Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Abniri B ist schuldig, er hat am 21.Juni 1984 in Wien versucht, den Polizeibeamten Harald C zu bestimmen, in der von ihm wegen des gesetzwidrigen Offenhaltens des Verkaufslokals an einem gesetzlichen Feiertag (Fronleichnam) zu erstattenden Anzeige, somit in einer öffentlichen Urkunde, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fällt, die Tatsache, daß nicht sein Vater, der Gewerbeinhaber, sondern er im Lokal anwesend war, fälschlich zu beurkunden, wobei er mit dem Vorsatz handelte, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht werde. Er hat hiedurch das Vergehen der versuchten falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach den §§ 15, 311 StGB als Beteiligter nach § 12, zweiter Fall, StGB begangen und wird hiefür nach dem § 311 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 (sechzig) Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 (dreißig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.
Der Tagessatz wird mit 100 (einhundert) Schilling bestimmt. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der im elterlichen Verkaufsgeschäft mitarbeitende israelische Staatsangehörige Abniri B, geboren am 10.November 1965, des Verbrechens des versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt als Beteiligter nach den §§ 15, 12, 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach versuchte er am 21.Juni 1984 in Wien den wegen Offenhaltens des Verkaufsgeschäftes an einem gesetzlichen Feiertag (Fronleichnam) einschreitenden Polizeibeamten Harald C durch Anbieten billiger Einkaufsmöglichkeiten und Hingabe von Geschenken zu bestimmen, nicht auch ihn, sondern nur seinen Vater (Gewerbeinhaber) als im Geschäftslokal anwesend und der Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung verdächtig anzuzeigen, somit einen Beamten zu verleiten, seine Befugnisse, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen, dies mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf Strafverfolgung auf Grund von inhaltlich richtigen Sachverhaltsdarstellungen zu schädigen.
Nach den für diesen Schuldspruch maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen suchte Inspektor Harald C auf Grund einer Anzeige am 21.Juni 1984, dem Fronleichnamstag, das Verkaufsgeschäft der Firma B Ges.m.b.H., das sich mit An- und Verkauf von Waren aller Art beschäftigt und dessen gewerberechtlicher Geschäftsführer Ruben B, der Vater des Angeklagten, ist, auf und traf dort den Angeklagten beim Verkauf an. Der Polizeibeamte eröffnete Abniri B, daß er Anzeige erstatten werde, forderte die Vorlage der Geschäftspapiere, welchem Auftrag der Angeklagte nachkam. Er nannte auch den Namen seines Vaters, verweigerte aber nähere Angaben über seine Person, forderte vielmehr den Beamten auf, in die Anzeige (wahrheitswidrig) zu schreiben, sein Vater sei im Geschäft anwesend gewesen (und habe die beanstandete Verkaufstätigkeit ausgeübt). Er ersuchte, seinen Namen in der Anzeige deshalb nicht zu erwähnen, weil er als Ausländer Schwierigkeiten mit der Fremdenpolizei befürchte. Für dieses (angestrebte) Entgegenkommen bot er dem Beamten an, er könne dafür in Hinkunft in diesem Geschäft zu günstigen Konditionen einkaufen, und versuchte zur Untermauerung dieses Bestrebens, dem Beamten zuerst eine Sonnenbrille und dann eine Uhr zuzustecken. In subjektiver Richtung konstatierte das Gericht die Absicht des Angeklagten, Inspektor Harald C solle eine inhaltlich unrichtige Anzeige erstatten. Sie sollte sich gegen seinen Vater als Gewerbeinhaber richten und fälschlich den Eindruck erwecken, nur diese Person habe eine Verwaltungsübertretung zu verantworten. Er wußte hiebei, daß der Polizeibeamte verpflichtet war, wahrheitsgemäße Sachverhaltsdarstellungen zu geben, widrigenfalls er gegen Dienstpflichten verstoßen würde. Dennoch wollte er ihn zu pflichtwidrigem Handeln verleiten (S 46, 47, 48).
Das Schöffengericht verurteilte abweichend von der auf das Vergehen nach dem § 307 Abs. 1, erster Fall, StGB gerichteten Anklage (ON 3) den Angeklagten wegen des Verbrechens des versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach den §§ 15, 302 Abs. 1 StGB als Anstifter nach dem § 12 StGB, weil es davon ausging, daß es Abniri B darauf ankam, durch die inhaltlich falsche Anzeige den Staat in seinem konkreten Recht, auch ihn (und nicht nur den Gewerbeinhaber) wegen der Verwaltungsübertretung nach § 376 Z 47 GewO in Verbindung mit dem Sonn- und Feiertagsruhegesetz zu verfolgen, zu schädigen.
Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.
Die Mängelrüge (Z 5) bezichtigt das Erstgericht, den Urteilsvorwurf, der Beschwerdeführer habe bewußt und gezielt den Zusammenhang zwischen dem Bestechungsversuch und der gewünschten wahrheitswidrigen Anzeigeerstattung hergestellt, aktenwidrig auf die Aussage des Zeugen C gestützt zu haben, obwohl auch dieser Zeuge im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten (S 38) bestätigt habe, daß zum Zeitpunkt dieser Angebote die Amtshandlung bereits abgeschlossen war.
Rechtliche Beurteilung
Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit hält nicht stand, weil die Beschwerde einen Halbsatz der genannten Zeugenaussage aus dem Zusammenhang löst und damit den Sinn der Aussage vollkommen verfremdet. Dieser Zeuge deponierte nämlich über Befragen durch den Verteidiger, daß ihm der Angeklagte die günstige Kaufgelegenheit und die Beschenkung noch im Geschäft, wohl gegen Ende der Amtshandlung, aber noch vor der Anzeigeerstattung anbot. Zu diesem Zeitpunkt waren die Daten noch nicht aufgenommen. Der Angeklagte habe nicht alles gesagt und wollte, daß in die Anzeige geschrieben werde, daß sein Vater im Geschäft war (S 39). Gerade auf diese Aussage bezogen sich die Tatrichter bei der Begründung, weshalb sie die (nur) in diesem Punkt von der Zeugenaussage abweichende Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig verwarfen (S 48 bis 52). Damit geht aber auch der weitere Beschwerdeeinwand, aus der Aussage ließe sich das Bestreben, eine inhaltlich unrichtige Anzeige zu erwirken, nicht ableiten, ins Leere. Ergibt sich doch bei situationsgerechter Deutung dieses Vorfalles - wie es das Gericht tut - geradezu zwingend, jedenfalls aber ohne Verstoß gegen Denkgesetze die Folgerung, daß es dem Angeklagten darauf ankam, jeden Hinweis auf seine Anwesenheit im Geschäft und seine dortige Tätigkeit zu verhindern, weil er fürchtete, mit der Fremdenpolizei Schwierigkeiten zu bekommen (S 51, 53). Wenn der Beschwerdeführer den auch vom Polizeibeamten so empfundenen Sinn seiner Äußerungen und Taten nunmehr anders (für ihn günstiger) gedeutet haben will, ohne in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse (§ 258 Abs. 1 StPO) hiefür anführen zu können, bringt er den angezogenen prozessualen Nichtigkeitsgrund nicht zu gesetzmäßiger Darstellung, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde insoweit zu verwerfen war. Soweit die auf den § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO gestützte Rechtsrüge den Boden dieser mängelfrei getroffenen Feststellungen verläßt und behauptet, der Angeklagte habe den Polizisten zu einem Absehen von der formellen Anzeigeerstattung aus dem Gesichtspunkt der Ermessensnorm des § 21 Abs. 2 VStG veranlassen wollen, ist sie nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Im Ergebnis richtig ist aber der - wenn auch aus einer anderen rechtlichen Sicht - erhobene Einwand, der festgestellte Sachverhalt sei nicht tatbildmäßig im Sinn der vom Erstgericht angezogenen Gesetzesstelle, was zwar nicht zu dem (primär beantragten) Freispruch, jedoch zu einer Subsumtion unter ein anderes (milderes) Strafgesetz führen mußte (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO):
Die Erstrichter werfen dem Beschwerdeführer nämlich vor, durch sein Verlangen, seine Person in der zu erstattenden Strafanzeige überhaupt unerwähnt zu lassen, versucht zu haben, den Staat in seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung (auch) seiner Person bzw auf ein integres Verhalten der Beamten zu schädigen (S 45 in Verbindung mit S 52, 53). Wenn damit die Meinung zum Ausdruck kommen sollte, schon die Erstattung einer inhaltlich unrichtigen Anzeige durch einen nicht korrekten Beamten verletze ein konkretes staatliches Recht, kann dem nicht gefolgt werden, weil der Anspruch des Staates auf Abfassung wahrheitsgemäßer Urkunden unter Beachtung der hiefür erlassenen Dienstvorschriften zufolge der spezifischen Urkundendelikte der §§ 228, 311 StGB nur ein allgemeines (abstraktes) Recht darstellt, dessen Verletzung für sich allein nicht zur Verurteilung wegen des Verbrechens des Amtsmißbrauches nach dem § 302 Abs. 1 StGB führen kann (LSK 1983/48, ähnlich auch 13 Os 170/83). Die unrichtige, die wahre Täterschaft einer Person verschleiernde Sachverhaltsdarstellung in einer Strafanzeige könnte aber - was das Erstgericht grundsätzlich richtig erkannte - dann zu einer Schädigung des Staates führen, wenn dadurch ein dahinterstehender gesetzlich normierter Zweck im konkreten Fall gefährdet würde. Das Recht auf Strafverfolgung einer bestimmten Person könnte wohl ein solches Recht sein (JBl 1971, S 146, 13 Os 7/74); indes bestand ein solches Recht in diesem Fall nicht. Die hier mißachteten Vorschriften über die Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe, wie sie zum Tatzeitpunkt noch in Geltung standen, sind nämlich nach Inhalt und Zweck an den Gewerbeinhaber (Arbeitgeber) bzw den gewerberechtlich verantwortlichen Geschäftsführer, nicht aber an den einzelnen Arbeitnehmer (Beschäftigten) adressiert. Dies bringen die seit 1.Juli 1984 in Geltung stehenden Nachfolgebestimmungen expressis verbis zum Ausdruck (§ 27 ArbeitsruheG, BGBl 1983/144, und § 4 Sonntags- und FeiertagsbetriebszeitenG, BGBl 1984/129). Hievon unterschied sich aber die Rechtslage auch zum Tatzeitpunkt nicht, zumal die Bestimmungen über die Sonn- und Feiertagsruhe ebenso wie die über den Ladenschluß an anderen Tagen neben ihrer Funktion als Wettbewerbs- und Verbraucherschutz schwergewichtig aus dem Gesichtspunkt des Interessenschutzes für das gewerbliche Hilfspersonal (die Handelsangestellten) zu sehen sind (VfSlg 6621). Eine Bestrafung der Beschäftigten, zu deren Schutz diese Bestimmungen dienen, kommt daher nicht in Frage. Dementsprechend bestrafte der Magistrat der Stadt Wien als Gewerbebehörde trotz Erstattung einer inhaltlich richtigen Anzeige (ident mit S 13/14 in ON 2 dieses Strafaktes) nur den für diese Gesellschaft m.b.H. gewerberechtlich verantwortlichen Vater des Angeklagten Ruben B wegen der 'Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 6 des Sonntagsruhegesetzes, RGBl 1895/21 .... gemäß § 376 Z 47 Abs. 3 GewO 1973', während gegen den Beschwerdeführer kein Verfahren eingeleitet wurde. Der Schuldspruch wegen versuchter Bestimmung zum Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach den §§ 15, 12, 302 Abs. 1 StGB erging somit rechtsirrig.
Da der einschreitende Polizeibeamte aber innerhalb des ihm zustehenden Wirkungsbereiches im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig wurde, bedarf es bei der strafrechtlichen Beurteilung des festgestellten Verhaltens des Angeklagten der weiteren Prüfung, ob eine von diesem Beamten zwecks Vorlage an die Gewerbebehörde zu verfassende Anzeige eine öffentliche Urkunde im Sinn der differenzierten Betrachtungsweise, die nunmehr in das Strafrecht Eingang fand (SSt 50/42), anzusehen ist. Da eine Strafanzeige aber primär eine Wirkung nach außen, nämlich ein Tätigwerden einer staatlichen Behörde gegenüber einem Rechtsunterworfenen bezweckt, kann sie nicht als schlichte (für den internen Gebrauch bestimmte) amtliche Urkunde angesehen werden, die den besonderen Schutz nicht genießt (vgl hiezu Kienapfel im WK, Rz 8, 9, 28, 29 und 30 zu § 224 StGB, 13 Os 170/83). Abniri B kam es nach den ausdrücklichen Feststellungen gerade darauf an, daß in dieser als öffentliche Urkunde zu qualifizierenden Anzeige die Tatsache seiner Anwesenheit im Geschäft verschwiegen und wahrheitswidrig die Verkaufstätigkeit dem Gewerbeinhaber selbst zugeschrieben, somit diese Tatsache falsch (unrichtig) beurkundet werden sollte, und zwar zum Beweis der (im Hinblick auf fremdenpolizeiliche überprüfungen als relevant empfundenen) Tatsache, daß er sich in Österreich gesetzeskonform verhalte, womit der Gebrauch im Rechtsverkehr von seinem Vorsatz mitumfaßt war. Damit liegen sämtliche Tatbestandsmerkmale des Vergehens der falschen Beurkundung nach dem § 311, erster Fall, StGB vor, zu dessen Begehung der Angeklagte den einschreitenden Polizeibeamten bestimmen wollte (§§ 15, 12 StGB).
Wenngleich sich der Beschwerdeführer - wie ebenfalls konstatiert wurde - hiezu des Mittels der Bestechung bediente, kommt eine zusätzliche Unterstellung seiner Tat unter den Tatbestand des § 307 Abs. 1 StGB (siehe Anklage) nicht in Frage, weil diese Strafnorm ebenso wie zu den Tatbeständen nach den §§ 12, 302 oder den §§ 12, 153 StGB (siehe LSK 1976/115, Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , RN 8 zu § 307 StGB, ErgH RN 19 a zu § 307 n.F. StGB) auch zum Vergehen nach den §§ 15, 12, 311 StGB als materiell subsidiär angesehen werden muß, sodaß der Umstand, daß zum Zweck der Anstiftung Geschenke angeboten wurden, nur im Rahmen der Strafbemessung von Bedeutung ist. Der Angeklagte war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde auf der Grundlage der ausreichend getroffenen Feststellungen spruchgemäß schuldig zu erkennen.
Bei der nunmehr nach dem § 311 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung war erschwerend der Umstand, daß er sich bei der (mißlungenen) Bestimmung des Polizeibeamten des Mittels der (ebenfalls mißlungenen) Bestechung bediente, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel, das Alter unter 21 Jahren, die teilweise geständige Verantwortung, die jedenfalls zur Wahrheitsfindung beitrug, und der Umstand, daß es beim Versuch blieb. Unter Berücksichtigung des Alters des Angeklagten und bei Abwägung der allgemeinen und der aufgezählten spezifischen Schuldkomponenten bedarf es keiner sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe, um allen Strafzwecken gerecht zu werden. Es konnte daher gemäß dem § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe verhängt werden, die im aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß auch dem (generalisierend gesehen) nicht geringen Unrechtsgehalt der Tat entspricht. Die für die Festsetzung der Höhe des Tagessatzes bestimmende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (§ 19 Abs. 2 StGB) wurde in übereinstimmung mit dem Erstgericht beurteilt und deshalb ebenfalls der Tagessatz mit 100 S festgelegt. Hingegen ist die bedingte Nachsicht der geringen Geldstrafe aber weder aus spezial- noch aus generalpräventiver Sicht angezeigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.
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