OGH 8Ob625/85

OGH8Ob625/8513.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Heimo Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Georg Hawlik, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 352.652.‑ s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12. Dezember 1984, GZ 2 R 228/84‑15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 15. Juni 1984, GZ 5 Cg 478/83‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00625.850.0213.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.861,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 960.‑ und Umsatzsteuer von S 1.081,95) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 352.652.‑ s.A. an die Klägerin.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Beklagten wurde vom Berufungsgericht, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, mit Beschluß verworfen; im übrigen gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil der Berufung des Beklagten keine Folge.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde dem damaligen frei gewählten Vertreter des damals nicht die Verfahrenshilfe genießenden Beklagten, RA Dr. Aschauer, am 7. 1. 1985 zugestellt. Am 4. 2. 1985 beantragte der Beklagte beim Erstgericht unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang, also auch die Beigebung eines Rechtsanwaltes. Mit Beschluß vom 6. 2. 1985 wies das Erstgericht den Antrag des Beklagten auf Gewährung der Verfahrenshilfe ab. Infolge Rekurses des Beklagten änderte es aber mit Beschluß vom 5. 3. 1985 diese Entscheidung dahin ab, daß es dem Beklagten die Verfahrenshilfe – unter anderem im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 3 ZPO – bewilligte. Mit Bescheid vom 11. 3. 1985 bestellte der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer RA Dr. Hackl zum Vertreter für den Beklagten. Dr. Hackl ersuchte um Bestellung eines anderen Vertreters für den Beklagten. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer vom 27. 3. 1985 wurde daraufhin RA Dr. Hawlik anstelle des RA Dr. Hackl zum Vertreter des Beklagten bestellt. Dieser Bescheid wurde zusammen mit einer Ausfertigung des Urteiles des Berufungsgerichtes am 3. 4. 1985 an RA Dr. Hawlik zugestellt. Infolge Rekurses der Klägerin änderte das Rekursgericht mit Beschluß vom 11. 4. 1985 den Beschluß des Erstgerichtes vom 5. 3. 1985 dahin ab, daß es den Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abwies. Dieser Beschluß wurde an den Beklagten und an RA Dr. Hawlik am 26. 4. 1985 zugestellt.

Am gleichen Tag beantragte der Beklagte neuerlich beim Erstgericht unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang, also auch die Beigebung eines Rechtsanwaltes. Daraufhin bewilligte das Erstgericht mit Beschluß vom 9. 7. 1985 dem Beklagten die Verfahrenshilfe unter anderem im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 3 ZPO. Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Klägerin gab das Rekursgericht mit Beschluß vom 25. 7. 1985 keine Folge. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer vom 7. 8. 1985 wurde RA Dr. Hawlik zum Vertreter für den Beklagten bestellt. Dieser Bescheid wurde RA Dr. Hawlik am 20. 8. 1985 zugestellt; am 29. 8. 1985 wurde ihm eine Ausfertigung des Urteiles des Berufungsgerichtes zugestellt.

Am 30. 8. 1985 wurde die von RA Dr. Hawlik namens des Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision beim Erstgericht überreicht. Der Beklagte bekämpft darin das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision als verspätet zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist verspätet.

Gemäß § 505 Abs. 2 ZPO beträgt die Revisionsfrist 4 Wochen; § 464 Abs. 3 ZPO ist sinngemäß anzuwenden.

Nach der letztgenannten Gesetztesstelle beginnt für eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei, die innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, die Berufungsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes abgewiesen, so beginnt die Berufungsfrist mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte innerhalb der ursprünglichen Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt. Damit wurde zwar grundsätzlich das bis dahin bestandene Vollmachtsverhältnis des Beklagten zu seinem bis dahin für ihn einschreitenden frei gewählten Vertreter nicht aufgelöst, doch obliegt es dem Prozeßgericht, eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei, die die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, über die allfällige Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu ihrem bisherigen Rechtsvertreter zu befragen und zu einer Anzeige im Sinne des § 36 Abs. 1 ZPO anzuleiten. Unterläßt es eine solche Anleitung, muß der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe als Anzeige des Erlöschens des Vollmachtsverhältnisses zum bisherigen Vertreter gewertet werden (SZ 48/93; 8 Ob 216, 274/80; 7 Ob 575/85; 1 Ob 699/85 ua.). Es beginnt daher auch in einem solchen Fall der Lauf der Rechtsmittelfrist nicht mit der Zustellung der Entscheidung an den frei gewählten Vertreter; vielmehr ist auch in einem solchen Fall der Beginn der Rechtsmittelfrist nach der Vorschrift des § 464 Abs. 3 ZPO zu beurteilen.

Nun wurde aber im vorliegenden Fall der während der ursprünglichen Rechtsmittelfrist gestellte Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes) letztlich mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 11. 4. 1985 abgewiesen. Nach der Bestimmung des letzten Satzes des § 464 Abs. 3 ZPO begann daher die Revisionsfrist für den Beklagten mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses abweisenden Beschlusses. Diese Entscheidung des Rekursgerichtes unterlag im Sinne des § 528 Abs. 1 Z 3 ZPO keinem weiteren Rechtszug; sie wurde dem Beklagten am 26. 4. 1985 zugestellt.

Damit begann im Sinne des § 464 Abs. 3 letzter Satz ZPO der Lauf der vierwöchigen Revisionsfrist für den Beklagten. Sie konnte durch den neuerlichen Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes nicht mehr hinausgezögert werden, weil sich die Vorschrift des § 464 Abs. 3 ZPO ihrem eindeutigen Sinngehalt nach nur auf den Fall bezieht, daß eine Partei während der ihr offenstehenden ursprünglichen Rechtsmittelfrist die im § 64 Abs. 1 Z 3 ZPO normierte Begünstigung in Anspruch nimmt; nur unter dieser Voraussetzung kann es zu den im § 464 Abs. 3 ZPO normierten Rechtsfolgen kommen. Wird aber ein im Sinne dieser Gesetzesstelle rechtzeitig gestellter Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes rechtskräftig abgewiesen, dann wird damit der Lauf der Rechtsmittelfrist endgültig in Gang gesetzt. Diese Rechtsfolge kann nicht dadurch umgangen werden, daß die betroffene Partei während des Laufes dieser – neuerlichen – Rechtsmittelfrist wiederum die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, weil es damit die Partei in der Hand hätte, den Eintritt der Rechtskraft eines Urteiles ad infinitum zu verzögern. Ein derartiger Sinngehalt kann aber der Vorschrift des § 464 Abs. 3 ZPO vernünftigerweise nicht unterstellt werden.

Wenn daher im vorliegenden Fall der Beklagte nach rechtskräftiger Abweisung seines ersten Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwaltes neuerlich einen gleichartigen Antrag stellte, dem schließlich rechtskräftig stattgegeben wurde, konnte damit der Ablauf der mit der rechtskräftigen Abweisung seines ersten Antrages beginnenden (neuerlichen) Revisionsfrist nicht mehr verhindert werden. Die Stattgebung des zweiten Antrages konnte nicht dazu führen, daß im Sinne des § 464 Abs. 3 ZPO die Revisionsfrist für den Beklagten erst mit der Zustellung des Bescheides und der Urteilsausfertigung an den auf Grund des zweiten Antrages bestellten Rechtsanwalt begonnen hätte, weil dieser zweite Antrag erst lange nach Ablauf der ursprünglichen Rechtsmittelfrist gestellt wurde.

Die Revision des Beklagten mußte daher als verspätet zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat die Kosten seines verspäteten Rechtsmittels selbst zu tragen. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung, weil sie den vorliegenden Zurückweisungsgrund zutreffend geltend gemacht hat.

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