OGH 4Ob405/85

OGH4Ob405/8514.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei VEREIN ZUR FÖRDERUNG DES F*** W*** IM MEDIENWESEN, 1010 Wien, Schottenring 23, vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) DIE G*** WOCHE-Zeitschriften Gesellschaft m.b.H. & Co. KG, 2.) DIE G*** WOCHE-Zeitschriften Gesellschaft m.b.H., beide 1160 Wien, Odoakergasse 34-36, beide vertreten durch DDr. Walter Barfuß, DDr. Hellwig Torggler, Dr. Christian Hauer, Dr. Lothar Wiltschek und Dr. Guido Kucsko, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und einstweiliger Verfügung (Streitwert S 470.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 27. September 1985, GZ 3 R 162/85-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 25. Juni 1985, GZ 39 Cg 184/85-2, abgeändert und die Rekursbeantwortung der beklagten Parteien zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird, soweit er die Rekursbeantwortung der beklagten Parteien zurückweist, ersatzlos aufgehoben. Soweit das Rekursgericht dem Sicherungsantrag stattgegeben hat, wird der Beschluß als nichtig aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den von der Klägerin gestellten Sicherungsantrag ohne Anhörung der beklagten Parteien ab. Es stellte diesen Beschluß entgegen den Bestimmungen der §§ 427 Abs 2 ZPO, 78, 402 Abs 2 EO den beklagten Parteien zu.

Gegen den Beschluß des Erstgerichtes erhob die klagende Partei Rekurs. Dieser wurde den beklagten Parteien zugestellt, welche fristgerecht eine Rekursbeantwortung erstatteten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht die Rekursbeantwortung der beklagten Parteien zurück, änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es die beantragte einstweilige Verfügung erließ und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Zur Zurückweisung der Rekursbeantwortung vertrat es die Auffassung, die Bestimmung des § 402 Abs 1 EO in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135 sei auf Grund des offenbaren Zwecks der Regelung und der Absicht des Gesetzgebers (669 BlgNR XV.GP 73), dahin auszulegen, daß nur dann nach § 521 a ZPO vorzugehen, also die Rekursschrift dem Rekursgegner zuzumitteln sei, der eine Rekursbeantwortung anbringen könne, wenn das Provisorialverfahren erster Instanz zweiseitig geworden sei. Diese Voraussetzung sei bereits zu 2 R 258/84 für den Fall verneint worden, daß das Erstgericht den Sicherungsantrag ohne Einvernahme des Gegners sogleich abgewiesen und den Beschluß dem Gegner gar nicht zugestellt habe. Im vorliegenden Fall sei allerdings der angefochtene Beschluß auch den beklagten Parteien zugestellt worden, obwohl Beschlüsse, die einen Antrag einer Partei ohne vorhergehende Vernehmung des Gegners abweisen, dem Gegner grundsätzlich nicht zuzustellen seien (§ 427 Abs 2 ZPO, §§ 78, 402 EO, Fasching III 832). Dies ändere aber nichts daran, daß die beklagten Parteien am Verfahren erster Instanz nicht beteiligt gewesen seien und das Provisorialverfahren somit einseitig geblieben sei. Eine gesetzlich nicht vorgesehene Zustellung könne dem Gegner des Rechtsmittelwerbers kein rechtliches Gehör verschaffen, das er bei gesetzlichem Vorgehen nicht gehabt hätte.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Parteien wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Abweisung des Sicherungsantrages abzuändern oder ihn aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Berücksichtigung der Rekursbeantwortung aufzutragen.

Die klagende Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Gemäß § 402 Abs 1 EO ist der § 521 a ZPO sinngemäß anzuwenden, wenn das Verfahren einen Rekurs gegen einen Beschluß über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über einen Widerspruch nach § 397 oder über einen Antrag auf Einschränkung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat. Für eine einschränkende Auslegung dieser Bestimmung, daß § 531 a ZPO dann nicht anzuwenden sei, wenn der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Anhörung des Gegners vom Erstgericht abgewiesen wurde, besteht kein Anlaß. Dem § 402 Abs 1 EO liegt der Gedanke zugrunde, daß die Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder die Abweisung eines darauf gerichteten Antrages, deren Einschränkung oder Aufhebung teilweise einer Endentscheidung schon sehr nahekommt (RV 669 BlgNR XV.GP 73). Wenn die Materialien auch in der Folge auf die Erwägungen zum § 521 a ZPO verweisen, wo ausgeführt wird (aaO 59), das Fehlen der Möglichkeit, Gegenargumente ins Treffen zu führen, sei besonders unerträglich in jenen Fällen, in denen in einer kontradiktorischen Sache zwar eine Endentscheidung ergehe, diese aber infolge ihrer Entscheidungsart als Beschluß nur mit Rekurs angefochten werden könne, ändert dies nichts daran, daß im Verfahren über einstweilige Verfügungen das Bedürfnis für ein zweiseitiges Rechtsmittel auch dann besteht, wenn der in erster Instanz obsiegende Beklagte vor der Entscheidung am Verfahren nicht beteiligt war. Denn im Falle der Zurückweisung der Klage vor Eintritt der Streitanhängigkeit sind dem Beklagten alle Einwendungen gewahrt, auch wenn in Stattgebung des Rekurses des Klägers der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben wird. Im Verfahren über eine einstweilige Verfügung ist dagegen ein dem Sicherungsantrag - im Gegensatz zum Erstgericht - stattgebender Beschluß des Rekursgerichtes vollstreckbar, sofern ein Revisionsrekurs entweder nicht zulässig ist oder nicht für zulässig erklärt wurde oder ihm keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Daraus ergibt sich, daß dem in erster Instanz nicht beteiligten Beklagten ein besonderes Interesse an der Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichtes zukommt und ihm daher Gelegenheit gegeben werden muß, alle Argumente vorzubringen, welche für eine Bestätigung sprechen. Daß der Kläger die Argumente des Beklagten erstmals durch dessen Rekursbeantwortung erfährt, ändert daran nichts. Für eine einschränkende Auslegung der Bestimmung des § 402 Abs 1 ZPO besteht daher kein Anlaß. Daß dem Beklagten der abweisende Beschluß des Erstgerichtes zunächst nicht zuzustellen ist, ist ohne Bedeutung. Erhebt die klagende Partei gegen die Abweisung ihres Sicherungsantrages Rekurs, dann wäre der Beschluß zusammen mit dem Rekurs dem Beklagten zuzustellen, um ihm die Begründung des angefochtenen Beschlusses zur Kenntnis zu bringen. Das Rekursgericht hat daher durch die Zurückweisung der Rekursbeantwortung den beklagten Parteien die Möglichkeit, sich am Rekursverfahren zu beteiligen, durch einen ungesetzlichen Vorgang im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO entzogen (SZ 46/93 ua.). Obgleich es sich um die Nachholung bloßer Rechtsausführungen handelt, darf der Oberste Gerichtshof aus Anlaß des Revisionsrekurses nicht in der Sache selbst entscheiden, da er damit über eine Frage entscheiden würde, über die er im Hinblick auf § 528 ZPO unter Umständen gar nicht zu entscheiden hätte (SZ 43/212; SZ 50/55 ua.); letzteres wäre der Fall, wenn das Rekursgericht in seiner neuerlichen Entscheidung zu einer Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses gelangte (in diesem Sinne bereits 7 Ob 674/84).

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs gründet sich auf die §§ 51 ZPO, 78, 402 Abs 2 EO.

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