Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Untergerichte werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrt die Zahlung eines Betrages von
S 349.610,68 sA zur ungeteilten Hand mit der Begründung, die beklagten Parteien hätten die Haftung als Bürge und Zahler für einen am 2.6.1980 von der klagenden Partei an die
F - Heurigenbetriebsgesellschaft mbH (im folgenden kurz: Heurigenbetriebsgesellschaft) in der Höhe von S 300.000,-- eingeräumten Kredit übernommen. Da die Heurigenbetriebsgesellschaft den Kredit nicht abgedeckt habe, seien die Beklagten aus dem Bürgschaftsvertrag verpflichtet, den Kreditbetrag von S 300.000,-- sowie Zinsen und Kosten in der Höhe von S 49.610,68 an die klagende Partei zu zahlen.
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung. Die Hauptschuldnerin habe sie ersucht, die Bürgschaft zu übernehmen, um die in Wien 13., Altgasse 16 gelegenen (Heurigen)Lokalitäten zu erwerben. Die Heurigenbetriebsgesellschaft habe sich dafür verpflichtet, von den beklagten Parteien Wein zu beziehen. Dr. Rainer G, der Leiter der Filiale Hietzing der klagenden Partei, habe den beklagten Parteien gegenüber erklärt, die Bürgschaft müsse nur aus formellen Gründen erfolgen, eine Haftung komme praktisch ohnehin nicht in Frage; er kenne die Hauptschuldnerin, deren Geschäftsführer und deren Gesellschafter als solide und potente Kaufleute und könne auch deren Geschäft und Betrieb als sehr gut beurteilen. Der klagenden Partei sei bekannt gewesen, daß der Barkredit nur zum Zwecke des Ankaufes der genannten Betriebsliegenschaft hätte dienen sollen. Sie habe auch die Verpflichtung übernommen, die Verwendung des Kredits zum Ankauf der Liegenschaft zu überwachen. Die beklagten Parteien hätten sich nur auf Grund dieser Zusicherungen zur Bürgschaftsübernahme bereit gefunden. Später habe sich herausgestellt, daß die Hauptschuldnerin nicht in der Lage gewesen sei, die Liegenschaft zu erwerben, daß deren Gesellschafter betrügerische Handlungen vorgenommen und daß sie schon im Mai 1980 hohe Schulden gehabt hätten. Die klagende Partei sei schadenersatzpflichtig, weil sie den Kreditbetrag nicht zur Abdeckung des Kaufpreises ausgezahlt habe. Sie habe überdies die beklagten Parteien durch die unrichtigen Mitteilungen über die Verhältnisse der Hauptschuldnerin in Irrtum geführt. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.8.1982 brachten die beklagten Parteien ergänzend vor, daß die Heurigenbetriebsgesellschaft im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bereits zahlungsunfähig und dies der klagenden Partei auch bekannt gewesen sei; der Kredit sei zur Abdeckung eines anderen schon fälligen Kredits verwendet worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es traf folgende für das Revisionsverfahren wesentliche Feststellungen:
Der Gesellschafter der Heurigenbetriebsgesellschaft, Leo H, teilte dem Angestellten der zweitbeklagten Partei, Johann I, im Jahr 1980 mit, die Heurigenbetriebsgesellschaft beabsichtige, die Liegenschaften Altgasse 16, auf welchen sich das von ihr betriebene Heurigenlokal befand, zu erwerben. Hiefür müsse ein Kredit von ca. S 360.000,-- aufgenommen werden. Leo H schlug vor, der Erstbeklagte solle für diesen Kredit die Bürgschaft übernehmen; die Heurigenbetriebsgesellschaft sei bereit, dafür ihren gesamten Weinbedarf bis zum Jahr 1985 bei ihm zu decken. Nach einem vom Erstgericht näher festgestellten Briefwechsel und einem weiteren Gespräch begaben sich der Erstbeklagte, ferner Johann I und Hannes F, der Ehegatte einer Gesellschafterin der Heurigenbetriebsgesellschaft, zur Filiale Hietzing der klagenden Partei, deren Leiter Dr. Rainer G war. Diese Filiale hatte die Funktion einer 'Hausbank' der Heurigenbetriebsgesellschaft, über welche diese ihre Bankangelegenheiten abwickelte und die ihr auch einen Kredit eingeräumt hatte. Die wirtschaftliche Situation der Heurigenbetriebsgesellschaft war damals derart, daß Dr. Rainer G zu der Auffassung gelangt war, es bestehe keine Möglichkeit mehr, auch nur die ausgenutzten Kredite wieder in Ordnung zu bringen. Er hatte daher schon vor diesem Gespräch die Heurigenbetriebsgesellschaft aufgefordert, für die aushaftenden Kredite ausreichende Sicherheiten beizubringen, widrigenfalls die Kredite fällig gestellt werden müßten. Eine Bürgschaft oder Wechsel der Gesellschafter wären der klagenden Partei mangels Bonität nicht mehr ausreichend gewesen. Dem Filialleiter Dr. G war auch klar, daß der Kreditbetrag von S 300.000,--, für den der Erstbeklagte und später auch die zweitbeklagte Partei die Bürgschaft übernahmen, gar nicht an die Hauptschuldnerin ausgezahlt, sondern zur Abdeckung einer ungeregelten Kontoüberziehung in der Höhe etwa der Kreditsumme umgebucht werden solle. Dies ist in der Folge auch geschehen.
In der Filiale Hietzing war es zwischen den drei oben genannten Personen und dem Filialleiter Dr. G zu einem kurzen Gespräch gekommen, in dessen Verlauf dieser erklärte, er kenne Herrn F schon seit Jahren; dieser sei ein guter Kaufmann, und der Heurigenbetrieb in der Altgasse habe eine gute Lage. Ob F finanziell potent oder schwach sei, wurde nicht
besprochen. Ebensowenig wurde über die Heurigenbetriebsgesellschaft gesprochen. Die klagende Partei hat weder über diese noch über F eine schriftliche Auskunft erteilt. Bei dem Gespräch war davon die Rede, daß F und Leo H 'Lokalitäten'
erwerben sollten. Eine Vereinbarung darüber, daß die klagende Partei die Darlehenssumme direkt an die Liegenschaftsverkäufer auszahlen oder die Verwendung des Kredites überwachen sollte, wurde nicht getroffen. Schließlich unterfertigte der Erstbeklagte die Bürgschaftsurkunde; in der Folge gab auch die zweitbeklagte Partei eine schriftliche Bürgschaftserklärung ab.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die klagende Partei hafte nicht für eine unrichtige Bonitätsauskunft, weil sie weder mündlich noch schriftlich - letzteres wäre nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen notwendig gewesen - eine derartige Auskunft erteilt habe. Die Widmung des Kredites sei nicht Gegenstand einer zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung gewesen. Allfällige Beweggründe der beklagten Parteien für die Bürgschaftsübernahme reichten mangels Vorliegens einer darüber getroffenen Vereinbarung für eine Vertragsanfechtung oder für Schadenersatzansprüche nicht aus.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen Rechtsauffassungen. Die beklagten Parteien hätten sich vor dem Erstgericht auf eine Irreführung der beklagten Partei durch Dr. G über die in Wahrheit beabsichtigte Verwendung des Kredites zur Abdeckung eines bestehenden Kredites nicht berufen. Dr. G sei nicht verpflichtet gewesen, die beklagten Parteien über die Bonität der Hauptschuldnerin sowie darüber zu unterrichten, daß der Kredit zur Abdeckung einer ungeregelten Kontoüberziehung verwendet werde. Eine Warnpflicht der Bank bestehe nur dann, wenn ihr die Zahlungsunfähigkeit oder der unmittelbar bevorstehende wirtschaftliche Zusammenbruch des Kreditnehmers bekannt sei und sie trotzdem wegen der von einem Dritten geleisteten Sicherheit einen Kredit gewährte. Das Vorliegen solcher Umstände hätten aber die beklagten Parteien in erster Instanz nicht behauptet. Die 'überschießende' Feststellung des Erstrichters, Dr. G sei zur Ansicht gelangt gewesen, es bestünde für die Heurigenbetriebsgesellschaft keine Möglichkeit mehr, auch nur die ausgenützten Kredite wieder in Ordnung zu bringen, reiche für die Bejahung der Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank nicht aus. Dr. G habe danach zwar nicht erwartet, daß die Kredite in den vereinbarten Raten zurückerstattet würden. Daß aber die Hauptschuldnerin überhaupt nicht in der Lage wäre, den Kredit ('auch nach Fälligstellung sowie allfälligen Klags-' und Exekutionsführung) zurückzuzahlen, sei nicht als erwiesen angenommen worden. Eine solche Annahme stünde auch zu den Angaben des Zeugen Dr. G in Widerspruch, wonach eine langsame Rückführung des Kredites der Hauptschuldnerin nach ihren finanziellen Möglichkeiten geplant gewesen sei. List sei in erster Instanz nicht eingewendet worden. Mangels Bestehens einer Aufklärungspflicht könne das Schweigen Dr. G'S auch nicht als Veranlassung eines Irrtums gewertet werden. Das gleiche würde für den Einwand der List gelten. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die klagende Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Vorauszuschicken ist, daß entgegen der Meinung der beklagten Parteien die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO für eine Vollrevision nicht vorliegen, weil die in der Klage gemeinsam mit der Kapitalforderung von S 300.000,-- geltend gemachten Zinsen und Kosten von S 49.610,68 gemäß dem § 54 Abs 2 JN bei der Berechnung des Streitwertes nicht zu berücksichtigen sind (Arb 8629; JBl 1978, 546; JBl 1985, 242 ua). In der von der klagenden Partei behaupteten zwischenzeitigen Zahlung der Prozeßkosten und eines Stundungsansuchens der beklagten Parteien kann andererseits ein Verzicht auf die Einbringung der außerordentlichen Revision nicht erblickt werden, weil nicht nur eine Prozeßerklärung gegenüber dem Gericht fehlt (die klagende Partei hat in der Revisionsbeantwortung nur ein Anerkenntnis behauptet, dessen Beachtlichkeit das Neuerungsverbot entgegensteht), sondern überdies bloß 'schlüssige Verzichtshandlungen' unwirksam sind (Fasching, Lehrbuch Rz 1703; SZ 24/29 ua).
Eine die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründende Frage von erheblicher Bedeutung erblicken die beklagten Parteien in der Nichtberücksichtigung der von der Judikatur angenommenen Warnpflicht einer Bank, wenn dieser die Zahlungsunfähigkeit oder der unmittelbar bevorstehende wirtschaftliche Zusammenbruch des Kreditnehmers bekannt sei. Dabei ist ihnen zunächst zuzustimmen, daß sie entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes ein Vorbringen über die Kenntnis der klagenden Partei von der im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bestehenden Zahlungsunfähigkeit der Heurigenbetriebsgesellschaft (zwar nicht in der Klagebeantwortung, wohl aber in der Tagsatzung vom 26.8.1982) erstattet und dafür Beweise angeboten haben. Dazu kommt, daß das Erstgericht über eine Fähigkeit der Heurigenbetriebsgesellschaft, (auch nur) den (neuen) Kredit irgendwie zurückzuzahlen, keinerlei Feststellungen getroffen hat. Die Annahme des Berufungsgerichtes, eine derartige Unfähigkeit sei nicht als erwiesen angenommen worden, gibt der erstgerichtlichen Feststellung, auch schon die ausgenützten Kredite hätten nach Meinung Dr. GS nicht mehr in Ordnung gebracht werden können, demnach einen vom Erstrichter offenbar nicht beabsichtigten weiteren Sinn. Da schließlich das Erstgericht die Aussage des Zeugen Dr. Rainer G, es sei eine langsame Rückführung des Kredites der Hauptschuldnerin nach deren finanziellen Möglichkeiten geplant gewesen, ebenfalls nicht zur Feststellung erhoben hat, kann auch diese Annahme der rechtlichen Beurteilung nicht zugrundegelegt werden. Andererseits wurden solche Erwartungen in den Feststellungen des Erstrichters auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Da ihnen aber rechtliche Bedeutung zukommen könnte, liegt schon insoweit ein erheblicher Feststellungsmangel vor.
Bei der rechtlichen Beurteilung ist das Berufungsgericht wohl zutreffend davon ausgegangen, daß eine Warnpflicht einer kreditgewährenden Bank gegenüber dem Bürgen nur ausnahmsweise und mit entsprechenden Vorbehalten anzunehmen ist, wenn die Bank schon Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder einem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Kreditnehmer hat und diesem gerade wegen der von Dritten geleisteten Sicherheit trotzdem noch einen Kredit gewährt (SZ 56/81 = EvBl 1983/128, EvBl 1984/160; vgl. auch SZ 53/13). Eine derart weitreichende positive Kenntnis der klagenden Partei haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Aber das Fehlen eines solchen besonderen Wissens auf seiten der Bank wird im vorliegenden Fall durch den Umstand aufgewogen, daß der Kredit, zu dessen Sicherstellung die beklagten Parteien die Bürgschaft übernahmen, gar nicht zur wirtschaftlichen Verfügung des Kreditnehmers bestimmt war, sondern für die Abdeckung eines bei der klagenden Partei selbst notleidend gewordenen Kredites verwendet werden sollte und auch verwendet wurde. Durch die Verschweigung dieses Umstandes hat die klagende Partei gegenüber den beklagten Parteien zumindest den falschen Schein erweckt, daß die Bürgschaft einen Einsatz der Kreditmittel durch den Kreditnehmer zur Stärkung seiner wirtschaftlichen Position ermöglichen werde. Es mußte der klagenden Partei in dieser Situation klar sein, daß ein Dritter, der für einen echten Kommerzkredit zu bürgen bereit war, keineswegs in gleicher Weise daran interessiert sein konnte, einen bei derselben Bank bestehenden Kredit, der 'nicht mehr in Ordnung gebracht werden konnte', zu besichern. Wenn die klagende Partei bei dieser Sachlage nicht klarstellte, daß die Bürgschaft in Wahrheit als Sicherheit für eine bloße Umschreibung des alten Kredites und damit wirtschaftlich gesehen für dessen Aufrechterhaltung bestimmt war, dann mußte sie im Sinne der angeführten grundsätzlichen Entscheidungen den Bürgen in der für diesen erkennbar besonders gefährlichen Situation ebenso warnen, wie wenn sie bei der Verbürgung für einen neuen Kredit von dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners gewußt hätte. Dieser Verletzung der Warnpflicht käme nur dann keine Bedeutung zu, wenn Dr. G auf Grund einer ihm bekannten wirtschaftlichen Situation der Heurigenbetriebsgesellschaft bei Anlegung objektiver Maßstäbe annehmen durfte, daß aus besonderen Gründen der neue Kredit von der Heurigenbetriebsgesellschaft aller Voraussicht nach zurückgezahlt werden könne. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, welche Unterlagen - besonders die bei der klagenden Partei geführten Konten der Heurigenbetriebsgesellschaft - dem Sachbearbeiter der klagenden Partei zur Verfügung standen und welche konkreten Aussichten für eine den Eintritt des Haftungsfalles für die Bürgen vermeidende Rückzahlung des Kreditbetrages durch die Hauptschuldnerin bestanden, aus welchem Grund also Dr. G allenfalls angenommen hat und annehmen durfte, daß die Heurigenbetriebsgesellschaft trotz der fehlenden Möglichkeit, den alten Kredit 'in Ordnung zu bringen', die über die Rückzahlung des neuen Kredites getroffenen Vereinbarungen werde einhalten können. Im gleichen Sinn wird im fortgesetzten Verfahren auch auf den Einwand einer List der klagenden Partei Bedacht zu nehmen sein, der wieder entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes in der erstinstanzlichen Behauptung einer Irreführung durchaus enthalten war, weil die beiden Begriffe in der Regel gleich verstanden werden (vgl. Koziol-Welser, Grundriß 7 I 124 f und Rummel in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 870). Die Rechtsrüge der beklagten Parteien erweist sich im Hinblick auf die Feststellungsmängel als berechtigt. Die Unterlassung der Vernehmung des Zeugen F begründete hingegen schon
deshalb keinen Verfahrensmangel, weil dieser Zeuge nicht von den beklagten Parteien, sondern von der klagenden Partei geführt worden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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