OGH 7Ob615/85

OGH7Ob615/8512.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Wurz und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Manuela A, geboren am 29. Jänner 1982, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg als Amtsvormund, wider die beklagte Partei Siegfried B, geboren am 25. Feber 1933, Handelsvertreter, 206 Grenville Place, Princes Ave, 2194 Winsor, c/o. Dr. Hardman, South Africa, vertreten durch Dr. Herbert Grass, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 2. Mai 1985, GZ 1 R 135/85-58, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 24. September 1984, GZ 4 C 17/83-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 29.1.1982 von Liane A außer der Ehe geboren. Sie behauptet, der Beklagte habe ihrer Mutter innerhalb des kritischen Empfangszeitraumes vom 2.4.1981 bis 2.8.1981 beigewohnt. Sie begehrt die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten und die Leistung eines monatlichen Unterhaltes von S 1.500,-. Der Beklagte bestreitet, der Mutter der Klägerin innerhalb der Frist des § 163 Abs 1 ABGB beigewohnt zu haben. Der letzte Geschlechtsverkehr mit der Mutter der Klägerin habe Ende Feber, Anfang März 1981 stattgefunden. Seine Vaterschaft sei überdies auf Grund der serologischen Merkmale ausgeschlossen.

Das Erstgericht erkannte auch im zweiten Rechtsgang im Sinne des Klagebegehrens. Nach seinen Feststellungen hatte der Beklagte mit der Mutter der Klägerin in der Zeit vom 2.4.1981 bis 2.8.1981 wiederholt Geschlechtsverkehr. Der Beklagte ist Handelsvertreter und arbeitete in den letzten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, wobei er 'nicht schlecht verdiente'. Im Sommer 1984 ging er in Österreich keiner Beschäftigung nach. Er ist für ein 15 Jahre altes eheliches Kind sorgepflichtig.

Nach Auffassung des Erstgerichtes habe der Beklagte die auf Grund der festgestellten Beiwohnung zutreffende Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs 1 ABGB nicht widerlegen können. Er sei trotz wiederholter Aufforderungen und Fristverlängerung zur Blutabnahme zwecks Erstattung des von ihm beantragten serologischen Gutachtens nicht erschienen. Der Beklagte sei bei Anspannung seiner Arbeitskräfte auch in der Lage, ein Einkommen zu erzielen, das ihm die Leistung des begehrten und den Bedürfnissen der Klägerin entsprechenden Unterhaltes ermögliche. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und verneinte das Vorliegen des vom Beklagten behaupteten Verfahrensmangels der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise stellt der Beklagte den Antrag auf Abänderung des Urteils der zweiten Instanz im Sinne einer Klagsabweisung.

Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Beizupflichten ist dem Revisionswerber lediglich darin, daß nach Art. V Z 4 UeKindG der Dispositionsgrundsatz im Verfahren über die Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind auf die Einleitung des Verfahrens beschränkt wurde, im übrigen jedoch gemäß Art. V Z 5 UeKindG der Untersuchungsgrundsatz gilt, und das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen hat, daß alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände vollständig aufgeklärt werden (Fasching IV 942). In einem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren kann auch ein Verfahrensmangel erster Instanz, dessen Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, im Revisionsverfahren neuerlich geltend gemacht werden (EFSlg. 39.264 f. uva). Es trifft auch zu, daß die Bestimmungen des § 7 der FamRAnglV auf Streitigkeiten über die uneheliche Vaterschaft anzuwenden sind (SZ 43/147 ua; Fasching aaO 943 und III 475). Danach haben sich ua auch die Parteien erbkundlichen Untersuchungen zu unterwerfes und insbesondere die Entnahme von Blutproben zum Zwecke der Blutgruppenuntersuchung zu dulden. Weigert sich eine hiezu verpflichtete Person ohne triftigen Grund, so kann unmittelbarer Zwang angewendet, insbesondere die zwangsweise Vorführung zum Zwecke der Untersuchung angeordnet werden (§ 7 Abs 1 und 2 der FamRAnglV). Zu Unrecht erblickt jedoch der Revisionswerber in der Nichtanordnung seiner zwangsweisen Vorführung zum Zwecke der Blutabnahme einen Verfahrensmangel. Der Oberste Gerichtshof hat die Grenzen der gerichtlichen Erhebungspflicht in einem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren wiederholt betont (EFSlg. 41.692 mwN; vgl. auch EFSlg. 38.342) und ausgesprochen, daß der Untersuchungsgrundsatz dort seine Grenze findet, wo eine weitere Beweisaufnahme nicht möglich ist oder deren Durchführung zu einer nicht absehbaren Prozeßverschleppung führen würde. Vereitelt der Beweisführer durch sein Verhalten die Aufnahme eines von ihm beantragten Beweises, so kann auch in einem Verfahren, für das der Untersuchungsgrundsatz gilt, in dem Unterbleiben der Beweisaufnahme eine Verletzung des pflichtgemäßen Ermessens zur amtswegigen Wahrheitsforschung nicht erblickt werden

(7 Ob 561/80 = EFSlg. 36.780; 2 Ob 514/84). Auch bei der Entscheidung, ob eine Zwangsmaßnahme, insbesondere eine zwangsweise Vorführung nach § 7 der FamRAnglV angewendet werden soll, hat sich das Gericht von seinem pflichtgemäßen Ermessen leiten zu lassen. Die Unterlassung einer solchen Anordnung durch das Erstgericht könnte daher nur dann einen Verfahrensmangel bilden, wenn hiebei die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens verkannt worden wären (vgl. SZ 49/34). Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Der Rechtsmittelwerber geht offensichtlich selbst davon aus, daß sein Verhalten als Weigerung im Sinne des § 7 Abs 2 FamRAnglV aufzufassen ist, für die triftige Gründe nicht vorlagen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zutreffend das Verhalten des Beklagten als Verfahrensverschleppung qualifiziert. Der Beklagte wurde schon im ersten Rechtsgang mehrmals erfolglos zur Blutabnahme vorgeladen. Die Aufhebung des im ersten Rechtsgang gefällten Ersturteils erfolgte, um dem Beklagten neuerlich Gelegenheit zu geben, sich der Blutabnahme zu unterziehen. Der Beklagte hat diese Maßnahme aber selbst vereitelt, indem er eine Frist von rund 2 Monaten verstreichen ließ, ohne daß hiefür ein zureichender Entschuldigungsgrund vorgelegen wäre, um sich dann wieder zur Arbeit ins Ausland zu begeben. Die Anordnung von Zwangsmaßnahmen diente unter diesen Umständen nur einer weiteren, nicht absehbaren und vom Beklagten angestrebten Verfahrensverschleppung, sodaß sie zu Recht unterlassen wurde (vgl. EvBl 1975/219).

Zum Vorwurf, daß das Berufungsgericht die Beweisrüge nicht ausreichend behandelt habe, genügt der Hinweis auf die Ausführungen im Berufungsurteil (AS 173). Auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist nicht einzugehen, weil eine Rechtsrüge in der Berufung nicht erhoben wurde und der Grundsatz, daß die rechtliche Beurteilung dann nicht mehr bekämpft werden kann, wenn der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht ausgeführt wurde, ebenso wie im Scheidungsverfahren und im Abstammungsverfahren auch im Verfahren über die Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind gilt (vgl. EFSlg. 39.278). Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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