OGH 3Ob96/85

OGH3Ob96/8513.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Zehetner und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A B C D E F AG, 1030 Wien, Beatrixgasse 27, vertreten durch Dr. Klaus Galle, Rechtsanwalt in Wien, und andere beigetretene betreibende Gläubiger, wider die verpflichteten Parteien 1) Herbert G, Lehrer, und 2) Vera G, Angestellte, beide wohnhaft in 2630 Ternitz, Pottschacherstraße 59, wegen 251.529,18 S s.A. und anderer betriebener Forderungen infolge Revisionsrekurses der Stadtgemeinde Ternitz, vertreten durch Dr. Ernst Fasan, Dr. Wolfgang Weinwurm, Dr. Erwin Lorenz, Rechtsanwälte in Neunkirchen, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 18. Februar 1985, GZ R 57/85-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 10. Jänner 1985, GZ E 50/83-39, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerberin hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Stadtgemeinde Ternitz hatte gemäß § 172 Abs 2 EO an rückständigen, von der Liegenschaft zu entrichtenden Steuern, Zuschlägen, Gebühren und sonstigen öffentlichen Abgaben folgende Beträge angemeldet:

1.) Verwaltungsabgaben und Kommissionsgebühren 937,-- S

2.) Aufschließungsbeitrag 59.994,-- S

3.) Grundsteuer für 1.1.1983

bis 30.9.1983 224,70 S

4.) Grundsteuer für die Zeit vom

1.10.1983 bis 31.12.1983 197,30 S

5.) Grundsteuer für die Zeit vom

1.1.1984 bis 30.6.1984 348,60 S

6.) Kosten

a) aus E 4684/83 (Fahrnisexekution 1.364,24 S

b) aus Exekution E 183/84

(zwangsweise Pfandrechtsbegründung) 1.163,56 S

c) aus Exekution E 3543/83

(Fahrnisexekution) 361,12 S

d) Kosten des Beitrittes zur

Zwangsversteigerung (wegen der Beträge

wie 1, 2, 3 und 4 sowie der Kosten wie

oben 6 a und 6 c) 1.203,59 S

e) Kosten der Exekution E 183/84

(Lohnpfändung) 1.312,09 S

zusammen 67.106,20 S

Zur Verteilungstagsatzung erschien niemand.

Das Erstgericht wies der Stadtgemeinde als Vorzugspost alle angemeldeten Beträge zu.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß nur die zu 3, 4 und 5 angemeldeten Grundsteuerbeträge und von den zu 6 d angemeldeten Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens anteilige 0,66 %, nämlich ein Teilbetrag von 7,94 S, das sind zusammen 778,54 S, zugewiesen wurden, während es den Antrag auf Zuweisung weiterer Beträge von zusammen 66.327,66 S wegen Erschöpfung des Meistbotes abwies. Es war der Auffassung, daß die zu 1. angemeldeten Verwaltungsabgaben und Kommissionsgebühren keine Vorzugspost darstellten, weil es sich nicht um Abgaben und Gebühren handle, die von der Liegenschaft zu entrichten seien. Aber auch den an sich von der Liegenschaft zu entrichtenden Aufschließungsbeträge gemäß § 14

der N§. Bauordnung komme kein Vorzugsrecht zu. Denn die im § 119 N§. Bauordnung normierte dingliche Wirkung enthalte nicht auch die Statuierung eines Vorzugsrechtes. Den Kosten, welche zur Hereinbringung von Vorzugsposten in anderen Exekutionsverfahren aufgelaufen seien, komme gleichfalls nicht der Rang des § 216 Abs 1 Z 2 EO zu. Dies treffe nur auf die Kosten des Versteigerungsverfahrens, aber nur hinsichtlich anteiliger 778,54 S oder 0,66 % zu. Über Auftrag des Obersten Gerichtshofes sprach das Gericht zweiter Instanz aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, weil es zum Charakter der Aufschließungsbeiträge keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gebe.

Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs der Stadtgemeinde Ternitz als führender betreibender Partei und Hypothekargläubigerin mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes abzuändern. Die Revisionsrekurswerberin führt in ihrem Rechtsmittel aus, daß den Aufschließungsbeiträgen sehr wohl der Vorzugscharakter nach § 216 Abs 1 Z 2 EO zukomme, was sich vor allem aus dem Zusammenhalt der Bestimmung des § 119 der N§. Bauordnung und des § 173 der N§. Abgabenordnung ergebe, aus welchem Grunde auch die Zuweisung der Kosten durch das Gericht zweiter Instanz unrichtig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es im Sinne der zutreffenden Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz zur Rechtsnatur der Aufschließungsbeiträge nach § 14 N§. Bauordnung 1976 keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gibt. Dem Revisionsrekurs kommt aber keine Berechtigung zu. Gemäß § 14 der N§. Bauordnung 1976 hat die Gemeinde als einmalige Anliegerleistung entweder anläßlich der Bewilligung einer Grundabteilung (laut Schätzungsgutachten S 25 des Aktes im vorliegenden Fall) oder anläßlich der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes einen bestimmten Aufschließungsbeitrag als ausschließliche Gemeindeabgabe festzusetzen.

Aus der Bestimmung des § 14 Abs 8 N§. Bauordnung 1976, wonach die Höhe des Aufschließungsbeitrages dem Grundbuchsgericht bekanntzugeben ist, welches diese Beiträge ersichtlich zu machen hat, sowie der Bestimmung des § 119 N§. Bauordnung 1976, wonach der Verpflichtung gemäß § 14 dingliche Wirkung zukommt und diese auch vom Rechtsnachfolger im Grundeigentum zu erfüllen ist, ergibt sich, daß es sich bei dieser Abgabe um eine 'von der Liegenschaft' zu entrichtende Abgabe im Sinne der §§ 172 Abs 1 Z 1, 216 Abs 1 Z 2 EO handelt.

Ob diese Abgaben nach den bestehenden Vorschriften ein gesetzliches Pfand- und Vorzugsrecht genießen, ist hingegen der N§. Bauordnung 1976 nicht zwingend zu entnehmen. Allerdings sagt § 173 Abs 2 der N§. Abgabenordnung 1977, daß die in Abgabenvorschriften vorgesehenen sachlichen Haftungen unbeweglicher Sachen nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung geltend zu machen seien, woraus der Schluß gezogen werden könnte, damit sei eine Geltendmachung im Rahmen der Bestimmungen der §§ 172 Abs 1 Z 1, 216 Abs 1 Z 2 EO gemeint (wie dies in den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1979, Sammlung 8.566 und des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1980, NZ 1981, 91, irgendwie anklingt). Die Frage, ob aus § 119 N§. Bauordnung 1976 in Verbindung mit § 173 H 1977 abzuleiten ist, daß solchen Aufschließungsbeiträgen bei der Meistbotsverteilung ein Vorzugsrecht zukommt, kann aber auf sich beruhen, weil im vorliegenden Fall nicht feststeht, für welchen Zeitraum die angemeldete Abgabe geschuldet wird bzw. seit wann dieser Aufschließungsbeitrag rückständig ist.

Weder dem vorgelegten Rückstandsausweis noch dem Beitrittsakt kann hier etwas entnommen werden. Aus dem Schätzungsgutachten ergibt sich nur, daß der Aufschließungsbeitrag anläßlich der Grundabteilung vorgeschrieben wurde, nicht aber, wann diese stattgefunden hat, so daß auch nicht etwa nach den Regeln des § 14 N§ Bauordnung 1977 auf die Fälligkeit geschlossen werden kann. Und im Grundbuchsauszug ist nicht angeführt, wann die Grundparzelle 627/27 durch Abteilung entstanden ist. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob der strittige Aufschließungsbeitrag im Sinne des § 216 Abs 1 Z 2 EO 'aus den letzten drei Jahren vor dem Tag der Erteilung des Zuschlages' rückständig ist. Nur bei Zutreffen (auch) dieser zeitlichen Voraussetzung kommt aber eine Zuweisung als Vorzugspost in Betracht.

Gemäß § 210 EO sind bei einer Forderung, für die ein Vorrecht gemäß § 216 Abs 1 Z 2 EO in Anspruch genommen wird, aber alle zum Nachweis des Vorzugsrechtes dienenden und erforderlichen Urkunden spätestens bei der Meistbotsverteilungstagsatzung vorzulegen, widrigens eine Zuweisung im Vorzugsrang nur in Betracht kommt, wenn sich die nötigen Tatsachen aus dem öffentlichen Buch oder den Exekutionsakten ergeben. In diesem Sinn ist daher insbesondere der Zeitraum nachzuweisen, auf welchen sich die angemeldete öffentliche Abgabe bezieht bzw. seit welchem Zeitpunkt sie rückständig ist (ZBl. 1929/51, ZBl. 1929/350, RechtspflegerEx 1982/150, Heller-Berger-Stix 1440). Dies hat die Stadtgemeinde Ternitz im vorliegenden Fall versäumt, so daß schon aus diesem Grunde eine Zuweisung der strittigen Beträge im begehrten Vorzugsrange nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78 EO, 50, 40 ZPO.

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