OGH 3Ob584/85

OGH3Ob584/8513.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Zehetner und Mag.Engelmaier als Richter in der Pflegschaftssache für Sabine A, geboren 2. Dezember 1965, 1180 Wien, Standgasse 33/8, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 23. Mai 1985, GZ.47 R 10/85-94, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 24. Jänner 1985, GZ.3 P 145/75-90, abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters unter Abstandnahme vom bisher gebrauchten Abweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 18.2.1981 wurde der damals noch minderjährigen Sabine A, geboren 2.12.1965, ein Unterhaltsvorschuß von monatlich 1.520,- S für die Zeit vom 1.2.1981 bis 31.1.1984

bewilligt. Mit Beschluß vom 12.5.1982 wurde die Unterhaltsbevorschussung rückwirkend ab 28.2.1982 eingestellt. Dadurch ergab sich ein Überbezug für drei Monate (1.3. bis 31.5.1982) in Höhe von zusammen 4.560,- S.

Der Präsident des zuständigen Oberlandesgerichtes beantragte mit Schreiben vom 9.10.1984, beim Erstgericht eingelangt am 28.11.1984, den Ersatz der zu Unrecht ausgezahlten Vorschüsse vom Kind, vom gesetzlichen Vertreter des Kindes und von der Mutter, hilfsweise auch vom Vater als Unterhaltsschuldner.

Das Erstgericht wies den Antrag mit Beschluß vom 24.1.1985 hinsichtlich des Kindes, des gesetzlichen Vertreters und der Mutter ab, verpflichtete aber den Vater zum Rückersatz.

In seinem abweisenden Umfange erwuchs dieser Beschluß in Rechtskraft.

Infolge eines Rekurses des Vaters änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes in seinem stattgebenden Umfange dahin ab, daß der Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes auch hinsichtlich des Unterhaltsschuldners abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz stützte diese Entscheidung ausschließlich darauf, daß die Dreijahresfrist des § 22 Abs 3 UVG abgelaufen sei. Der Sinn dieser Bestimmung liege darin, den Ersatzpflichtigen nicht zu lange im Ungewissen über seine Ersatzpflicht zu lassen, und schließe jegliche Hemmung oder Unterbrechung aus, zumal es sich nicht um einen privatrechtlichen Anspruch handle. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz seien aber schon drei Jahre seit Auszahlung der Vorschüsse verstrichen gewesen, die Ersatzpflicht sei daher erloschen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes abzuändern. Im Revisionsrekurs wird die Ansicht vertreten, daß es zwar nicht auf das Datum der Antragstellung, wohl aber auf das Datum der Beschlußfassung des Erstgerichtes ankomme, da von diesem Zeitpunkt an für den Ersatzpflichtigen die nötige Klarheit bestehe. Das Gericht zweiter Instanz könne die Entscheidung des Erstgerichtes immer nur auf Grund der im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes gegebenen Sachlage überprüfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Beschränkung des Rechtsmittelzuges nach § 15 Abs 3 UVG nur für Beschlüsse gilt, mit denen über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen entschieden wurde, nicht aber für Beschlüsse, mit denen über eine Ersatzpflicht nach § 22 UVG abgesprochen wird (SZ 52/69).

Dem Revisionsrekurs kommt auch Berechtigung zu.

Das Gericht zweiter Instanz geht zutreffend davon aus, daß die Frist des § 22 Abs 3 UVG keine Verjährungsfrist sondern eine Präklusivfrist ist. Dies ergibt sich nicht nur aus der für Ausschlußfristen typischen Diktion des Gesetzes sondern auch aus dem Zweck der Norm, welche sicherstellen soll, daß der Ersatzpflichtige nicht noch nach Jahren fürchten soll müssen, vom Bund zum Rückersatz von Vorschüssen in Anspruch genommen zu werden (Regierungsvorlage 5 der Beilagen NR 14.GP S 20).

Worin das Wesen einer Präklusivfrist besteht und welche Regeln für Ausschlußfristen vor allem im Unterschied zu Verjährungsfristen gelten, ist seit eh und je strittig (vgl. etwa aus älterer Zeit Grawein, Verjährung und gesetzliche Befristung, und dazu die ausführliche Kritik von Strohal in GrünhutsZ. 9. Band, 1882, S 61 oder in neuerer Zeit Stellungnahmen wie Koziol, ZAS 1976,56, Foglar-Deinhardstein, JBl 1977, 505 ff, Reischauer RdA 1978, 193 f oder Peter Bydlinski, RdA 1984, 244, siehe auch die Ausführungen von Ehrenzweig 2 I/1 301, von Klang in Klang 2 VI 565 ff, Koziol-Welser 7 I 173, Schubert in Rummel RZ 5 zu § 1451 ABGB).

Weitgehende Einigkeit besteht im Schrifttum dahin, daß nicht alle Präklusivfristen gleichmäßig zu behandeln seien (Klang), sondern eine differenzierende Behandlung nötig ist (Koziol) und in jedem Einzelfall festzustellen ist, ob überhaupt und welche Regeln über die Verjährung anzuwenden sind (Foglar-Deinhardstein), wobei vor allem auf den Sinn und Zweck des Gesetzes abzustellen ist (Ehrenzweig).

Wie sich aus der schon vom Gericht zweiter Instanz zutreffend zitierten Begründung der Regierungsvorlage zum UVG ergibt, sollte der Ersatzpflichtige höchstens drei Jahre lang befürchten müssen, vom Bunde zum Zwecke eines Rückersatzes in Anspruch genommen zu werden, dann sollte die Ersatzpflicht erlöschen. Aus diesem Sinn und Zweck des Gesetzes ist zu schließen, daß innerhalb der Dreijahresfrist des § 22 Abs 3 UVG der Antrag auf Verpflichtung zum Rückersatz dem Ersatzpflichtigen zugekommen sein muß; denn dadurch und in diesem Zeitpunkt wird die zuvor bestehende Unsicherheit beseitigt und der eventuell Ersatzpflichtige weiß jetzt, daß er mit einer Ersatzpflicht in einer ganz bestimmten Höhe rechnen muß. Hier auf den je nach Verfahrensablauf unsicheren Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (was wäre etwa bei einer Aufhebung einer noch 'rechtzeitig' innerhalb der Dreijahresfrist ergangenen Entscheidung, die dann aufgehoben wird, weil das Verfahren ergänzungsbedürftig ist ?) oder gar erst auf den Zeitpunkt der Entscheidung zweiter oder dritter Instanz abzustellen, erscheint demgemäß nicht sachgerecht. Mit demselben Recht könnte man dann auch noch im Exekutionsverfahren den Standpunkt vertreten, sobald die Dreijahresfrist des § 22 Abs 3 UVG verstrichen sei, sei der Anspruch erloschen und daher ein Tatbestand nach § 35 Abs 1 EO verwirkli ht, was zu unhaltbaren Konsequenzen führen würde. Es kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, daß ein in besonders hartnäckiger Weise sich wehrender oder säumiger Ersatzpflichtiger besser behandelt werden muß, als ein Ersatzpflichtiger, der hier nicht so intensiven Widerstand leistet und dem etwa eine Verfahrensverzögerung nicht in gleicher Weise gelingt (wobei im vorliegenden Fall die Säumnis freilich nicht beim Ersatzpflichtigen liegt!).

Der erkennende Senat vermag daher der Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz (wie diese auch schon in den veröffentlichten Entscheidungen EFSlg 39027 und 43922 vertreten wurde) nicht beizutreten.

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz war daher aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters unter Abstandnahme vom bisher gebrauchten Abweisungsgrund aufzutragen.

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