OGH 11Os179/85

OGH11Os179/8514.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Jänner 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Abdelhak ben Othman B*** und Rudolf S*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142, 143 (1. Fall) StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Abdelhak ben Othman B*** und die Berufung des Angeklagten Rudolf S*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 26. August 1985, GZ 20 c Vr 3684/85-90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, sowie der Verteidiger Dr. Schriefl und Dr. Kainz, jedoch in Abwesenheit der beiden Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen der beiden Angeklagten wird Folge gegeben und die über Abdelhak ben Othman B*** verhängte Freiheitsstrafe auf 5 (fünf) Jahre und die über Rudolf S*** verhängte Strafe auf 21 (einundzwanzig) Monate herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 21.Dezember 1950 geborene Gelegenheitsarbeiter Abdelhak ben Othman B*** des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 (1. Fall) StGB, sowie der am 15.Jänner 1957 geborene, zuletzt ohne Beschäftigung gewesene Rudolf S*** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 (§§ 142 Abs 1, 143 1. Fall) StGB schuldig erkannt. Auf Grund des einstimmigen Wahrspruchs der Geschwornen liegt dem Angeklagten Abdelhak ben Othman B*** zur Last, in Wien am 24. März 1985 in Gesellschaft des Rudolf S*** als Beteiligten (§ 12 StGB) dem Gerhard F*** mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben gegen seine Person 1.000 S Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er Gerhard F*** am Oberarm festhielt und dessen gesamtes Geld forderte und indem er und Rudolf S*** äußerten, sie würden ihn "aufmachen", wenn er nicht sofort sein Geld hergäbe, worauf Gerhard F*** dem Abdelhak ben Othman B*** die in seiner Brieftasche vorhandenen Banknoten überließ (Punkt 2 des Schuldspruches). Rudolf S*** wurde abweichend vom Anklagevorwurf nur angelastet, sich am 23. und 24. März 1985 vor der Tat zumindest fahrlässig durch den Genuß alkoholischer Getränke in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und in diesem Zustand auf die bezeichnete Weise an den Raubhandlungen mitgewirkt zu haben (Punkt 1 des Schuldspruchs).

Der Angeklagte Abdelhak ben Othman B*** bekämpft seinen Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde. Im Strafausspruch wird das Urteil von beiden Angeklagten mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde rügt, gestützt auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO, das Unterbleiben einer Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit infolge voller Beauschung, ist hiemit aber nicht im Recht.

Der gegen den Beschwerdeführer ergangene Schuldspruch wegen schweren Raubes beruht auf dem einhelligen Verdikt der Geschwornen, welche die anklagekonforme Hauptfrage (2 des Fragenschemas) bejahten und demgemäß die Eventualfrage (4 des Fragenschemas) nach Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB) unbeantwortet ließen.

Wenn der Beschwerdeführer behauptet, daß er nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens vor dem Raub große Mengen alkoholischer Getränke konsumiert habe und demgemäß eine Zusatzfrage nach durch Volltrunkenheit ausgelöster Zurechnungsunfähigkeit (als tiefgreifende Bewußtseinsstörung im Sinn des § 11 StGB) erforderlich gewesen wäre, ist ihm darauf zu erwidern, daß die angestrebte Konfrontation der Geschwornen mit dieser Möglichkeit der Fallgestaltung in gleicher Weise durch die gestellte Eventualfrage in Richtung des Vergehens nach dem § 287 StGB erreicht wurde und dieses sogenannte "Zweifragenschema" dem Beschwerdestandpunkt zuwider eine Befassung der Laienrichter mit dem Problem der Zurechnungsfähigkeit sicherstellte. Hiedurch war den Geschwornen Gelegenheit geboten, die auf eine allfällige psychische Beeinträchtigung des Angeklagten B*** durch übermäßigen Alkoholgenuß hinweisenden Verfahrensergebnisse zu würdigen und gegebenenfalls entsprechend der ihnen erteilten Rechtsbelehrung eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nur wegen des Tatbestandes nach dem § 287 StGB - durch Verneinung der Hauptfrage und durch Bejahung der Eventualfrage nach Tatbegehung im Zustand der zumindest fahrlässig herbeigeführten vollen Berauschung - festzustellen, wie dies im Fall des Mitangeklagten S*** auch geschah.

Die Unterlassung der Aufnahme einer Zusatzfrage nach einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand in das Fragenschema würde allerdings dann Nichtigkeit nach dem § 345 Abs 1 Z 6 StPO bewirken, wenn nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung die Möglichkeit offenbliebe, daß die Tat im Zustand unverschuldeter Volltrunkenheit begangen worden sein könnte. In diesem Fall müßte nämlich im Rahmen des bei Verantwortung mit Volltrunkenheit grundsätzlich angebrachten Dreifragenschemas (EvBl. 1980/152, 11 Os 143/81) neben der Hauptfrage zunächst eine Zusatzfrage in Richtung des § 11 StGB gestellt und der abschließenden Eventualfrage nach dem Vergehen nach dem § 287 StGB nur die Entscheidung über ein allfälliges Verschulden an der Herbeiführung der vollen Berauschung vorbehalten werden (Mayerhofer-Rieder 2 , E 76 zu § 314 StPO, RZ 1982/64 = EvBl. 1982/181 u.a.). Ein Tatsachenvorbringen, das - würde es als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit des Angeklagten B*** wegen Unzurechnungsfähigkeit zufolge unverschuldeter voller Berauschung ausschlösse (§ 313 StPO), ist aber weder dem Hauptverhandlungsprotokolls zu entnehmen noch wird in der Beschwerde ein solches auch nur behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten B*** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren und den Angeklagten S*** nach dem § 287 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren; es wertete bei beiden Angeklagten die (einschlägigen) Vorstrafen als erschwerend und nichts als mildernd.

Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten die Herabsetzung der Strafen - B*** unter Anwendung des § 41 StGB - an.

Bei der Beurteilung des Unrechtsgehaltes dieser Raubtat kann nicht außer Betracht bleiben, daß nur ein relativ geringfügiger Vermögensschaden entstand (§ 32 Abs 3 StPO), der überdies nur vorübergehend eintrat, weil die Raubbeute kurz nach der Vollendung der Tat sichergestellt werden konnte (S 42, 47/I. Band). Wenngleich das Erstgericht diese Tatumstände nicht würdigte, ist bei Beurteilung der Schuld des Angeklagten B*** nicht zu übersehen, daß er die treibende Kraft bei der Tatausführung war und in der Bundesrepublik Deutschland schon mehrere Verurteilungen erlitt, die für beide Tatbestandselemente des Raubes als einschlägig (§ 71 StGB) zu werten sind, nämlich hinsichtlich der Gewaltanwendung die Vorstrafe wegen Körperverletzung und hinsichtlich der unrechtmäßigen Bereicherung die wiederholten Verurteilungen wegen betrügerischen Handels mit als Suchtgift ausgegebenen Substanzen (S 183-191 und ON 84/I. Band). Diese Vorbelastung schließt mangels günstiger Prognose die Anwendbarkeit der außerordentlichen Strafmilderung nach dem § 41 Abs 1 Z 3 StGB aus, spricht aber nicht gegen die Ahndung der Tat mit der für das Verbrechen des schweren Raubes gesetzlich angedrohten Mindeststrafe. In diesem eingeschränkten Umfang konnte der Berufung Folge gegeben werden.

Ähnlich verhält es sich beim Angeklagten S***, der neben den bereits gewürdigten Milderungsumständen zu Recht auch darauf hinweist, daß er im Rahmen seiner (durch Volltrunkenheit getrübten) Erinnerung einen Beitrag zur Wahrheitsfindung leistete und auch nur geringer (durch Drohungen) an der Tatausführung beteiligt war. Aber auch er muß sich eine erhebliche Vorstrafenbelastung sowohl wegen der Begehung von Vermögensdelikten als auch wegen schwerer Nötigung entgegenhalten lassen, sodaß im Hinblick auf die vorgenommene Korrektur der Strafzumessungsgründe auch bei ihm nur eine mäßige, aus dem Spruch ersichtliche Strafreduzierung Platz greifen konnte. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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