Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war seit 1.7.1977 bei der beklagten GmbH als Angestellter beschäftigt. Mit der Behauptung, daß dieses Arbeitsverhältnis auf seine Anregung mit 31.8.1981 einvernehmlich aufgeläst worden sei, die beklagte Partei aber unter Ausnützung eines Irrtums des Klägers statt der ihm zustehenden vollen Abfertigung in scheinbarer Kulanz nur die halbe Abfertigung angeboten und den Kläger unter Verletzung ihrer Fürsorgepflicht zur Annahme dieses Angebotes bewogen habe, verlangt er die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung der zweiten Hälfte der Abfertigung in der unbestrittenen Höhe von S 47.516,- netto s.A.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger, welcher bei den vorangehenden Verhandlungen ausdrücklich auf seine Rechte hingewiesen worden sei, habe im Zuge der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf den restlichen Abfertigungsanspruch verzichtet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Einige Monate vor seinem Ausscheiden hatte sich der Kläger um die Position des Leiters der Textverarbeitung im Unternehmen der beklagten Partei bemüht, war aber abschlägig beschieden worden; daraufhin sah er sich um eine andere Stellung um. Da er sich darüber klar war, daß er bei einer Selbstkündigung keine Abfertigung erhalten würde, informierte er den Betriebsratsobmann Franz E über seine Pläne und ersuchte ihn, sich für eine Läsung zu verwenden, die ihm wenigstens einen Teil der Abfertigung sichern würde. Als der Kläger gute Aussichten auf einen anderen Posten, aber noch keinen fixen Arbeitsvertrag mit einem neuen Arbeitgeber hatte, schaltete sich Franz E für ihn ein und besprach sich mit dem Personaldirektor der beklagten Partei, Dr. Max F. Als dieser von dem Wunsch des Klägers erfuhr, aus dem Unternehmen auszuscheiden, meinte er zunächst: 'Dann soll er kündigen'. Franz E verwies jedoch darauf, daß der Kläger für die beklagte Partei einiges geleistet habe und bei seinem Ausscheiden kein schaler Geschmack bleiben solle. Allen Beteiligten war klar, daß bei einer Selbstkündigung des Klägers kein Anspruch auf Abfertigung bestünde. Um nicht durch die Auszahlung eines Teils der Abfertigung trotz Kündigung durch den Arbeitnehmer ein Präjudiz für die anderen Angestellten zu schaffen, schlug Dr. F schließlich vor, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als einvernehmliche Auflösung zu bezeichnen; der Kläger war damit einverstanden. Daraufhin wurde die nachstehende, mit 22.5.1981 datierte Vereinbarung (Beilage ./B), verfaßt und vom Kläger sowie von Dr. F unterschrieben:
'Zwischen Herrn Dipl.Ing. Werner A und B C D wird mit heutigem Tag folgende Vereinbarung getroffen:
1) Das Dienstverhältnis wird in beiderseitigem Einvernehmen per 31.08.1981 zur Auflösung gebracht.
2) Herr Dipl.Ing. A wird vom Dienst freigestellt. Durch diese Freistellung sind alle etwaigen Freizeitguthaben, insbesonders Urlaub und Freizeit zur Postensuche abgegolten.
3) Herr Dipl.Ing. A erhält eine freiwillige Abfertigung im halben Ausmaß des nach seiner Dienstzeit ihm zustehenden Betrages im Falle einer Kündigung durch den Dienstgeber. Das genaue Ausmaß wird von der Gehaltsverrechnung verrechnet. Es ist ein Monatsbezug entsprechend der geseuzlichen Vorschrift zu berechnen.
4) Herr Dipl.Ing. A erklärt ausdrücklich, daß er die in seinem Dienstvertrag vom 01.07.1977 angeführte Konkurrenzklausel beachten wird.
5) Die Endabrechnung erfolgt per 31.08.1981. Zu diesem Zeitpunkt werden Herrn Dipl.Ing. A auch die Arbeitspapiere ausgefolgt.' Daß die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch des Klägers erfolgte, wurde in der Vereinbarung ganz bewußt nicht festgehalten, weil der Kläger sonst in den ersten vier Wochen nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses keine Arbeitslosenunterstützung bekommen hätte. Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die vom Kläger gewünschte Kündigung bloß nach außen hin in die Form einer Vereinbarung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im beiderseitigen Einvernehmen gebracht worden sei, um kein Präjudiz für die zahlreichen anderen Angestellten der beklagten Partei zu schaffen. Der eingeklagte Anspruch bestehe deshalb nicht zu Recht. Das Berufungsgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Prozeßgericht erster Instanz. Ergänzend nahm es noch folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:
Zwischen dem Kläger, Dr. F und Franz E wurde nie darüber gesprochen, daß dem Kläger bei einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses die gesamte gesetzliche Abfertigung zustünde. Dieser Umstand war dem Kläger weder im Zuge der Vorgespräche noch bei Unterfertigung der Vereinbarung Beilage ./B bekannt. Unbestritten ist ferner, daß der Kläger anläßlich der Protokollierung dieser Vereinbarung keine Einwendungen erhoben hat. Davon ausgehend, verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen einer Selbstkündigung des Klägers; dessen Äußerungen gegenüber dem Betriebsratsobmann Franz E seien vielmehr bloße Absichtserklärungen gewesen, sein Arbeitsverhältnis demnächst auflösea zu wollen. Selbst wenn man im Sinne einzelner älterer Entscheidungen annehmen wollte, daß dann, wenn das Interesse an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur von einem Vertragspartner ausgeht und dieser mit dem Ersuchen um Beendigung an den anderen Vertragspartner herantritt, welcher seinerseits nur aus reinem Entgegenkommen zustimmt, ein solcher Vorgang nicht als einvernehmliche Auflösung, sondern als Kündigung gewertet werden müsse, sei damit für die beklagte Partei nichts gewonnen; letztere habe nämlich der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinesfalls aus bloßem Entgegenkommen, sondern auch deshalb zugestimmt, weil sie an der in die schriftliche Vereinbarung vom 22.5.1981 aufgenommenen Bekräftigung der Konkurrenzklausel durch den Kläger besonders interessiert gewesen sei. Gehe man aber von einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus, dann bestehe der Abfertigungsanspruch des Klägers gemäß § 23 Abs 1 und 7 AngG in voller Höhe zu Recht. Bei dieser Sachlage sei auf die Frage eines rechtswirksamen Verzichtes des Klägers auf einen Teil seines Abfertigungsanspruches nicht einzugehen, weil sich der Kläger des Bestehens eines derartigen Anspruches gar nicht bewußt gewesen sei und es daher auf seiner Seite am Grunderfordernis des Verzichtsbewußtseins gefehlt habe.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach von der beklagten Partei mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Die beklagte Partei beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Seinen Anspruch auf die noch ausstehende Abfertigungshälfte leitet der Kläger aus der Vereinbarung Beilage ./B ab, durch welche das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis 'in beiderseitigem Einvernehmen per 31.8.1981 zur Auflösung gebracht' worden sei. Daß dem Angestellten auch bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter den Voraussetzungen des § 23 Abs 1 AngG eine Abfertigung gebührt, hat der Oberste Gerichtshof
schon mehrfach ausgesprochen (SZ 38/157 = Arb.8150 = EvBl 1966/75 =
SozM I A d 669; Arb.8715; Arb.9282 = RdA 1975, 53; Arb.9930 ua;
ebenso Martinek-Schwarz AngG 6, 494 f § 23 Anm.40). Ob der Kläger beim Abschluß der Vereinbarung Beilage ./B auf einen Teil der Abfertigung rechtswirksam verzichten konnte, kann diesmal auf sich beruhen, weil der Text dieser Vereinbarung keinen Anhaltspunkt für einen solchen Verzicht des Klägers bietet, vielmehr die Bezeichnung der Leistung der beklagten Partei als 'freiwillige Abfertigung' im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht als erwiesen angenommenen Unkenntnis des Klägers vom Bestehen eines Abfertigungsanspruches der Annahme eines, sei es ausdrücklichen, sei es schlüssigen Verzichtes auf dieses Recht entgegensteht. Daraus folgt aber, daß sich die beklagte Partei dem Zahlungsbegehren des Klägers nur dann mit Erfolg widersetzen kann, wenn ihr der Beweis gelingt, daß sie die in Pkt.1. der Beilage ./B festgehaltene Vereinbarung über die Art der Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Einverständnis mit dem Kläger nur zum Schein geschlossen hat, um ein anderes, wirklich gewolltes Rechtsgeschäft - hier die einseitige Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger - zu verschleiern (JBl 1983, 444; zum Wesen des Scheingeschäftes und besonders zu den Voraussetzungen für die Wirksamkeit des 'verdeckten Geschäftes' Koziol-Welser 7 I 111; Rummel in seinem Kommentar zum ABGB, Rdz 1 ff zu § 916; vgl. auch SZ 48/36; SZ 43/134 = EvBl 1971/3 = MietSlg 22.075 ua.).
Die beklagte Partei, welche dem Klagebegehren in erster Instanz nur die Behauptung eines Verzichtes des Klägers auf den restlichen Abfertigungsanspruch entgegengesetzt hatte, hat in der Berufungsbeantwortung nicht nur von einer 'falsch bezeichneten Dienstnehmerkündigung' (im Sinne einer bloßen 'falsa demonstratio') gesprochen, sondern im Zuge der Rechtsrüge auch die Möglichkeit eines Scheingeschäftes erwähnt, durch das die Kündigung des Klägers verdeckt worden sei. Das Berufungsgericht ist auf diese Fragen nicht weiter eingegangen, obgleich die von ihm übernommene Feststellung des Ersturteils, die Parteien seien übereingekommen, die Beendigung des Dienstverhältnisses 'als einvernehmliche Auflösung zu bezeichnen', auch als Hinweis auf einen derartigen Scheincharakter des Pkt.1. der Vereinbarung Beilage ./B verstanden werden könnte. Zur Beantwortung der Frage, ob diese Vereinbarung tatsächlich von beiden Parteien bewußt nur zum Schein abgeschlossen wurde, um solcherart die von ihnen wirklich gewollte Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einseitige Erklärung des Klägers zu verdecken, reicht aber die angeführte Feststellung auch dann nicht aus, wenn man sie im Zusammenhang mit den übrigen Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils sieht; so steht insbesondere nicht fest, ob der Kläger beim Gespräch Franz ES mit Dr. Max F anwesend war, was ihm E andernfalls über den Inhalt dieses Gespräches mitgeteilt hat und welche Erklärungen Dr. F gegenüber dem Kläger selbst abgegeben hat. Diese Feststellungsmängel nötigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils: Das Berufungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren die Parteien zu einer allfälligen Ergänzung ihres Sach- und Beweisvorbringens zu veranlassen (§ 182 ZPO) und dann nach Aufnahme der ihm notwendig scheinenden Beweise die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Erst danach wird es verläßlich beurteilen können, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die in Beilage ./B beurkundete einvernehmliche Auflösung - in welchem Fall auch ein allfälliger Rechtsfolgenirrtum der beklagten Partei über ihre Pflicht zur Zahlung einer Abfertigung unbeachtlich wäre und der Anspruch des Klägers auf die noch ausstehende Hälfte der Abfertigung zu Recht bestünde - oder aber durch einseitige Kündigungserklärung des Klägers mit vergleichsweiser Zusage einer halben Abfertigung beendet worden ist, was zur Abweisung des Zahlungsbegehrens führen müßte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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