OGH 1Ob686/85

OGH1Ob686/8527.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marianne A, Pensionistin, Salzburg, Müllner Hauptstraße 4, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Günther B, Cafetier, Salzburg, Müllner Hauptstraße 4, vertreten durch Dr. Friedrich Gehmacher und Dr. Helmut Hittinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 4. Juli 1985, GZ 32 R 218/85-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 16. April 1985, GZ 18 C 85/85-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.339,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 385,80 Umsatzsteuer und S 96,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses Salzburg, Müllner Hauptstraße 4. Mit Vertrag vom 21.3.1975 vermietete sie näher bezeichnete Räumlichkeiten und einen Teil des Hausgartens gegen einen monatlichen wertgesicherten Mietzins von S 4.500,-- (zuzüglich Mehrwertsteuer und Betriebskosten) an Egon C zum Betrieb eines Cafehauses. Punkt II des Mietvertrages sieht vor: 'Der Mietvertrag tritt mit der beiderseitigen Unterfertigung der Vertragspartner in Wirksamkeit und gilt auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Mit Rücksicht auf die vom Mieter zu erbringende Investitionen verzichtet die Vermieterin auf eine Aufkündigung für die Dauer von zehn Jahren. Für beide Vertragsteile gilt eine Kündigungsfrist von sechs Monaten, wobei der Kündigungstermin auf jeden Kalendermonatsletzten fallen kann.' Mit Schreiben vom 24.8.1984 teilte Egon C der Klägerin mit, daß er sein Unternehmen an den Beklagten veräußert habe, daß der Beklagte mit Wirksamkeit vom 1.9.1984 das Cafehaus übernehme und gemäß § 12 Abs. 3 MRG in die Hauptmietrechte am Mietgegenstand eintrete. Die Beklagte hat diese Erklärung zur Kenntnis genommen. Mit der am 20.12.1984 überreichten Aufkündigung kündigte die Klägerin dem Beklagten das Bestandobjekt zum 31.3.1985 auf und führte aus, der Beklagte habe hohe Geschäfts- und Privatschulden, so daß in absehbarer Zeit mit der Einleitung exekutiver Schritte gegen ihn zu rechnen sei. Es sei zu befürchten, daß er nicht mehr in der Lage sein werde, den Mietzins für das Mietobjekt zu bezahlen. Da ihr die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar sei, sei sie zur vorzeitigen Aufläsung berechtigt.

Der Beklagte beantragt Aufhebung der Aufkündigung und brachte vor, daß die vertraglich bedungene Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei. Die Klägerin habe zudem bis März 1985 auf eine Kündigung verzichtet. Die Kündigung sei auch unzulässig, weil keiner der im Mietrechtsgesetz aufgezählten Kündigungsgründe vorliege. Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab. Gemäß § 12 Abs. 3 MRG sei der Beklagte in den vom Rechtsvorgänger mit der Klägerin abgeschlossenen Bestandvertrag eingetreten, so daß die im Vertrag vereinbarte sechsmonatige Kündigungsfrist auch für ihn gelte. Da diese Frist nicht eingehalten worden sei, sei die Kündigung aufzuheben. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Kläger nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Bestandverhältnis unterliege den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes, da ein Ausnahmetatbestand im Sinne des § 1 Abs. 2 und Abs. 4 MRG nicht hervorgekommen sei. Die Veräußerung des Unternehmens habe gemäß § 12 Abs. 3 MRG ex lege den Eintritt des Unternehmenserwerbers in das Mietverhältnis bewirkt, was bedeute, daß der vereinbarte Kündigungsverzicht bis 21.3.1985 und die vereinbarte sechsmonatige Kündigungsfrist auch im Verhältnis zum Beklagten Anwendung finde. Gemäß § 29 Abs. 1 Z 1 und 5 MRG werde der Mietvertrag sowohl durch Aufkündigung als auch dadurch aufgelöst, daß der Vermieter wegen erheblich nachteiligen Gebrauchs des Mietgegenstandes oder wegen Säumnis bei der Bezahlung des Mietzinses nach § 1118 ABGB die frühere Aufhebung des Vertrages fordere. Diese Aufläsungsgründe seien von der Klägerin nicht einmal behauptet worden. Die behauptete mangelnde Bonität des Beklagten begründe keinen wichtigen Grund im Sinne des § 30 Abs. 1 MRG zur Aufkündigung des Bestandvertrages. Im Bereich des Kündigungsschutzes stelle nicht einmal die Konkurseröffnung einen solchen wichtigen Grund dar, umsoweniger die bloße, wenn auch konkrete Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Klägerin kommt Berechtigung nicht zu.

Es ist nicht strittig, daß auf den von der Klägerin mit Egon C abgeschlossenen Bestandvertrag gemäß § 43 Abs. 1 MRG die Bestimmungen des ersten Hauptstückes dieses Gesetzes Anwendung zu finden haben. Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Regelung des § 12 Abs. 3 MRG auch für Altverträge, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes abgeschlossen wurden, sofern die Unternehmensveräußerung - was hier zutrifft - nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes erfolgte (MietSlg. 36.279/12, 35.303/14 und 23; Würth-Zingher, MRG+2 Anm. 4 zu § 12; Zingher in ÖJZ 1982, 118).

§ 12 Abs. 3 MRG normiert einen bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen ex lege eintretenden Vertragsübergang, der grundsätzlich die gesamte Vertragsstellung mit allen Nebenrechten und Nebenpflichten umfaßt (MietSlg. 36.279/12; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 12 MRG; Frotz-Hügel, §StZ 1982, 143, 144; Zingher a. a.O. 113, 116). Der im Bestandvertrag mit Egon C vereinbarte zeitlich beschränkte Kündigungsverzicht sowie die Vereinbarung einer von der gesetzlichen Regelung abweichenden sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Monatsletzten sind daher nach dem Eintritt des Beklagten in das Mietverhältnis auch ihm gegenüber wirksam. Die Klägerin macht geltend, daß auch beim Eintritt eines Erwerbers in das Mietverhältnis eine vorzeitige Vertragsaufläsung nach den für Dauerschuldverhältnissen geltenden Grundsätzen möglich sei. Es ist der Revisionswerberin einzuräumen, daß nach Lehre und Rechtsprechung Bestandverträge selbst im Falle vereinbarten Unkündbarkeit vorzeitig aufgelöst werden können, wenn dem Bestandgeber aus wichtigen, in der Person des Bestandnehmers gelegenen Gründen die Fortsetzung des Bestandverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl. MietSlg. 34.262, 34.259, 31.223, 31.222, 30.208; RZ 1977/73; Swoboda, Mietengesetz+2 184). Bei Bestandverhältnissen, die den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliegen, ist aber gemäß § 29 MRG die vorzeitige Auläsung durch den Vermieter nur wegen erheblich nachteiligen Gebrauchs des Mietgegenstandes oder wegen Säumnis bei der Bezahlung des Mietzinses nach § 1118 ABGB zulässig. Eine vorzeitige Aufläsung aus anderen Gründen schließt das Gesetz aus (MietSlg. 35.344, 30.354), doch können sonstige wichtige Gründe mit Kündigung geltend gemacht werden (Würth a.a.O. Rdz 9 zu § 1118). Die vorzeitige Aufläsung eines Vertrages aus wichtigem Grund kann auch durch das mildere Mittel der Aufkündigung geltend gemacht werden; in einem solchen Fall bedarf es nicht der Einhaltung der vereinbarten oder gesetzlichen Fristen oder Termine (MietSlg. 34.262, 32.733, 31.747, 30.208 u.a.). § 1118 zweiter Fall ABGB setzt voraus, daß der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung der Zinsen dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Nur ein derart qualifizierter Zinsrückstand rechtfertigt demnach die vorzeitige Aufläsung.

Behauptungen in dieser Richtung liegen nicht vor. Der von der Klägerin geltend gemachte Aufläsungsgrund kann aber auch nicht dem ersten Fall des § 1118 ABGB unterstellt werden. Es trifft zu, daß der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat, daß ein wichtiger Grund für die Aufläsung eines Bestandvertrages auch darin bestehen kann, daß ein gedeihliches Zusammenleben der Vertragspartner nicht mehr möglich ist. Der Oberste Gerichtshof subsumierte diesen Sachverhalt dem ersten Fall des § 1118 ABGB, weil ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstandes nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur dann gegeben ist, wenn die körperliche Substanz des Bestandgegenstandes beschädigt wird, sondern auch dann, wenn der Bestandnehmer sich im Haus eines solchen Verhaltens schuldig macht, das geeignet ist, den Ruf oder wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Bestandgebers zu schädigen oder zu gefährden (MietSlg. 34.262; RZ 1982/19; MietSlg. 23.185, 19.151). Mangelnde Bonität des Mieters, insbesondere dessen Schuldenstand, kann dem aber nicht gleichgestellt werden. Eine Verletzung wichtiger wirtschaftlicher oder sonstiger Interessen des Bestandgebers liegt in einem solchen Fall erst vor, wenn ein Sachverhalt im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB gegeben ist.

Da ein hinreichender Grund zur vorzeitigen Aufläsung des Vertrages nicht vorliegt und auch ein Fall, in dem das Gesetz die vorzeitige Kündigung gestattet (vgl. SZ 28/217; MietSlg. 15.106/6; Würth a.a.O. Rdz 3 und 23 zu § 1116), nicht vorliegt, ist entscheidend, ob ein Kündigungsgrund (§ 30 MRG) gegeben ist und die Aufkündigung dem Mietvertrag gemäß erfolgte. Im Hinblick auf den vereinbarten Kündigungsverzicht und die vertraglich bedungene Kündigungsfrist von sechs Monaten ist die Aufkündigung aufzuheben. Es sei aber doch darauf verwiesen, daß das zur Rechtfertigung der Kündigung geltend gemachte Sachvorbringen auch keinen Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 1 MRG darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung hat die Generalklausel des § 30 Abs. 1 MRG (früher § 19 Abs. 1 MG) nicht die Aufgabe, fehlende Merkmale der Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG zu ersetzen, sondern dient dazu, vom Gesetz sonst nicht erfaßte, aber an Gewicht Kündigungsgründen des § 30 Abs. 2 MRG gleichwertige Sachverhalte diesen gleichzusetzen (MietSlg. 33.319, 32.329, 31.344 u.v.a.). Eine Aufkündigung nach § 30 Abs. 1 MRG ist daher nur zulässig, wenn anstelle der fehlenden Voraussetzungen eines Tatbestandes nach § 30 Abs. 2 MRG solche zusätzlichen Umstände vorliegen, daß der gesamte Sachverhalt an Wichtigkeit den im § 30 Abs. 2 MRG aufgezählten Kündigungsgründen gleichkommt (MietSlg. 31.348, 30.356 u.a.). Der Richter muß auf Grund der Prüfung der gesamten Sach- und Rechtslage zum Schluß kommen, daß im Einzelfall Gründe vorliegen, die an Gewicht nicht hinter den im zweiten Absatz angeführten Kündigungsgründen zurückstehen (vgl. Swoboda a.a.O. 181). Schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Mieters rechtfertigen die Aufkündigung dann, wenn ein qualifizierter Zahlungsverzug im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 1 MRG vorliegt, wenn also der Mieter trotz einer nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgten Mahnung mit der Bezahlung des Mietzinses über die übliche oder ihm bisher zugestandene Frist hinaus, mindestens aber acht Tage, im Rückstand ist. Bloße Befürchtungen, daß es zufolge der wirtschaftlichen Situation des Mieters zu einem solchen Verzug kommen könnte, stellen dann aber keinen Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs. 1 MRG dar, weil dieser Fall an Gewicht keinesfalls den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fall des Zahlungsverzuges gleichgestellt werden kann. Nach der Rechtsprechung stellt nicht einmal die Konkurseröffnung an sich einen Kündigungsgrund dar (EvBl. 1956/351; Würth a.a.O. Rdz 12 zu § 30 MRG). Der Rechtsansicht Zinghers (a.a.O 118), die Übertragung der Mietrechte an einen Kridatar rechtfertige für sich allein die Aufkündigung, vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizupflichten.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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