OGH 1Ob503/86

OGH1Ob503/8615.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 28.1.1985 verstorbenen Pensionisten Rudolf G***, zuletzt in Oslip, Weinbergstraße 15, wohnhaft gewesen, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Theresia G***, Hausfrau, Wien 5., Wehrgasse 11/3, vertreten durch Dr. Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 18. November 1985, GZ R 455/85-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 16. Oktober 1985, GZ A 84/85-30, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Zuge des Scheidungsstreits (8 Cg 444/55 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien) schlossen der Erblasser und Theresia G*** am 29.11.1955 einen Vergleich; einer der Vergleichspunkte hat nachstehenden Wortlaut:

"Der Beklagte bestimmt, daß im Falle seines Ablebens sein gesamtes Vermögen die Klägerin und die Tochter, Liselotte G***, je zur Hälfte als Erben erhalten sollen. Wenn die Ehefrau jedoch bereits eine neuerliche Ehe eingegangen ist, soll das Kind Alleinerbe sein." Aufgrund dieses von Theresia G*** als Erbvertrag gedeuteten Vergleichspunktes gab diese die bedingte Erbserklärung zur Hälfte des Nachlasses ab; die erbl. Witwe Johanna G*** gab hingegen die bedingte Erbserklärung aufgrund des eigenhändigen Testamentes vom 31.10.1984, mit dem sie vom Erblasser zu dessen Alleinerbin eingesetzt worden war, zum gesamten Nachlaß ab. Das Erstgericht nahm die beiden einander widersprechenden Erbserklärungen an und leitete gleichzeitig das Verfahren nach den §§ 125 f AußStrG ein (ON 24). In der Folge schränkte Theresia G*** ihre Erbserklärung auf drei Achtel des Nachlasses ein (ON 29).

Das Erstgericht wies Theresia G*** die Klägerrolle zu. Der erwähnte Vergleichspunkt sei kein Erbvertrag, weil einem solchen gemäß § 1253 ABGB die gerichtliche Genehmigung zu versagen gewesen sei. Da das Testament vom 31.10.1984 formwirksam sei und als später errichtete letztwillige Verfügung die Vergleichsbestimmung, selbst wenn darin ein gültiges Testament zu erblicken wäre, gemäß § 713 ABGB aufgehoben habe, erweise sich die letztwillige Anordnung als stärkerer Erbrechtstitel.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Da der gerichtliche Vergleich den an sich gebotenen Notariatsakt ersetze, könne die Vergleichsbestimmung bei rein abstrakter Betrachtung als Erbvertrag beurteilt werden. Da der Erbvertrag Ehepakt sei und als solcher gemäß § 1217 ABGB als Vertrag, der in Absicht auf die eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen werde, anzusehen sei, könne in einer vertraglichen Erbseinsetzung, bei der das Gegenteil, nämlich die Auflösung der Ehe, im Vordergrund stehe, kein Erbvertrag im Sinne der §§ 602, 1249 ABGB erblickt werden. Vor allem müsse in einem solchen Fall ein sonst nicht notwendiger ausdrücklicher Widerrufsverzicht gefordert werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Theresia G*** ist nicht zulässig. Da das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluß bestätigte, kann ein solches Rechtsmittel nur auf die im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe gestützt werden. Theresia G*** beruft sich auch auf offenbare Gesetzwidrigkeit, die sie in einer verfehlten Auslegung des § 1217 ABGB durch das Rekursgericht erblickt. Der die Erbseinsetzung bestimmende Vertrag müsse bloß in Beziehung auf die eheliche Verbindung geschlossen werden; das treffe auch auf einen im Scheidungsstreit zur Vermögensauseinandersetzung zwischen den Eheleuten geschlossenen Vertrag zu. Ein ausdrücklicher Widerrufsverzicht sei hingegen entbehrlich. Die Rechtsmittelwerberin übersieht dabei, daß es zur Darstellung offenbarer Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nicht ausreicht, andere Auslegungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Es müßte vielmehr dargetan werden, daß die rekursgerichtliche Auslegung bestehenden Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln nicht vereinbar ist (EFSlg. 44.653, 37.382, 35.070 uva). Eine solche Darstellung versucht die Revisionsrekurswerberin nicht. Gemäß § 1217 ABGB sind Ehepakte Verträge, die in Absicht auf die eheliche Verbindung geschlossen werden. Ob sich diese Zweckbestimmung auch auf den im Zuge eines Scheidungsstreits geschlossenen Vergleich erstrecken soll, mit welchem der eine Ehegatte den anderen trotz der angestrebten Scheidung zu seinem vertraglichen Erben, also unwiderruflich bestimmt, ist in der erwähnten gesetzlichen Bestimmung nicht so eindeutig geregelt, daß keine Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen könnten; die Absicht auf die eheliche Verbindung könnte nach der Formulierung des Gesetzes auch auf jene Fälle beschränkt werden, die die Ordnung des ehelichen Güterstandes für die Dauer der Ehe und allenfalls für die Zeit nach dem Tod eines Ehegatten zum Gegenstand haben. In gleicher Weise ist auch die Frage, ob und welcher Erklärung des Erblassers es bedürfe, um die vertragliche von der letztwilligen, frei widerruflichen Erbseinsetzung abzugrenzen, nicht klar und eindeutig im Gesetz geregelt. So wurde der Erbvertrag als Erklärung des letzten Willens mit vertraglichem Widerrufsverzicht aufgefaßt (vgl die Nachweise bei Weiß in Klang 2 V 908 und Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht 3 155 und FN 2). Die Auffassung des Rekursgerichtes, daß es bei der konkreten Sachlage ausnahmsweise doch eines ausdrücklichen Widerrufsverzichtes des Erblassers bedurft hätte, ist demnach nicht offenbar gesetzwidrig. Ob die Auslegung durch das Gericht zweiter Instanz richtig ist, muß nicht geprüft werden, weil unrichtige rechtliche Beurteilung keinen Anfechtungsgrund nach § 16 Abs 1 AußStrG bildet. Der Revisionsrekurs ist deshalb zurückzuweisen.

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