OGH 1Ob510/86

OGH1Ob510/8619.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Johann F***, geb. am 19. April 1982 in Wels, 4076 St. Marienkirchen Nr. 186, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Eferding, Jugendamt, diese vertreten durch Dr. Josef Broinger, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte Partei Johann P***, geb. am 4. März 1947 in St. Marienkirchen, Gastwirt, 4076 St. Marienkirchen Nr. 6, vertreten durch Dr. Hans-Peter Just, Rechtsanwalt in Eferding, wegen Feststellung der außerehelichen Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 10. Juni 1985, GZ. R 691/83-57, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Eferding vom 18. Mai 1983, GZ. C 1010/82-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht stellte den Beklagten als Vater des am 19. April 1982 von Ernestine F*** unehelich geborenen Klägers fest und verpflichtete den Beklagten zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 1.300,--.

Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß der Beklagte mit der Mutter innerhalb der Vermutungsfrist des § 163 Abs. 1 ABGB (21. Juni bis 21. Oktober 1981) in der zweiten Julihälfte 1981 dreimal geschlechtlich verkehrt habe. Daß die Mutter in der gesetzlichen Vermutungsfrist auch mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt habe, könne nicht festgestellt werden. Auf Grund der vererbbaren Blutmerkmale sei der Beklagte von der Vaterschaft zum Kläger nicht auszuschließen. Vielmehr betrage die Vaterschaftswahrscheinlichkeit (bei einer Ausschlußchance von 99,999 %) 99,996 %, so daß die Vaterschaft (nach der Formel Essen-Möller) "praktisch erwiesen" sei. Der Beklagte habe damit den Ausschlußbeweis des § 163 ABGB nicht erbringen können.

Das Berufungsgericht ergänzte das Beweisverfahren zum neuen Vorbringen des Beklagten, daß er zeugungsunfähig sei, und bestätigte das Ersturteil. Es gelangte auf Grund eines gerichtsmedizinischen und eines urologischen Gutachtens zum Ergebnis, daß eine Zeugungsunfähigkeit des Beklagten für die Zeit der gesetzlichen Vermutungsfrist nicht feststellbar sei.

Die zweite Instanz war der Ansicht, daß die festgestellte Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,996 % eine eindeutige und sichere Entscheidung über die Abstammung des Kindes gewährleiste; es sei daher nicht erforderlich, das vom Beklagten beantragte erbbiologisch-anthropologische Gutachten einzuholen. Solche Gutachten lieferten Hinweise auf die Vaterschaft und nicht einen Nachweis der Nichtvaterschaft und seien daher, insbesondere bei einer Vaterschaftswahrscheinlichkeit von über 99,9 %, nicht geeignet, blutgruppenserologische Gutachten zu widerlegen. Es bilde auch keinen Verfahrensmangel, daß der vom Vater als weiterer Konkubent bezeichnete August H*** nicht in das serologische Gutachten einbezogen worden sei, da ein Geschlechtsverkehr dieses Mannes mit der Mutter nicht festgestellt werden konnte. Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Wiederholung der vom Beklagten schon in zweiter Instanz erhobenen Mängelrüge, die er auf die Unterlassung der Einholung eines erbbiologisch-anthropologischen Gutachtens und auf die Nichteinbeziehung des August H*** in die serologische Begutachtung stützte, ist zwar in der vorliegenden Vaterschaftsstreitigkeit, die gemäß Art. V Z 5 UeKindG der Offizialmaxime unterliegt, zulässig; der Untersuchungsgrundsatz geht aber nicht so weit, daß sämtliche erdenklichen Beweise aufgenommen werden müßten (EFSlg. 43.308, 41.779, 34.524; 3 Ob540/85; 4 Ob 515/84 ua.). Die Nichtaufnahme weiterer Beweise ist nur dann ein Verfahrensmangel, wenn die Grenzen des pflichtgemäßen richterlichen Ermessens verkannt wurden (EFSlg. 43.308, 41.777, 36.779, 34.525 ua; Fasching IV 311). Gewiß kann auch mit Hilfe der erbbiologischen Begutachtung der Beweis erbracht werden, daß der Beklagte nicht Vater des klagenden Kindes ist (EFSlg. 43.306, 34.525; 4 Ob 515/84), doch kommt diesem Beweismittel erfahrungsgemäß nicht der gleiche Beweiswert wie dem serologischen Ausschluß zu (EFSlg. 43.307, 34.525 ua.; 6 Ob 535/83; 6 Ob 718/83; 4 Ob 515/84; Herbich, Der Vaterschaftsprozeß, RZ 1975, 131; derselbe, Aus der Praxis der Vaterschaftsbegutachtung, RZ 1978, 124). Erreicht ein Mann bei einer speziellen Ausschlußchance von mehr als 95 % einen Wahrscheinlichkeitswert für die Vaterschaft von über 99,5 %, so ist eine sichere Unterscheidung zwischen Vater und Nichtvätern gegeben (EFSlg. 43.307, 41.779 mwN, EFSlg. 34.525; 1 Ob 645/85).

Die Ausschlußchance des Beklagten beträgt bei der vorliegenden Konstellation der Bluteigenschaften von Mutter und Kind 99,999 %, seine Vaterschaft ist mit 99,996 bis 99,9965 % "praktisch erwiesen", so daß die Ablehnung der Durchführung weiterer Beweise durch das Berufungsgericht trotz des Untersuchungsgrundsatzes zu billigen ist (1 Ob 645/85; 3 Ob 540/85; 5 Ob 506/84; EFSlg. 43.307, 41.779, 34.525), auch wenn gewisse, aber trotz Einholung von zwei einschlägigen fachärztlichen Gutachten durch die zweite Instanz nicht verifizierbare Indizien für eine Zeugungsunfähigkeit des Beklagten vorlagen. Eine Bekämpfung der Beweiswürdigung durch die Vorinstanzen ist auch im Vaterschaftsprozeß unzulässig. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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