OGH 7Ob33/85

OGH7Ob33/8512.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wenzel A, Kaufmann, Jugoslavska 1147, CS-50901 Nova Paka, CSSR, vertreten durch Dr. Hermann Rieger und Dr. Ingo Gutjahr, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B der C

D, Versicherungs-AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Kurt Schneider und Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,594.800 samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. April 1985, GZ 2 R 49/85-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 28. Dezember 1984, GZ 14 Cg 208/82-17, bestätigt wurde, in nichtäffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Eigentümer der Hotelpension 'COTTAGE' in Wien 19., Hasenauerstraße 12. Für dieses Haus hatte er bei der Beklagten eine Betriebsbündelversicherung abgeschlossen, der unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden (E) in der Fassung 1971 und die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) zugrunde lagen. Nach Art. 6 Abs. 2 der E übernimmt der Versicherungsnehmer die Verpflichtung, in nicht benutzten und nicht beaufsichtigten Baulichkeiten die Wasserleitungsanlagen und sonstige wasserführende Anlagen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Das gleiche gilt für vorübergehend außer Betrieb gesetzte Anlagen. Nach Art. 3 Abs. 2 der ABS ist der Versicherer im Falle einer Verletzung gesetzlicher, polizeilicher oder vereinbarter Sicherheitsvorschriften durch den Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadensfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht.

Die Pension des Klägers war seit Ende November 1980 stillgelegt. Bis dahin war sie an einen Herrn F verpachtet. Mitte Jänner 1981 platzten die Heizkärper infolge des damals strengen Frostes an vier Stellen. Es trat Wasser aus und verursachte erheblichen Schaden.

Dem Begehren des Klägers auf Deckung aus der abgeschlossenen Versicherung setzt die Beklagte den Einwand einer Verletzung der umseits genannten Versicherungsbedingungen (Art. 6 Abs. 2 E) mit der Begründung entgegen, das Objekt sei weder benützt noch beaufsichtigt gewesen. Trotzdem seien die wasserführenden Anlagen nicht entleert worden. Im übrigen wurde das auf Zahlung von S 1,594.800 samt Anhang gerichtete Klagebegehren auch der Hähe nach bestritten.

Die Vorinstanzen haben mit Zwischenurteil ausgesprochen, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Hiebei gingen sie von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Nach Beendigung des Pachtverhältnisses F suchte der Kläger einen Käufer für das Objekt und betraute mit der Verkaufsabwicklung den Rechtsanwalt Dr. G sen. Am 22.11.1980 mußte der Kläger Wien verlassen, weil sein Visum ablief und er daher in die CSSR zurückkehren mußte. In einem Gespräch vor seiner Abreise mit Dr. G sen. wurde nach dem Scheitern der bisherigen Verkaufsgespräche die weitere Vorgangsweise erärtert. Der Kläger schlug vor, das Wasser auszulassen und die Heizung abzudrehen. Dr. G sen. wandte ein, ein Nichtheizen sei dem Verkauf nicht färderlich, weshalb Übereinstimmung darüber erzielt wurde, daß die Heizung auf niedriger Stufe, nämlich bei etwa 45 Grad Celsius Wassertemperatur, weiterlaufen solle. Der Kläger regte die Einschaltung einer Wach- und Schließgesellschaft zur Beaufsichtigung des Objektes an, doch gab Dr. G sen. zu bedenken, daß dies hohe Kosten verursachen würde und sein Sohn in der Nähe des Objektes wohne.

Der Kläger übergab Dr. G jun. vor seiner Abreise die Schlüssel für das Objekt. Dieser führte im Dezember 1980 acht mal Kaufinteressenten durch das gesamte Objekt, wobei er feststellte, daß die Heizung in Betrieb war.

Am 24.11. und 15.12.1980 schrieb der Kläger Dr. G sen., wobei er ihn bat, gegebenenfalls Strom und Gas abzudrehen und das Wasser auszulassen. Dr. G sen. antwortete, es sei unzweckmäßig, die Heizung abzudrehen, weil das Haus sonst Schaden nehmen kännte. Eine persänliche Besichtigung war dem Kläger damals nicht mäglich, weil er von seinem Heimatstaat kein Ausreisevisum erhielt. Als Dr. G sen. am 26.1.1981 den Kaufinteressenten H durch die Liegenschaft führte, stellte er den eingetretenen Schaden fest.

Rechtlich vertraten die Vorinstanzen den Standpunkt, von einer fehlenden Benützung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 E känne nur dann die Rede sein, wenn ein Objekt nicht beheizt werde. Infolge der regelmäßigen Beheizung des Hauses des Klägers fehle es daher schon an der behaupteten Obliegenheitsverletzung. Im übrigen treffe den Kläger, selbst wenn man von der Nichtbenützung des Objektes ausgehen sollte, kein grobes Verschulden an der Verletzung der Obliegenheit zum Auslassen des Wassers bzw. mangelnder Beaufsichtigung. Ein allfälliges Verschulden Dris. G sen. habe der Kläger nicht zu vertreten, weil die in der Bundesrepublik Deutschland entwickelte Repräsentantenhaftung in §sterreich nicht anerkannt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Zum Teil unternimmt die Beklagte mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung vorinstanzlicher Feststellungen.

Was die Argumente zu der Frage, ob zwischen dem Kläger und Dr. G sen. ein Beaufsichtigungsvertrag zustandegekommen sei, anlangt, kann auf die folgenden Rechtsausführungen verwiesen werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bezüglich einer Auslegung des Art. 6 Abs. 2 E dahin, daß ein Gebäude solange als benützt anzusehen sei, als es beheizt wird, richtig ist. Immerhin weicht diese Auslegung doch erheblich vom Wortlaut der zitierten Versicherungsbedingungen ab. Der Oberste Gerichtshof hat in jüngster Zeit gegenteilig entschieden (7 Ob 4/84).

Voraussetzung für die behauptete Leistungsfreiheit der Beklagten wäre jedoch nach Art. 3 Abs. 2 ABS eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der in Art. 6 Abs. 2 E festgehaltenen Obliegenheit durch den Kläger. Eine derartige schuldhafte Verletzung der Obliegenheit hat das Berufungsgericht mit Recht verneint. Es kann hier unerärtert bleiben, ob zwischen dem Kläger und Dr. G sen. tatsächlich ein Beaufsichtigungsvertrag zustandegekommen ist. Der Kläger hat Dr. G sen. mehrmals das Auslassen des Wassers aus den Heizkärpern nahegelegt, doch wurde er von diesem immer wieder mit beruhigenden Worten davon abgebracht. Ebenso hat Dr. G sen. auf den Vorschlag des Klägers, eine Wach- und Schließgesellschaft einzuschalten, reagiert. Dies konnte beim Kläger den Eindruck erwecken, Dr. G sen. werde die Überwachung der Liegenschaft in ausreichendem Maße veranlassen. Ob diese Annahme des Klägers einer gewissenhaften und eingehenden Prüfung standgehalten hätte, mag fraglich sein. Die objektive Verletzung der hier in Frage kommenden Obliegenheit führt aber nur bei grober Fahrlässigkeit zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Grobe Fahrlässigkeit ist aber nur dann anzunehmen, wenn eine ungewähnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als mäglich voraussehbar ist (Reischauer in Rummel, Rdz 3 zu § 1324, SZ 51/128, SZ 40/55 u.a.). Bei den gegebenen Umständen kann das Verhalten des Klägers nicht derart qualifiziert werden. Zu berücksichtigen ist schließlich auch die Notlage, in der sich der Kläger durch die Unmäglichkeit seiner Einreise nach §sterreich befunden hat.

Der vorliegende Fall läßt sich nicht mit dem der Entscheidung 7 Ob 4/84 zugrundegelegenen Sachverhalt vergleichen, weil dort die Einschränkung der Leistungsfreiheit des Versicherers auf grob fahrlässige Verletzung der vorgenannten Obliegenheit nicht Gegenstand des Verfahrens war. Vielmehr war dort unbestritten, daß die Obliegenheitsverletzung schlechthin zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen müsse.

Da hier bereits die getroffenen Feststellungen zu einer Verneinung einer groben Fahrlässigkeit des Klägers führen, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, wer bei Fällen wie diesem grundsätzlich für den Grad der Fahrlässigkeit beweispflichtig ist. Für ein Auswahlverschulden des Klägers fehlt es an jeglicher Sachgrundlage. Der Kläger hat sich eines Rechtsanwaltes bedient, bezüglich dessen Verläßlichkeit keine Bedenken rechtfertigende Umstände behauptet worden sind.

Es erhebt sich sohin lediglich die Frage, ob der Kläger ein allfälliges Verschulden Dris. G sen. zu vertreten hat. Dies wäre nur dann der Fall, wenn Dr. G sen. ausschließlich als Vertreter des Klägers zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses dem Versicherer gegenüber bestellt worden wäre (Prälss-Martin, VVG 23, 78, SZ 53/100, VersR 1981, 1166). Hat dagegen Dr. G lediglich auf Grund eines tatsächlichen Vertretungsverhältnisses die Obhut über die versicherte Sache ausgeübt, so ist er nur als Repräsentant des Klägers anzusehen (Prälss-Martin, VVG 23, 79). Ein derartiger Repräsentant ist insbesondere auch der Makler, der ein leerstehendes Haus betreut, im Hinblick auf die Pflicht, die Wasserleitungen abzusperren (Prälss-Martin, VVG 23, 81). Eine Haftung des Versicherungsnehmers für den Repräsentanten hat aber die §sterreichische Rechtsprechung stets unter Hinweis auf das Fehlen einer gesetzlichen Deckung hiefür abgelehnt (SZ 52/92, EvBl. 1978/69 u. a.). Auch die Ausführungen der Revision zeigen nicht auf, inwieweit für eine solche Haftung eine gesetzliche Grundlage besteht, weshalb sie nicht geeignet sind, ein Abgehen von der Judikatur zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO (SZ 23/243).

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