OGH 1Ob669/85 (1Ob670/85)

OGH1Ob669/85 (1Ob670/85)13.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Angela A, Hausfrau, Quab 179, 2761 Miesenbach, vertreten durch Dr. Peter Hajek, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wider die beklagte und widerklagende Partei August A, Hilfsarbeiter, Waaggasse 36, 7203 Wiesen, vertreten durch Dr. Norbert Kosch, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25.Juni 1985, GZ 11 R 24/85-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 17. Oktober 1984, GZ 2 b Cg 142/84-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.877,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 308,85 Umsatzsteuer und S 480 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hob im ersten Rechtsgang das - im Ausspruch über die Scheidung der Ehe nicht mehr bekämpfte - Ersturteil im Verschuldensausspruch auf, weil der Beklagte als damals noch zulässige Neuerung (Art.X Z 4 BGBl.1983/566) vorgebracht hatte, die Klägerin habe mit einem gewissen Wolfgang B Ehebruch begangen. Nach Vernehmung dieses Zeugen im zweiten Rechtsgang in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vor dem Erstgericht am 3.10.1984 brachte der Beklagte vor, die Klägerin habe mit Willibald C Ehebruch begangen, und beantragte dessen Vernehmung als Zeugen. Das Erstgericht wies diesen Antrag mit gesondertem Beschluß als verspätet zurück und erkannte mit Urteil, daß das Alleinverschulden an der Scheidung den Beklagten treffe.

Der Beklagte focht das Ersturteil ausschließlich wegen Zurückweisung seines Beweisantrages durch das Erstgericht (und die dadurch bewirkte Mangelhaftigkeit des Verfahrens) mit Berufung an, der die zweite Instanz nicht Folge gab. Das Berufungsgericht war der Ansicht,daß der Erstrichter den weiteren Beweisantrag des Klägers zu Recht wegen offenbarer Verschleppungsabsicht zurückgewiesen habe; der Beklagte hätte das neue Vorbringen, von dem er schon vor der mündlichen Berufungsverhandlung im ersten Rechtsgang erfahren hatte, in dieser Berufungsverhandlung oder wenigstens mit vorbereitendem Schriftsatz erstatten können. Das Erstgericht habe mit der Zurückweisung dieses Beweisantrages wegen Verspätung eine solche wegen offenbarer Verschleppungsabsicht gemeint.

Die auschließlich wegen Zurückweisung dieses Beweisantrages durch die Vorinstanzen (und den dadurch verursachten Verfahrensmangel) erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt. Gemäß § 179 Abs.1 ZPO kann neues Vorbringen (neue auf den Gegenstand der Verhandlung bezügliche tatsächliche Behauptungen und Beweismittel) vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen als unstatthaft erklärt werden, wenn die neuen Angaben und Beweise offenbar in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, nicht früher vorgebracht wurden und deren Zulassung die Erledigung des Prozesses erheblich verzögern würde. Weitere Sonderfälle des § 179 Abs.1 ZPO sind in den §§ 181 Abs.2 und 278 Abs.2 ZPO geregelt (Fasching II 852). In bezug auf die Beweisaufnahme (Fasching aaO 853) bestimmt ferner § 275 Abs.2 ZPO, daß die Aufnahme angebotener Beweise vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen verweigert werden kann, wenn es die Überzeugung gewinnt, daß die Beweise nur in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, angeboten werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung derartiger Vorbringen (die Verweigerung der Aufnahme solcher Beweise) hat durch Beschluß zu erfolgen. Gegen eine Entscheidung des Gerichtes nach §§ 179 Abs.1, 181 Abs.2 ZPO ist gemäß § 186 Abs.2 ZPO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig (SZ 55/37). Gegen Beschlüsse, durch welche angebotene Beweise oder gemäß § 278 Abs.2 ZPO neue tatsächliche Anführungen und Beweisanbietungen zurückgewiesen werden, ist gemäß § 291 Abs.2 ZPO ebenfalls ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Daraus folgt, daß die betroffene Partei die Beschwerde gegen solche Zurückweisungsbeschlüsse erst mit dem gegen die nächstfolgende Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen kann (§ 515 ZPO). Gemäß § 417 Abs.3 ZPO ist das auf Grund der §§ 179, 181 Abs.2, 275 Abs.2 und 278 Abs.2 ZPO vom Gericht für unstatthaft erklärte Vorbringen im Urteil anzuführen, was dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung der Präklusionsanordnung und ihrer Wirkungen auf das Urteil erleichtern soll (Fasching, Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch Rz 1485).

In Rechtsprechung und Lehre wurde wegen der Regelung der §§ 186 Abs.2, 291 Abs.1 ZPO die Ansicht vertreten, daß ein Zurückweisungsbeschluß nur bis und spätestens gleichzeitig mit der Berufung (bei Zurückweisungsbeschlüssen des Berufungsgerichtes mit der Revision) angefochten werden kann (SZ 55/37; SZ 30/39; Fasching II 854). Das Berufungsgericht fasse daher, wenn es die gegen die Zurückweisung eines Vorbringens wegen offenbarer Verschleppungsabsicht erhobene Beschwerde - wenn auch im Zusammenhang mit der Hauptsache - erledige, in Wahrheit einen rekursgerichtlichen Beschluß (SZ 51/32; RZ 1976/27; SZ 31/61;

Fasching aaO 855; Novak, Zur Tragweite des § 519 ZPO, JBl.1953, 63 Anm.54), dessen Anfechtbarkeit losgeläst von der berufungsgerichtlichen Entscheidung zu beurteilen sei (SZ 51/32;

RZ 1976/27; Novak aaO 63); daraus folge die Unanfechtbarkeit des von der zweiten Instanz (als Rekursgericht) bestätigten erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses aus dem Grunde des § 528 Abs.1 Z 1 ZPO (zu allem 3 Ob 507/85).

In einer Reihe anderer Entscheidungen (EvBl.1959/361; EvBl.1964/165; RZ 1968, 54 uva) wurde aber die in der Berufung erhobene Rüge einer Partei wegen ungerechtfertigter Zurückweisung eines Vorbringens wegen offenbarer Verschleppungsabsicht als eine vom Berufungsgericht bei Behandlung der Hauptsache zu beurteilende Mängelrüge behandelt und ausgesprochen, daß die Zurückweisung eines Vorbringens durch das Erstgericht wegen offenbarer Verschleppungsabsicht in dritter Instanz nicht mehr überprüft werden könne, weil die Wiederholung der Mängelrüge nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unzulässig sei (SZ 27/4 uva). Der Grundsatz, daß eine neuerliche Überprüfung eines Verfahrensmangels erster Instanz im Revisionsverfahren nicht mehr zulässig ist, gilt allerdings in jenen Verfahrensarten, die, wie das frühere Ehescheidungsverfahren, der Offizialmaxime unterliegen, nicht (JBl.1982, 491; SZ 50/80; EvBl.1968/361 uva). Ehe-(Scheidungs-)verfahren, in denen die mündliche Streitverhandlung erster Instanz nach dem 31.12.1983 geschlossen wurde - was hier im zweiten Rechtsgang der Fall war - sind gemäß Art.X Z 4 BGBl.1983/566 nach den neu durch § 460 ZPO teilweise geänderten allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung in der Fassung dieses Bundesgesetzes zu führen. Nach § 460 Z 4 ZPO besteht also nur mehr im Verfahren über die Nichtigkeit oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe Offizialmaxime. Die Frage, ob die Zurückweisung eines Vorbringens wegen offenbarer Verschleppungsabsicht im Regelfall nur mit einem (mit der Berufung verbundenen) Rekurs oder auch als Verfahrensmangel mit Berufung angefochten werden kann, bedarf diesmal keiner Klärung. Da das Erstgericht nicht deutlich die Zurückweisung des ergänzenden Vorbringens wegen offenbarer Verschleppungsabsicht, sondern wegen 'Verspätung' ausgesprochen und das als unstatthaft erklärte Vorbringen im Urteil nicht angeführt hat, obwohl dies § 417 Abs.3 ZPO für das wegen offenbarer Veschleppungsabsicht zurückgewiesene Vorbringen - anders als für Beweisanträge, die gemäß § 275 Abs.1 ZPO zurückgewiesen werden (Fasching III 396) - ausdrücklich vorschreibt, konnte der Beklagte den seiner Ansicht nach vorliegenden Verfahrensmangel auch mit Berufung geltend machen. Da die zweite Instanz den vom Beklagten gerügten Verfahrensmangel behandelt und nicht als gegeben erachtet hat und mit dem Revisionsgrund nach § 503 Abs.1 Z 2 ZPO nur Mängel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden können, ist dem Revisionswerber eine Wiederholung seiner einen Verfahrensmangel erster Instanz betreffenden Mängelrüge verwehrt.

Für den Beklagten wäre nichts gewonnen, wenn die Entscheidung der zweiten Instanz, mit der der erstgerichtliche Zurückweisungsbeschluß bestätigt wurde, als ein in der Berufung enthaltener rekursgerichtlicher Beschluß anzusehen wäre. Dann stünde einer weiteren Anfechtung der Entscheidung § 528 Abs.1 Z 1 ZPO entgegen. Der Erledigung der Revision wäre diesfalls die in Rechtskraft erwachsene Zurückweisung des Vorbringens des Beklagten zugrundezulegen, so daß ein Verfahrensmangel in der Hauptsache nicht vorläge.

Der Revision kann daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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