dar. Es sei daher nicht zu untersuchen, ob im deutschen Recht eine günstigere Verjährungsbestimmung bestehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Über die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wurde von den Vorinstanzen - zwar nicht im Spruche ihrer Entscheidung, aber ausdrücklich in den Entscheidungsgründen - konform und damit auch für den OGH bindend in abweisendem Sinne entschieden (vgl. SZ 48/76; RZ 1976/111; SZ 43/121; SZ 41/184; SZ 31/74 u. a.). Allerdings stellt sich dieselbe Rechtsfrage - Anwendbarkeit des § 67 KO - wie bei der Rechtswegzulässigkeit auch bei der Prüfung der bestrittenen Verfügungsberechtigung ("Aktivlegitimation") der klagenden Partei. In diesem Zusammenhang kann sie auch an den OGH herangetragen werden.

Die beklagte Partei räumt ein, daß die in der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochene Konkurseröffnung über das Vermögen der klagenden Partei keine Wirksamkeit für den österreichischen Rechtsbereich hat; sie meint jedoch, daß die Frage, ob zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland Gegenseitigkeit im Sinne des § 67 Abs. 2 KO bestehe, von den Vorinstanzen ohne Begründung verneint worden sei. Dies ist unzutreffend.

Nach der zwingenden und die Anwendung entgegenstehenden fremden Rechtes in einem inländischen Prozeß ausschließenden (vgl. SZ 8/319; EvBl. 1974/291) Bestimmung des § 67 Abs. 1 KO ist das im Inland befindliche bewegliche Vermögen eines Gemeinschuldners, über dessen Vermögen im Ausland der Konkurs eröffnet wurde, der ausländischen Konkursbehörde auf deren Verlangen auszufolgen, soferne nicht der Konkurs im Inland eröffnet wird; diese Ausfolgung ist jedoch zufolge § 67 Abs. 2 KO abzulehnen, soweit der ausländische Staat nicht Gegenseitigkeit beobachtet. Die Gegenseitigkeit ist aber im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben, weil Entscheidungen in Konkursverfahren nach Art. 14 Abs. 1 Z. 2 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, BGBl. 105/1960 von der vertraglichen Regelung und damit der Anerkennung als Exekutionstitel ausgeschlossen wurden (Köhler, IPR-Gesetz, 258; SZ 39/217; JBl. 1969, 43). Die Revisionswerberin ist nicht in der Lage, auf eine tatsächliche gegenteilige Handhabung in jüngerer Zeit hinzuweisen. Eine Anfrage an den Bundesminister für Justiz im Sinne des § 67 Abs. 2 KO ist nur im Zweifelsfalle erforderlich. Da ein solcher hier nicht vorliegt, vermag die Unterlassung der Anfrage einen Verfahrensmangel nicht zu begrunden.

Im übrigen wiederholt die Revisionswerberin lediglich ihre bereits vom Berufungsgericht abgelehnte Rechtsansicht über das Bestehen eines Schwebezustandes bis zum Eintreffen eines Ausfolgungsantrages der deutschen Konkursbehörde, ohne hiefür neue Argumente vorbringen zu können. Es genügt daher, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen, wonach bei Fehlen der Gegenseitigkeit im Sinne des § 67 Abs. 2 KO kein Schwebezustand bestehen kann. Die Verfügungsbefugnis der Klägerin wurde daher von den Vorinstanzen zutreffend bejaht.

Wenn die Revisionswerberin mit der Behauptung, daß auf die klagsgegenständlichen Kaufverträge deutsches Recht anzuwenden sei - worüber Feststellungen derzeit noch fehlen - die Ansicht vertritt, die klagende Partei könne nicht auf Vertragserfüllung, d. h. Zahlung bestehen, weil der Konkursverwalter über Aufforderung der beklagten Partei nicht den Vertragseintritt erklärt habe, weshalb die Kaufverträge gemäß § 17 dKO als aufgelöst gelten, ist dem entgegenzuhalten, daß es hier um die Verfolgung von Ansprüchen geht, die durch den ausländischen Konkurs der Gläubigerin nicht berührt werden (vgl. Hoyer, Vertragsentwurf zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiete des Konkurs- und Ausgleichsverfahrens in FS "100 Jahre Kreditschutzverband von 1870", 42 f.). Da der Gemeinschuldner des ausländischen Konkurses die Verfügungsbefugnis über sein in Österreich gelegenes Vermögen behält, ist ein Eingreifen des Konkursverwalters in diese unabhängig vom Konkurs bestehenden vertraglichen Rechtsbeziehungen des Gemeinschuldners im Interesse der Konkursgläubiger ausgeschlossen (Bartsch - Pollak[3] I, 333; Petschek - Reimer - Schiemer, Insolvenzrecht, 237 Anm. 90; Walker, IPR[5], 507 u. a.). Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Frage, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 17 dKO, den die beklagte Partei hier angewendet wissen will, gegeben wären.

Berechtigt ist die Revision, soweit sie unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt, daß das Berufungsgericht auf den Verjährungseinwand der Beklagten mit der Begründung nicht eingegangen sei, dieser sei erstmals in der Berufung erhoben worden und es liege daher eine unzulässige Neuerung vor. Tatsächlich hat die beklagte Partei bereits in der Verhandlungstagsatzung vom 19. Jänner 1979 vorgebracht, daß auf die klagsgegenständlichen Geschäfte deutsches Recht anzuwenden sei und daß nach diesem die Klagsforderung verjährt sei. Da die beiden Vorinstanzen auf diesen den Klagsanspruch selbst berührenden Einwand nicht eingegangen sind bzw. ein Eingehen mit einer aktenwidrigen Begründung abgelehnt haben und auch die für die Beurteilung des anzuwendenden Rechtes sowie der Verjährungseinrede allenfalls erforderlichen Feststellungen nicht getroffen haben, erweist sich das Verfahren in dieser Richtung als ergänzungsbedürftig.

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