OGH 3Ob597/85

OGH3Ob597/8520.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz A, Schlossermeister, 4890 Frankenmarkt, Marktfeld Nr.9, geb. 5.2.1943 in Lodz, vertreten durch Dr. Erich Gugenberger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wider die beklagte Partei Rosina A, geb. Hemetsberger, Hausfrau, 4890 Frankenmarkt, Marktfeld Nr.9 a, geb. 17.2.1946 in Hagenberg im Mühlkreis, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7. Juni 1985, GZ. 5 R 329/84-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 5.Oktober 1984, GZ. 7 Cg 511/82-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte mit einer am 29.11.1982 eingebrachten Klage die Scheidung seiner am 10.6.1967 mit der Beklagten geschlossenen Ehe gemäß § 49 EheG. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und stellte für den Fall des Ausspruches der Scheidung den Antrag, das überwiegende Mitverschulden des Klägers festzustellen. Das Erstgericht erkannte auf Scheidung der Ehe bei Ausspruch des überwiegenden Mitverschuldens des Klägers.

Infolge einer lediglich von der Beklagten eingebrachten Berufung änderte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab.

Die beiden Vorinstanzen gingen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Der Ehe entstammen drei Kinder, welche in den Jahren 1968, 1970 und 1978 geboren wurden. Die Ehe der Streitteile verlief bis etwa Jänner 1981 harmonisch.

Bei der in einer Privatklinik vorgenommenen Entbindung des dritten Kindes entstanden wegen der Notwendigkeit einer Kaiserschnittoperation für den Kläger hohe Kosten, was im Jänner 1981 insofern eine Rolle spielte, als jetzt der Kläger die Vornahme einer vom Frauenarzt der Beklagten empfohlenen Eileiterunterbindung in derselben Privatklinik wegen der Kosten von etwa 15.000 S ablehnte. Andererseits mußte die Beklagte, der aus gesundheitlichen Gründen von einer weiteren Schwangerschaft abgeraten wurde, aber auch die Verwendung der Antibabypille absetzen. Die Beklagte nahm dies zum Anlaß, im Frühjahr 1981 oder allenfalls auch erst nach einem Kuraufenthalt im Sommer 1981 aus dem ehelichen Schlafzimmer auszuziehen und seither in einem anderen Zimmer der ehelichen Wohnung zu nächtigen. Fallweise hielt sie dieses Zimmer versperrt, so daß anfängliche Versuche des Klägers, intimen Kontakt mit der Beklagten aufzunehmen, erfolglos waren.

Schon in früherer Zeit, vor allem aber nach einer Aussprache mit einigen Frauen, mit denen die Beklagte bei ihrem Kuraufenthalt im Sommer 1981 zusammengekommen war, beklagte sich die Beklagte gegenüber verschiedenen Personen über die zu geringen Unterhaltsleistungen des Klägers. Tatsächlich erhielt die Beklagte auch vom Kläger für die insgesamt 5-köpfige Familie immer nur ein höchst knappes Haushaltsgeld. Der Kläger hatte sich im Jahr 1972 selbständig gemacht und mußte für seinen Schlossereibetrieb hohe Kredite aufnehmen, so daß sein Nettoeinkommen nicht all zu hoch war. Immerhin entnahm er aber zB 1979 jährlich etwa 150.000 S, 1980 etwa 200.000 S, 1981 etwa 130.000 S und 1982 etwa 140.000 S und gab seiner Frau jährlich nur immer etwa 72.000 S bis 84.000 S. Da der Kläger etwa ab dem Auszug der Beklagten aus dem ehelichen Schlafzimmer begann, zunehmend weniger Interesse für seine Familie zu zeigen, intensivierte die Beklagte den schon früher immer bestandenen Kontakt zu ihren Eltern. Seit etwa Sommer 1981 war der Kläger damit nicht mehr einverstanden und äußerte dies auch wiederholt. Die Beklagte unternahm aber nichts gegen weitere Besuche ihrer Eltern. Als die Beklagte ihren Vater als Firmpaten des älteren Sohnes der Streitteile vorsah, machte der Kläger einen fürchterlichen 'Krach', worauf die Beklagte in der Folge dem Kläger verschwieg, daß ihre Mutter als Firmpatin der Tochter der Streitteile auftreten sollte.

Seit etwa 1981 begann der Kläger die Beklagte immer wieder zu beschimpfen ('Trampel', 'blödes Weib'). Im Zuge derartiger wörtlicher Auseinandersetzungen kam es fallweise vor, daß sich die Beklagte gegenüber dem Kläger zu Äußerungen wie 'Depp' hinreißen ließ. Ende 1981 wurden die Beziehungen der Streitteile immer schlechter. Im Februar 1982 stellte der Kläger vorübergehend alle Unterhaltsleistungen überhaupt oder doch weitgehend ein, worauf die Beklagte sich wegen der Familienbeihilfe ans Finanzamt und wegen des Unterhaltes an das Gericht wendete.

Als die Beklagte wegen des Unterhaltsrückstandes Exekution führte, reagierte der Kläger damit, daß er für die bisher von ihm getragenen Stromkosten nicht mehr aufkam. Dies wiederum nahm die Beklagte zum Anlaß, am 1.2.1984 mit handgreiflicher Gewalt den Versuch zu unternehmen, den Kläger an der Benützung des Bades mit dem Hinweis zu hindern, er komme für die Heißwasserkosten nicht auf, worauf der Kläger die Beklagte tätlich mißhandelte.

Auf Grund dieses Sachverhaltes gingen beide Vorinstanzen von einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe aus.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß der nicht unbedingt nötige Rückzug der Beklagten aus dem Schlafzimmer und die Nichtbereitschaft zum ehelichen Verkehrs seitens der Beklagten sowie die mangelnde Bereitschaft, die dem Kläger unerwünschten Besuche der Eltern einzustellen, eine schwere Eheverfehlung darstellen, welche die Scheidung rechtfertige. Das überwiegende Verschulden liege aber beim Kläger, der vor allem zu wenig Unterhalt bezahlt habe und die Beklagte auch sonst viel zu lieblos und rücksichtslos behandelt habe.

Das Berufungsgericht war hingegen der Ansicht, daß das Verhalten der Beklagten im Jahr 1981 zwar eine Eheverfehlung dargestellt habe, daß aber diese Eheverfehlung wegen Versäumung der Klagefrist des § 57 Abs 1 EheG vom Kläger nicht mehr geltend gemacht werden könne. Später habe sich der Kläger selbst nicht mehr um die Beklagte bemüht, so daß das Beibehalten der getrennten Schlafzimmer der Beklagten nicht mehr angelastet werden könne. Wegen der mangelnden Unterhaltsleistungen des Klägers habe der Beklagten das Rmcht zugestanden, sich mehr an ihre Eltern anzuschließen, auf deren finanzielle Hilfeleistung sie wegen der Verhaltensweise des Klägers angewiesen gewesen sei. Der Vorfall vom 1.2.1984 stelle nur eine verständliche Reaktion der Beklagten auf das ehewidrige Verhalten des Klägers dar. Es sei demnach keine das Scheidungsbegehren rechtfertigende Eheverfehlung der Beklagten erwiesen. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Der Vorwurf, es seien keine Tatsachenfeststellungen über den Zeitpunkt getroffen worden, an dem die Frist des § 57 Abs 1 EheG zu laufen begann, ist unberechtigt.

Der Beklagten könnte als Eheverfehlung angelastet werden, daß sie im Frühjahr oder Sommer 1981 aus dem ehelichen Schlafzimmer auszog und seither die Nacht in einem getrennten Schlafraum verbringt und diesen fallweise auch versperrte, denn das Versperren des Schlafzimmers könnte Ausdruck der Ablehnung einer weiteren ehelichen Gemeinschaft und damit eine Eheverfehlung sein (EFSlg 29.501). Die Vorinstanzen haben aber festgestellt, daß es nur 'anfänglich' Versuche des Klägers gab, mit der Beklagten intimen Kontakt aufzunehmen, die wegen des versperrten Zimmers erfolglos blieben. Dieser sicher nicht besonders präzise Ausdruck kann aber nicht so verstanden werden, daß sich der Kläger sozusagen ein Jahr lang um die Beklagte in dieser Hinsicht bemüht hatte und nur dann käme man in die Nähe des 29.5.1982 (= 6 Monate vor Einbringung der Scheidungsklage); sondern nach der allgemeinen Bedeutung des Wortes 'anfänglich' ist damit ein wesentlich kürzerer Zeitraum gemeint. Dies ist auch aus der weiteren Feststellung der Vorinstanzen abzuleiten, daß der Kläger schon 'etwa ab dem Auszug der Beklagten aus dem Schlafzimmer' begann, zunehmend weniger Interesse für die Familie zu zeigen, daß es 'seit Sommer 1981' die Probleme mit den Eltern der Beklagten gab und die Beziehungen zwischen den Streitteilen 'seit Ende 1981' immer schlechter wurden (S.11 bis 12 des Ersturteils).

Die Auffassung, der Kläger habe sozusagen eine Weile lang nichts unternommen, weil er nicht wissen konnte, ob das Verhalten der Beklagten gerechtfertigt sei oder fortgesetzt werde, geht daher nicht von den getroffenen Feststellungen, sondern unzulässigerweise von einem urteilsfremden Sachverhalt aus. Für die Zeit ab Sommer 1981 bis Ende 1981 ist vielmehr festzuhalten, daß sich der Kläger nicht mehr um die Beklagte kümmerte, so daß es völlig belanglos war, wo sie schlief.

Unter einer Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Sinne des § 57 Abs 1 dritter Satz EheG wird dasselbe wie im § 55 Abs 1 EheG verstanden, nämlich die Aufhebung der Wohn-, Wirtschaftsund Geschlechtsgemeinschaft (EvBl 1961/100). Eine solche ist erst seit der am 16.3.1984 abgeschlossenen Vereinbarung gegeben (ON 17), vorher bestand zumindest eine volle Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl.etwa EFSlg 41.224). Es trat daher auch keine Hemmung der Klagefrist des § 57 EheG ein. Das Verlassen des ehelichen Schlafzimmers seitens der Beklagten ist daher, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, verfristet.

Sonstige Eheverfehlungen sind hingegen nicht erkennbar. Daß sich die Beklagte von ihren Eltern besuchen ließ, als ihr der Kläger kein eheliches Interesse mehr entgegenbrachte und auch ihren Unterhalt schwer vernachlässigte, kann ihr auch dann nicht angelastet werden, wenn sich der Kläger gegen solche Besuche aussprach, weil der Kläger zu einer Untersagung solcher Besuche nicht berechtigt war. Daß die Beklagte dem Kläger verschwieg, wer Firmpate der Tochter sein solle, ist verständlich, wenn man die völlig unerträgliche Reaktion des Klägers auf einen ersten Vorschlag berücksichtigt. Und daß die Beklagte am 1.2.1984, vielleicht objektiv nicht ganz berechtigt, den Kläger mit dem Vorhalt, an der Vornahme eines Bades hindern wollte, er komme nicht für die Stromkosten auf, ist bei den damals schon bestehenden Spannungen ein so geringfügiger Vorfall, daß er nicht mehr zu einer weiteren Zerrüttung der praktisch schon zerstärten Ehe beitragen konnte.

Damit erweist sich die Auffassung des Berufungsgerichtes als zutreffend, daß der Beklagten keine Eheverfehlung zur Last liegt, welche vom Kläger geltend gemacht werden kann, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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