OGH 8Ob640/85

OGH8Ob640/8521.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred P*, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wider die beklagten Parteien 1.) Alois K*, 2.) Daniela K*, beide vertreten durch Dr. Harald Beck, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen S 95.716,‑‑ s.A., Zahlung einer Rente (Streitwert S 180.000,‑‑) sowie Feststellung (Streitwert S 30.000,‑‑) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. Juni 1985, GZ 14 R 33/85‑23, womit das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 22. November 1984, GZ 1 Cg 308/83‑19, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00640.85.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben, der angefochtene Beschluß wird hinsichtlich des Rentenbegehrens des Klägers für die Zeit vom 14. 6. 1981 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

„Das Klagebegehren, die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung einer monatlichen Rente an den Kläger in Höhe von S 5.000 wertgsichert ab 14. 6. 1981 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz zu verpflichten, wird abgewiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Im übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

Am 13. 6. 1981 veranstaltete die Zweitbeklagte mit Jugendlichen im Weinkeller ihres Vaters, des Erstbeklagten, eine Party, bei der auch alkoholische Getränke konsumiert wurden. Die Zweitbeklagte, der bekannt war, daß ihr Vater in der Sitzbank des Kellers ein der Starbekämpfung dienendes Flobertgewehr aufbewahrte, holte im Verlaufe dieser Party diese Waffe hervor. Ohne sich vom Zustand der Waffe, welche mit Schrotpatronen geladen war, zu überzeugen, brachte sie das Gewehr aus einer Entfernung von 2,5 m in Richtung des als Gast anwesenden Klägers in Anschlag und zog den Abzugbügel durch. Es löste sich ein Schuß, welcher den Kläger im Bereiche des rechten Auges traf. Wegen dieses Unfalles wurde der Erstbeklagte mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Oberwart vom 28. 8. 1981, GZ 3 a U 985/81‑2, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB für schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihm wurde die mangelhafte Verwahrung der geladenen Waffe angelastet. Die Zweitbeklagte wurde mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 9. 10. 1981, GZ 6 Vr 795/81, Hv 55/81‑12, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Der Kläger als Privatbeteiligter wurde mit seinen Ansprüchen gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger unter Hinweis auf diese Verurteilung zunächst Bezahlung von S 245.716,‑‑ s.A., die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden des Klägers aus diesem Ereignis sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer wertgesicherten monatlichen Rente in der Höhe von S 5.000,‑‑ ab 14. 6. 1981.

Über richterliche Anleitung präzisierte der Kläger in der Streitverhandlung vom 6. 12. 1983 sein Rentenbegehren dahin, daß damit eine „abstrakte Rente“ geltend gemacht werde. Der Kläger beziehe zwar weiterhin sein bisheriges Verdienst, dies sei ihm aber nur unter vermehrten Anstrengungen und daher unter der Gefahr eines früheren Verlustes seiner Arbeitskraft möglich.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Leistungs- und Rentenbegehrens, anerkannten jedoch bereits in der Klagebeantwortung das Feststellungsbegehren. Die dem Kläger zustehenden Ansprüche seien durch die von ihnen geleisteten Zahlungen zur Gänze abgegolten. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Verunstaltungsentschädigung gemäß § 1326 ABGB und für die Zuerkennung der begehrten Rente seien nicht gegeben.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 12.716,‑‑ s.A. zu und gab dem Feststellungsbegehren statt; das Mehrbegehren von S 83.000,‑‑ und das Rentenbegehren wurden abgewiesen.

Infolge Berufung des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes mit Teilurteil dahin ab, daß unter Einbeziehung des bestätigten und des unangefochten gebliebenen Teiles dem Kläger S 62.716,‑‑ s.A. zugesprochen und die Haftung der Beklagten für alle dem Kläger aus dem Schadensereignis vom 13. 6. 1981 in Hinkunft entstehenden Schäden festgestellt wurde; das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren S 33.000,‑‑ s.A. wurde abgewiesen. Hinsichtlich des abändernden Teiles wurde die Revision nicht zugelassen.

Bezüglich des Begehrens auf Bezahlung einer monatlichen wertgesicherten Rente von S 5.000,‑‑ an den Kläger ab 14. 6. 1981 wurde das Urteil des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes aufgehoben.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Das Erstgericht hat zum Begehren des Klägers auf Zuerkennung einer sogenannten abstrakten Rente im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Kläger erlitt beim gegenständlichen Unfall eine Schrotschußverletzung im Bereiche der rechten Augenhöhle, welche zum Verlust seines rechten Auges führte. Nachdem zunächst in der Universitätsaugenklinik Graz nach dem Unfall versucht wurde, das rechte Auge des Klägers zu erhalten, trat eine Verschlimmerung seines Zustandes ein und es mußte am 13. 7. 1981 die Entfernung seines rechten Auges durchgeführt werden. Im September 1983 erhielt der Kläger ein Glasauge eingesetzt, welches zwischenzeitig mehrfach ausgetauscht werden mußte. Als Folge dieser Verletzungen sind beim Kläger nach dem Unfall zunächst durch einen Zeitraum von etwa drei Wochen zeitweilig starke Schmerzen aufgetreten; nach der Entfernung des Auges sind durch weitere sechs bis sieben Tage zeitweilig starke Schmerzen aufgetreten, anschließend sind durch etwa zwei Wochen zeitweise allmählich abklingende mittelstarke Schmerzen aufgetreten, letztlich sind durch einen Zeitraum von einem Jahr zeitweilig geringgradige Schmerzen aufgetreten. Jeweils komprimiert als dauernd berechnet sind beim Kläger als Unfallfolge starke Schmerzen durch zehn Tage, mittelstarke Schmerzen durch 14 Tage und geringgradige Schmerzen durch drei Monate aufgetreten. Die Veränderungen in der Umgebung des rechten Auges des Klägers sind praktisch ohne wesentliche sichtbare Zeichen abgeheilt. Durch den Verlust des Auges und die Notwendigkeit des Tragens einer Augenprothese besteht aber weiterhin eine merkbare kosmetische Störung. Durch die nunmehrige Einäugigkeit ist beim Kläger eine Einschränkung des Sehvermögens bedingt, es liegt Verlust des räumlichen Sehens und eine geringere Sehschärfe als beim beidäugigen Sehen vor, letzteres insbesonders bei herabgesetzter Beleuchtung. Weiters besteht eine Einschränkung des Gesichtsfeldes um etwa 1/4 des normalen, es besteht auch die Möglichkeit einer bisweilen auftretenden leichteren Ermüdbarkeit, es treten auch asthenopische Beschwerden auf, letztlich würde bei leichteren Erkrankungen oder Verletzungen des verbliebenen Auges eine erhebliche Behinderung des Klägers eintreten. Trotz dieser Verletzung kann der Kläger seinen Beruf als Optiker weiter ausüben, es ist dabei aber eine vermehrte Anstrengung des Klägers in der Relation zu einer Person, die über die Sehkraft beider Augen verfügt, erforderlich. Es ist aber trotz dieser erforderlichen vermehrten Anstrengung bei der Berufsausübung mit der Verletzung an sich die Gefahr eines früheren Verlustes der Arbeitsfähigkeit nicht gegeben. Allerdings würde beim Kläger bei Erblindung des verbliebenen Auges eine völlige Blindheit gegeben sein. Nach sozialversicherungsrechtlichen Grundlagen wird zwar grundsätzlich bei Verlust eines Auges eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zwischen 30 und 40 % angenommen, im konkreten Fall liegt aber eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers deshalb nicht vor, da er trotz seiner Verletzung seinem bisherigen Beruf weiterhin nachgehen kann, dies zwar unter vermehrten Anstrengungen, nicht aber unter der konkreten Gefahr eines früheren Verlustes seiner Arbeitsfähigkeit.

Der Kläger hat am 1. 8. 1980 eine Optikerlehre bei der Firma R* begonnen, er hat zwischenzeitig die Gesellenprüfung erfolgreich abgelegt und wird von seinem Dienstgeber weiterbeschäftigt, welcher mit seinen Leistungen durchaus zufrieden ist. Dem Kläger ist durch den gegenständlichen Unfall ein konkreter Verdienstentgang nicht entstanden, er verdient genausoviel wie er auch ohne diesen Unfall verdient hätte bzw. verdienen würde. Der Kläger war lediglich bis September 1983 nach dem gegenständlichen Unfall im Krankenstand.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, die Voraussetzungen für den Zuspruch einer „abstrakten Rente“ lägen nicht vor. Der Kläger habe nicht behauptet, daß ihm ein konkreter Verdienstentgang entstanden wäre. Um eine abstrakte Rente zuerkennen zu können, müßten Dauerschäden vorliegen, auf Grund deren für die Zukunft eine Einkommensminderung als wahrscheinlich anzunehmen wäre. Dies wäre vom Kläger zu beweisen gewesen. Eine „abstrakte Rente“ hätte nur dann zugebilligt werden können, wenn davon auszugehen gewesen wäre, daß der Kläger durch seine Behinderung bei der Arbeitsplatzsuche gegenüber gesunden Mitbewerbern benachteiligt wäre und die Gefahr bestehen würde, daß seine Arbeitskraft schneller verbraucht sein würde. Auf die bloß schematischen Annahmen der Sozialversicherungsträger im Zusammenhang mit den Grundsätzen für die Gewährung einer Rente komme es dabei nicht an. Im vorliegenden Fall ergebe sich zusätzlich, daß der Kläger nach Beendigung seiner Lehrzeit bei seinem Dienstgeber weiter beschäftigt worden sei, welcher mit seinen Leistungen auch sehr zufrieden sei. Es drohe ihm daher keinesfalls in irgendeiner konkreten Form ein Verlust dieser Arbeitsstelle. Wenn der Kläger seine Berufstätigkeit auch nur unter vermehrten Anstrengungen ausüben könne, so sei doch nach dem festgestellten Sachverhalt die Gefahr eines früheren Verlustes seiner Arbeitsfähigkeit nicht gegeben. Auf die bloß hypothetische Gefahr, der Kläger könnte auch sein verbliebenes Auge verlieren und dann völlig erblinden, könne dabei nicht Bedacht genommen werden.

Das Berufungsgericht war hingegen der Auffassung, bezüglich des Rentenbegehrens reichten die Feststellungen des Erstgerichtes zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung noch nicht aus. Die Feststellungen des Erstgerichtes ließen keinen Zweifel darüber, daß der Kläger in seinem Beruf als Optiker infolge des Verlustes seines rechten Auges und den dadurch bedingten Verlust des räumlichen Sehens und durch die unfallsbedingte Herabsetzung der Sehschärfe, insbesondere bei herabgeminderter Beleuchtung, im Vergleich zu einem Normalsichtigen erhöhten Anstrengungen ausgesetzt sei, um die gleichen Arbeitserfolge zu erzielen. Damit sei auch die Möglichkeit einer früheren Erschöpfung seiner Arbeitskraft gegeben. Die Voraussetzungen für die Ausgleichsfunktion der begehrten Rente müßten also zweifellos bejaht werden. Ob auch die Voraussetzungen für die Sicherungsfunktion gegeben sind, lasse sich jedoch auf Grund der bisherigen Feststellungen des Erstgerichtes nicht beurteilen; dessen Feststellung, daß dem Kläger durch den Unfall ein konkreter Verdienstentgang nicht entstanden sei, weil er genausoviel verdiene wie er ohne den Unfall verdienen würde, vermöge in dieser Hinsicht überhaupt nichts zu besagen, weil es ja gerade eine (negative) Voraussetzung für die Zuerkennung einer sogenannten abstrakten Rente darstelle, daß dem Verletzten zufällig und vorläufig kein ziffernmäßig erfaßbarer Verdienstentgang entstanden sei. Auch die Feststellung, daß der Kläger in der Zwischenzeit die Gesellenprüfung erfolgreich abgelegt habe und von seinem Dienstgeber, der mit seinen Leistungen durchaus zufrieden sei, weiter beschäftigt werde, reiche für die Annahme, daß eine abstrakte Rente keine Sicherungsfunktion erfüllen könnte, keineswegs aus; damit sei nämlich durchaus nicht gesagt, daß der Kläger nicht doch seinen derzeitigen Arbeitsplatz verlieren und keinen anderen finden könnte. Um beurteilen zu können, ob diese Gefahr ausreichend wahrscheinlich sei, müßten die konkreten Umstände festgestellt, d.h. es müsse ermittelt werden, ob sein derzeitiger Arbeitsplatz bei einer Verschlechterung des Arbeitsmarktes für ihn wegen der Unfallsfolgen gefährdet erscheine. Sollte sich nach diesbezüglicher Ergänzung des Beweisverfahrens herausstellen, daß der derzeitige Arbeitsplatz des Klägers wegen der Unfallsfolgen mit einer praktisch ins Gewicht fallenden Wahrscheinlichkeit gefährdet sei, dann müsse auch noch geprüft werden, ob der Kläger durch seine Behinderung bei der Suche und Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes tatsächlich schlechter gestellt sei oder ‑ was allerdings nach Art der Verletzung im Hinblick auf den ausgeübten Beruf des Klägers nicht sehr wahrscheinlich sein dürfte ‑ ob seine Behinderung von einem Dienstgeber im allgemeinen als so unbedeutend gewertet werde, daß es nicht als wahrscheinlich anzunehmen sei, der Kläger werde deshalb einen Arbeitsplatz nicht erhalten, den er ohne diese Behinderung bekommen würde. Dazu werde sich allenfalls die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Berufskunde (Arbeitsvermittlung) empfehlen.

In ihrem Rekurs führen die Beklagten aus, daß zumindest das für die Zeit vom 14. 6. 1981 bis 23. 10. 1984 geltend gemachte Rentenbegehren nicht zu Recht bestehe, weil eine abstrakte Rente erst ab Schluß der Verhandlung erster Instanz zugesprochen werden könne. In diesem Umfang wäre daher das Ersturteil (im Rahmen des Teilurteiles) jedenfalls zu bestätigen und der Berufung ein Erfolg zu versagen gewesen. Trotz Anleitung nach § 182 ZPO und ausdrücklicher Bestreitung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Annahme der Ausgleichs- und Sicherungsfunktion durch die Beklagten habe der Kläger bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz nicht behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt, daß und welche konkreten Umstände vorliegen, die den Verlust seines Arbeitsplatzes in absehbarer Zeit zumindest wahrscheinlich machten. Nur bei Behauptung und Vorliegen dieser Voraussetzungen wäre neben der Ausgleichsfunktion der abstrakten Rente auch ihre Sicherungsfunktion erfüllt und der notwendige Zusammenhang mit einem Verdienstentgang gegeben. Selbst bei Außerachtlassung des Umstandes, daß vom Kläger keine die Sicherungsfunktion der begehrten Rente betreffenden Prozeßbehauptungen erhoben worden seien, sei für ihn nichts zu gewinnen, weil das Beweisverfahren keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür erbracht habe, daß der Arbeitsplatz des Klägers in absehbarer Zeit gefährdet wäre. Ohne Vorliegen dieser Voraussetzung komme der Zuspruch einer abstrakten Rente nicht in Betracht.

Soweit die Beklagten die Aufhebung des Ersturteiles durch das Berufungsgericht auch hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung einer abstrakten Rente für die Zeit vom 14. 6. 1981 bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz bekämpfen, kommt dem Rekurs allerdings Berechtigung zu. Die Beklagten weisen in ihrem Rechtsmittel zutreffend darauf hin, daß eine abstrakte Rente erst ab dem endgültigen Schluß der Verhandlung erster Instanz zugesprochen werden kann (ZVR 1983/284 ua). Bei mehreren Rechtsgängen in erster Instanz betreffend das Rentenbegehren kommt es hierbei auf den Schluß der Verhandlung im letzten Rechtsgang an. Für den Zeitraum bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz kommt daher ein Zuspruch der verlangten Rente von vornherein nicht in Betracht. In diesem Umfang war daher der Aufhebungsbeschluß zu beseitigen und in der Sache selbst (§ 519 Abs. 2 ZPO) im Sinne der Klagsabweisung durch Teilurteil zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht in diesem Umfang auf den §§ 52 Abs. 2, 392 Abs. 2 ZPO.

Im übrigen kommt dem Rekurs aber keine Berechtigung zu.

Der Kläger hat in der Streitverhandlung vom 6. 12. 1983 vorgebracht, das Rentenbegehren werde als „abstrakte Rente“ geltend gemacht, der Kläger habe daher nicht tatsächlich einen Verdienstentgang auf Grund der gegenständlichen Verletzungen bisher erlitten, könne aber seinen bisherigen Verdienst nur unter vermehrten Anstrengungen und daher unter der Gefahr eines früheren Verlustes seiner Arbeitskraft erzielen. Auf den Einwand der Beklagten, der Kläger habe bisher kein konkretes Vorbringen erstattet, inwieweit die Voraussetzungen hinsichtlich der Ausgleichs- und Sicherungsfunktion einer abstrakten Rente im konkreten Falle gegeben sein sollen, führte der Kläger aus, diese näheren Umstände würden sich insbesondere nach Vorliegen eines Sachverständigengutachtens ergeben und beantragte daher die Einholung eines solchen Gutachtens. Damit ist der Kläger aber entgegen der Auffassung des Rekurses seiner Behauptungspflicht hinsichtlich des Vorliegens auch der Voraussetzungen der Sicherungsfunktion der abstrakten Rente immerhin noch nachgekommen.

Das Berufungsgericht hat im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zutreffend ausgeführt, daß die abstrakte Rente eine Ausnahme für jene Härtefälle bildet, in denen der Verletzte trotz eines körperlichen Dauerschadens leer ausgehen müßte, weil ihm zufällig und vorläufig kein ziffernmäßig erfaßbarer Verdienstentgang erwachsen ist. Da der Zuspruch einer solchen Rente seine Grundlage in der Bestimmung des § 1325 ABGB findet, wonach der Schädiger bei Eintritt eines Dauerschadens des Geschädigten diesem auch den künftig entstehenden Verdienstentgang zu ersetzen hat, muß ein innerer Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verdienstentgang gewahrt bleiben. Es genügt daher für den Anspruch auf eine solche Rente nicht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit schlechthin oder eine bloße Erschwernis der Arbeit. Es muß vielmehr eine Einkommensminderung wegen der unfallsbedingten Verletzungen nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu erwarten oder doch wahrscheinlich sein. Ein Anspruch auf eine sogenannte abstrakte Rente ist erst dann begründet, wenn die Erschwernisse der Arbeit nicht nur größere Anstrengungen zur Erzielung desselben Arbeitserfolges, wie er ohne die Unfallsfolgen erreichbar wäre, notwendig machen und damit die Möglichkeit einer früheren Erschöpfung der Arbeitskraft des Verletzten gegeben ist (Ausgleichsfunktion), sondern den Geschädigten auch der Gefahr einer Benachteiligung im Wettbewerb mit gesunden Menschen aussetzen (Sicherungsfunktion). Die abstrakte Rente gebührt daher nicht, wenn sie im Einzelfall nur eine dieser Aufgaben erfüllt, sondern erst dann, wenn beide Voraussetzungen bejaht werden können (vgl. ZVR 1984/325 ua).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Feststellungen des Erstgerichtes nicht ausreichten, um verläßlich das Vorliegen der Voraussetzungen für die Sicherungsfunktion der abstrakten Rente beurteilen zu können, sondern es insbesondere noch ergänzender Feststellungen in der Richtung bedürfe, ob nach den konkreten Umständen der derzeitige Arbeitsplatz des Klägers wegen der Unfallsfolgen gefährdet erscheine.

Hält aber das Berufungsgericht, ausgehend von einer zutreffenden Rechtsansicht, eine Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage für erforderlich, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, den diesbezüglich erteilten Aufträgen nicht entgegentreten (vgl. SZ 38/29 und 227 uva).

In diesem Umfang war dem Rekurs der Beklagten daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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