OGH 2Ob648/85 (2Ob649/85)

OGH2Ob648/85 (2Ob649/85)17.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Hilda A, Hausfrau, 8230 Flattendorf 31, vertreten durch

Dr.Rudolf Höfler, Rechtsanwalt in Hartberg, wider die beklagte und widerklagende Partei Franz A, Pensionist, 8230

Flattendorf 31, vertreten durch Dr. Albert M. Sauer-Nordendorf, Rechtsanwalt in Pöllau, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11.Juli 1985, GZ 3 R 117/85-66, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 5.Februar 1985, GZ 24 Cg 166, 167/84-60, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte und Widerkläger ist schuldig, der Klägerin und Widerbeklagten die mit 5.977,85 S (darin 320 S Barauslagen und 514,35 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 26.August 1961 vor dem Standesamt Hartberg die beiderseits erste Ehe geschlossen. Dieser Ehe entstammen die drei Söhne Franz (geboren 1962), Andreas (geboren 1966) und Martin (geboren 1973). Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Ihr letzter gemeinsamer Wohnsitz ist Flattendorf 31 bei Hartberg.

Die Klägerin und Widerbeklagte begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten, der durch Verletzung der Unterhaltspflicht, ehewidrige Beziehungen, Vernachlässigung, Beschimpfungen, Drohungen, Mißhandlungen und sonstige Lieblosigkeiten das eheliche Verhältnis unheilbar zerrüttet habe. Der Beklagte bestreitet diese Vorwürfe, beantragt die Abweisung der Klage und verlangt die Scheidung der Ehe auf Grund seiner Widerklage wegen Verschuldens der Klägerin und Widerbeklagten, weil sie durch ihre unbegründete Eifersucht und daraus erfließende Zwistigkeiten sowie sonstige Lieblosigkeiten (Beschimpfungen und Mißhandlungen) und wegen ihrer ehebrecherischen Beziehungen die unheilbare Zerrüttung der Ehe allein verursacht habe. Die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden kurz Klägerin) bestreitet sämtliche Verschuldensvorwürfe des Beklagten und Widerklägers (im folgenden kurz Beklagter) und beantragt die Abweisung der Widerklage.

Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG wegen beiderseitigen, jedoch auf seiten des Beklagten überwiegenden Verschuldens aus, wobei es von den in seiner Entscheidung auf AS 310 bis 321 enthaltenen Feststellungen, auf die verwiesen wird, ausging. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß beide Ehegatten zur nicht mehr strittigen unheilbaren Zerrüttung der Ehe beigetragen hätten. Den Hauptgrund für das Scheitern der Ehe habe der Beklagte damit gesetzt, daß er durch die langjährige (etwa 18 Jahre), gegen den Widerstand der Klägerin aufrecht erhaltene ehewidrige Beziehung zu einer anderen Frau (Erna B) die Duldsamkeit der Klägerin überforderte. Darüber hinaus habe der Beklagte seine Unterhaltspflichten verletzt, das Haus der Streitteile vernachlässigt und verkommen lassen, weiters die Klägerin öfters mißhandelt und beschimpft und sich ihr gegenüber lieb- und interesselos verhalten. Der schuldhafte Beitrag der Klägerin zur Zerrüttung der Ehe liege in lieblosem und schnippischem Verhalten, in Beschimpfungen und Provokationen sowie in nicht nur begründet abgegebenen "ätzenden" Bemerkungen, vor allem in ihrer unbegründeten Eifersucht und diesbezüglichen Szenen, da sie dem Beklagten über das tatsächlich bestehende ehewidrige Verhältnis mit Erna B hinaus auch nahezu hinsichtlich jeder anderen Frau, mit der der Beklagte jemals in Kontakt kam, ein derartiges Verhältnis angedichtet habe. Bei Gegenüberstellung des beiderseitigen Fehlverhaltens erachtete der Erstrichter das Verschulden des Beklagten als eindeutig überwiegend.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und zur abschließenden Beurteilung ausreichend und billigte auch die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Scheidung der Ehe aus gleichteiligem Verschulden der Streitteile; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge führt der Beklagte aus, seine Bekanntschaft mit Frau B müsse in einem milderen Licht gesehen werden, weil sie sich aus einer langjährigen, wechselseitigen Familienfreundschaft ergeben habe. Die Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Beklagten sei nur kurzzeitig gewesen und sei dadurch verursacht worden, daß der Beklagte sich von seiner bisherigen Erwerbstätigkeit infolge des erlittenen Schlaganfalles auf die Pensionierung umstellen mußte. Demgegenüber stünden auf seiten der Klägerin ihre krankhafte Eifersucht, die das Eheklima schwer belastete, ihre kurze Liebesbeziehung zu Johann C und die Verletzung des Beklagten durch eine Mißhandlung seitens der Klägerin, wodurch ihm das Nasenbein gebrochen wurde, als Eheverfehlungen fest, weiters das Dulden von Betastungen durch Karl B seitens der Klägerin. Festgestellt sei auch die Streitsucht der Klägerin und ihr ständiges Nörgeln. Zusammenfassend wäre daher eine Scheidung der Ehe aus gleichteiligem Verschulden der Streitteile gerechtfertigt.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Bei der Verschuldensabwägung im Sinne des § 60 Abs 2 EheG kommt es auf das gesamte Verhalten der Ehegatten in seinem Zusammenhang, nicht auf eine Gegenüberstellung der einzelnen von ihnen begangenen Eheverfehlungen an (EFSlg. 25.088; EFSlg. 31.702, 8 Ob 514, 515/84 u. a.). Gemäß § 60 Abs 2 EheG ist der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten nur dann zulässig, wenn sein Verschulden erheblich schwerer als das des anderen ist. Der Unterschied des Verschuldens muß offenkundig hervortreten (EFSlg. 38.788; EFSlg. 41.281; 41.284; 8 Ob 514, 515/84 u.a.). Vor allem ist bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens zu berücksichtigen, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe den Anfang gemacht hat (EFSlg. 43.682) und welcher von den Ehegatten einen entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat (EFSlg. 43.679 u.a.). Werden diese Grundsätze auf den vorliegend festgestellten Sachverhalt angewendet, ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß vor allem das 18 Jahre andauernde, gegen den Willen der Klägerin aufrechterhaltene und von ihr als ehezerstörend empfundene ehewidrige Verhältnis des Beklagten mit Erna B, dessen Beendigung der Beklagte trotz aller Bemühungen seitens der Klägerin verweigerte, den entscheidenden Anstoß zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe gegeben hat. Soweit der Beklagte in seiner Revision dieses ehewidrige Verhältnis zu Erna B lediglich als eine "aus einer langjährigen, wechselseitigen Familienfreundschaft sich ergebende Bekanntschaft" darzustellen versucht, weicht er von dem festgestellten Sachverhalt ab und bringt in diesem Umfang die Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Dieses ehewidrige Verhältnis des Beklagten war nach den Feststellungen die Hauptursache für die gegenseitigen Beschimpfungen und Streitigkeiten sowie die von der Klägerin in anderen Fällen unbegründeten Eifersuchtsreaktionen. Nach den Feststellungen kam es etwa jede Woche zu Mißhandlungen der Klägerin durch den Beklagten, der die Klägerin sogar in einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung des Scheidungsverfahrens beschimpft und tätlich angegriffen hat.

Bei Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Streitteile ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß gegenüber den festgestellten schwerwiegenden Eheverfehlungen des Beklagten, insbesondere dem jahrelangen ehewidrigen Verhältnis mit Erna B und den häufigen Mißhandlungen der Klägerin, deren Eheverfehlungen, die durchwegs erst nach dem Beginn des ehewidrigen Verhältnisses des Beklagten gesetzt wurden, insbesondere die Beschimpfungen und Provokationen des Beklagten und die grundlosen Eifersuchtsszenen, aber auch ihre fallweisen kurzzeitigen ehewidrigen Kontakte mit Karl B und Johann C an Gewicht erheblich zurücktreten.

In dem Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten an der Scheidung der Ehe kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte