Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hubert A gemäß § 21 Abs 1 StGB. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes eine Tat beging, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist; er hatte am 11.August 1984 in Ratzenegg versucht, dem Manfred B durch einen Messerstich in den Hals absichtlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen (I) und den Genannten mit den Worten:
'Ich spritze euch Blausäure ins Gesicht', wobei er einen Kaltstarterspray gegen ihn sprühte, gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen (II).
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z. 3, 4, '9' und 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen. In der Hauptverhandlung am 24.Mai 1985 (S. 156) beantragte der Verteidiger die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen aus dem Fachgebiete der Psychiatrie, 'weil auf Grund des psychiatrischen Sachverständigengutachten Dris. C feststeht, daß dieser als behandelnder Arzt nicht objektiv über den Gesundheitszustand des Angeklagten aussagen kann. Zu dem kommt, daß der Angeklagte stets die Objektivität des heute vernommenen Sachverständigen bezweifelt'. Mit dem in der Hauptverhandlung verkündeten Zwischenerkenntnis hat das Schöffengericht diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, 'da auf Grund der Rechts- und Sachlage die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen nicht erforderlich erscheint und keine Umstände gegeben sind, welche eine Kompetenzüberschreitung des Sachverständigen ergeben könnten'.
In der Ablehnung dieses Beweisantrages wird eine Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z. 3 und 4 des § 281 Abs 1 StPO.
erblickt, da Prim. Dr. Otto C den Beschwerdeführer schon in mehreren Verfahren untersucht und begutachtet, sowie ihn auch im Zuge seiner Anhaltung in der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt behandelt habe; darüber hinaus habe Hubert A wiederholt gegenüber dem Sachverständigen geäußert, dieser sei nicht objektiv, er arbeite mit dem Gericht zusammen und habe dazu beigetragen, daß er um sein Erbe gebracht worden sei.
Gemäß § 120 StPO. hätte der Genannte nicht als Sachverständiger beigezogen werden dürfen.
Urteilsnichtigkeit i.S. der Z. 3 des § 281 Abs 1 StPO. in bezug auf § 120 StPO. liegt nur dann vor, wenn in einem Strafverfahren eine Person als Sachverständiger beigezogen wurde, die als Zeuge nicht vernommen oder beeidet werden darf oder zum Beschuldigten oder Verletzten in einem der im § 152 Abs 1 Z. 1 StPO. bezeichneten Verhältnisse steht. Keiner dieser Fälle liegt der Aktenlage nach vor; auch die Beschwerde behauptet nicht das Vorliegen eines solchen Umstandes. Ein Verfahrensmangel i.S. der Z. 3 des § 281 Abs 1 StPO. ist daher nicht gegeben. In der Tatsache, daß ein Sachverständiger schon in einem oder mehreren Verfahren über die zu untersuchende (oder untersuchte) Person ein Gutachten abgegeben hat, ist ein erheblicher Einwendungsgrund i.S. des § 120 StPO. nicht zu erblicken. Es ist nämlich dem Gericht nicht verboten, den behandelnden Arzt als Sachverständigen zu hören. Weder aus § 128 Abs 2, noch aus § 120 StPO. kann ein solches Verbot abgeleitet werden (9 Os 136/76). Es kann vielmehr im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit nur dienlich sein, wenn der Sachverständige in mehreren Verfahren Gelegenheit hatte, den Beschwerdeführer zu beobachten und zu begutachten (SSt. 34/79). Da darüber hinaus die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen nur wegen 'Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung' (§ 118 Abs 2 StPO.) oder dann geboten ist, wenn sich die im § 125 StPO. (hinsichtlich des Befundes) angeführten Widersprüche oder Mängel in bezug auf das Gutachten ergeben oder wenn sich zeigt, daß es Schlüsse enthält, die aus den gegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind und wenn sich diese Bedenken durch nochmalige Vernehmung des Sachverständigen nicht beseitigen lassen, solche Umstände aber von der Beschwerde gleichfalls nicht ins Treffen geführt werden (und der Aktenlage nach auch nicht zu erkennen sind), verfiel der Antrag zu Recht der Ablehnung, ohne daß dadurch Verteidigungsrechte beeinträchtigt worden wären.
Unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z. '9' und 10 behauptet der Betroffene, die ihm im Einweisungserkenntnis angelasteten Straftaten stellten keine Anlaßtaten i.S. des § 21 Abs 1 StGB. dar, da ihm im Faktum I lediglich das Vergehen nach § 83 Abs 1 StGB. angelastet werden könne, im Faktum II jedoch eine straflose, milieubedingte Unmutsäußerung vorliege. Damit bringt der Beschwerdeführer die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe allerdings nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Das Verbrechen nach § 87 Abs 1 SiGB. (als mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bedrohte strafbare Handlung) ist eine Straftat, die Anlaß für die Anordnung des genannten Maßnahmenvollzuges darstellen kann. Hiezu hat das Erstgericht festgestellt, daß Hubert A im Rettungswagen plätzlich die rechte Hand, in der er einen 'Taschenfeitel' hielt, erhob und mit diesem in die rechte Halsseite des Manfred B, der auf einer Sitzbank saß, stieß. Beim Einstich in den Hemdkragen BS knickte der 'Taschenfeitel' ein, wodurch sich A eine Schnittwunde an der Handkante zuzog. B erlitt durch den erwähnten Angriff eine 1 cm tiefe und 1 cm lange Schnittwunde im Bereiche des rechten Halses. Die Absicht, schwer zu verletzen, erschloß das Schöffengericht einerseits aus der Begehungsart ('da ein Stich in den Hals mit großer Wahrscheinlichkeit eine schwere Verletzung zur Folge hat'), andererseits aus der Beschaffenheit der Tatwaffe ('ein lebensgefährliches Mittel'). So gesehen beurteilte das Erstgericht die Anlaßtat als Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB.
Die Beschwerde (der Sache nach Z. 11 - siehe LSK. 1980/132) vermeint, diese Tathandlung des Angeklagten sei lediglich als Vergehen nach § 83 Abs 1 StGB. zu beurteilen, da die Tatwaffe - ein leicht einknickbarer Taschenfeitel - nicht geeignet sei, in der Regel eine Lebensgefahr oder schwere Körperverletzung zu verursachen. Damit verläßt aber die Rechtsrüge, deren gesetzmäßige Ausführung stets ein Festhalten am Urteilsinhalt erfordert, den Boden der tatrichterlichen Sachverhaltskonstatierungen. Das Schöffengericht hat nämlich in keiner Weise festgestellt, daß es sich bei der Tatwaffe um einen leicht einknickbaren Taschenfeitel handelte, der nicht geeignet wäre, in der Regel eine Lebensgefahr oder schwere Körperverletzung zu verursachen; das Einknicken sei vielmehr erst durch das Einstechen in den Hemdkragen BS erfolgt. So gesehen erweist sich diese Rechtsrüge als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.
Zum Faktum II bestreitet der Betroffene (der Sache nach Z. 9 lit a) die Eignung der Äußerung 'ich spritze euch Blausäure ins Gesicht', die beiden Rettungsfahrer (richtig: den Zeugen Manfred B) in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Zwar stellt das Vergehen nach § 107 Abs 1 StPO. keine die Einweisung tragfähige Tat dar, doch ist diese, soferne sie im Urteilstenor aufgenommen wurde, in sonstiger sinngemäßer Anwendung der im § 281 StPO. angeführten Nichtigkeitsgründe anfechtbar (vgl. 10 Os 162/79, 9 Os 97/77).
Auch hier erweist sich aber die Beschwerde als prozeßordnungswidrig ausgeführt, negiert sie doch im Ergebnis die Urteilsfeststellung, daß der Betroffene im Zuge des inkriminierten Ausspruches mit einer Spraydose vor dem Gesicht des Zeugen B herumfuchtelte (S. 164), nach dem Urteilsspruch den Inhalt der Dose B sogar ins Gesicht sprühte (S. 159). Solcherart läßt die vom A Beschwerdeführer getätigte Äußerung in Verbindung mit seinem eben erwähnten Verhalten keine Zweifel an der objektiven Eignung zu, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzufläßen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in einer nichtöffentlichen Beratung, teils gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO., teils gemäß § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO. i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO. zurückzuweisen.
Sofern schließlich die Nichtigkeitsbeschwerde die dem Beschwerdeführer erstellte ungünstige Prognose als unrichtig anficht, weil es sich bei ihm nicht um einen potentiell gefährlichen Täter im Sinne des § 21 Abs 1 StGB. handle, bringt sie damit keinen Nichtigkeitsgrund zur Darstellung, sondern stellt die nur mit Berufung bekämpfbare Gefährlichkeitsprognose (als Ermessensentscheidung des Gerichtes) in Frage (EvBl 1976/90, LSK. 1977/305). Ein derartiges Rechtsmittel hat der Betroffene aber nicht angemeldet, sodaß er zur schriftlichen Ausführung einer Berufung nicht legitimiert ist; sein diesbezügliches Vorbringen war daher gleichfalls zurückzuweisen (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
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