OGH 1Ob637/85

OGH1Ob637/8528.8.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel (Vorsitz) und Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Wurz und Dr. Hofmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Anton A, geb. 19. März 1978, und Ronald A, geb. 2. Mai 1980, infolge Revisionsrekurses der Mutter Sybille A, Reinigungsfrau, Innsbruck,

Ing. Etzel-Straße 51, vertreten durch Dr. Karl Eppacher, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 31. Mai 1985, GZ 2 b R 107/85-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 2. Mai 1985, GZ 3 P 97/85-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Eltern leben in Scheidung. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit März 1985 auf Dauer aufgehoben. Vor der Einleitung des Pflegschaftsverfahrens befanden sich beide Kinder einvernehmlich bei den väterlichen Großeltern. Vom 20. März 1985 bis 10. Mai 1985 lebten die Kinder bei der Mutter; nunmehr sind die Kinder nach dem Vorbringen der Mutter wieder bei den väterlichen Großeltern untergebracht.

Sowohl der Vater als auch die Mutter beantragten, die ihnen aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten zu übertragen. Die Mutter beantragte weiters die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Vater möge aufgetragen werden, ihr die beiden Kinder sofort zu übergeben; der Vater stellte den Antrag, der Mutter zu verbieten, die beiden Kinder zu sich zu nehmen.

Das Erstgericht übertrug bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die divergierenden Anträge der Eltern nach § 177 Abs 2 ABGB die Pflege und die Erziehung der beiden Kinder einstweilen an die väterlichen Großeltern. Es trug der Mutter auf, die Kinder unverzüglich an die väterlichen Großeltern herauszugeben. Die Kinder seien bei den väterlichen Großeltern ordentlich, liebevoll und mit einem für das Alter entsprechenden Konsequenz erzogen worden. Beide väterlichen Großeltern hätten sich um die Pflege und die Erziehung der beiden Kinder aufopfernd bemüht. Es sei untunlich, daß die Kinder bei einem der Elternteile in der ehelichen Wohnung wohnten, da sie dann Augen- und Ohrenzeugen der offenbar erst ihrem Höhepunkt zustrebenden Auseinandersetzungen der Eltern würden. Da die Kinder auch bisher von den väterlichen Großeltern gepflegt und erzogen worden seien, entspräche eine vorläufige Unterbringung bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über die elterlichen Rechte und Pflichten bei den väterlichen Großeltern am ehesten dem Wohl der Kinder. Die Mutter habe innerhalb kurzer Zeit bereits einen zweimaligen Wohnungswechsel vorgenommen. Würden die elterlichen Rechte und Pflichten der Mutter auch nur einstweilen zugesprochen werden, so würde dies nur eine unnötige Unruhe für die Kinder, resultierend aus den Wohnungswechseln, mit sich bringen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge. Aufgrund der zwischen den Eltern ausgebrochenen Streitigkeiten sei eine einvernehmliche Gestaltung der Pflege und der Erziehung nicht mehr möglich; damit sei das Wohl der Kinder gefährdet. Eine teilweise Einschränkung der Elternrechte, die vorläufig weiterhin beiden Elternteilen zustünden, erscheine somit zum Wohle der Kinder notwendig. Diese Einschränkung der elterlichen Rechte habe die Zustimmung des Vaters gefunden. Berücksichtige man, daß die Kinder sich zumindest zum Großteil seit der Geburt bei den väterlichen Großeltern aufgehalten hätten und dort gepflegt und erzogen worden seien, so scheine die vom Erstgericht angeordnete einstweilige Unterbringung dem Wohl der Kinder zu entsprechen; dadurch bleibe die Kontinuität in der Erziehung gewährleistet, die Kinder könnten soweit als möglich von den mit der Ehescheidung der Eltern verbundenen unmittelbaren Streitigkeiten herausgehalten werden. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig. Bis zur Genehmigung einer Vereinbarung der Eltern gemäß § 177 Abs 1 ABGB oder dem Vorliegen einer Entscheidung des Gerichtes nach § 177 Abs 2 ABGB stehen die im § 144 ABGB genannten Rechte und Pflichten weiterhin beiden Eltern zu (vgl JBl 1985, 162; EvBl 1984/62). In ihren Anträgen gehen die Eltern übereinstimmend davon aus, daß bei der Pflege und der Erziehung der Kinder das in § 144 ABGB geforderte Einvernehmen zwischen ihnen sich nicht herstellen läßt. Verstoßen die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit wie in der Erziehung und der Pflege der Kinder gegen das Gebot, einvernehmlich vorzugehen, und wird dadurch das Kindeswohl gefährdet, hat gemäß § 176 Abs 1 ABGB auf Antrag eines Elternteiles das Gericht die zur Sicherung des Wohles der Kinder nötigen Verfügungen zu treffen (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 144 und Rdz 2 zu § 176; Koziol-Welser 7 II 230). Diese Verfügung kann auch in einem gänzlichen oder teilweisen Entzug der aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden persönlichen Rechte und Pflichten liegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurswerberin ist zuzugeben, daß derartige Verfügungen nur dann getroffen werden dürfen, wenn ein Elternteil durch sein Verhalten das Wohl des Kindes gefährdet (SZ 51/112; EFSlg 38.361 ua). Eine Gefährdung des Kindeswohles setzt aber nicht geradezu einen Mißbrauch der elterlichen Befugnisse voraus. Es genügt etwa, daß elterliche Pflichten objektiv nicht erfüllt werden (SZ 53/142; SZ 51/112). Der Vater strebt an, daß die bis 20. März 1985 bestandene einvernehmlich herbeigeführte Erziehung der beiden Kinder durch die väterlichen Großeltern auch während des Verfahrens nach § 177 Abs 2 ABGB keine Änderung erfahren solle. Die Eltern müssen die Pflege und die Erziehung der Kinder nicht unbedingt persönlich besorgen, sie können diese auch durch dritte Personen durchführen lassen (AnwBl 1983, 719; EFSlg 38.221, 35.982, 31.344; EvBl 1978/127 ua). Beide Vorinstanzen begründeten entgegen dem Revisionsrekursvorbringen sehr wohl, warum sie in der Belassung der Kinder bei der Mutter während der Dauer der elterlichen Auseinandersetzungen eine Gefährdung des Kindeswohles erblickten und eine Wiederherstellung der Erziehungssituation, wie sie vor Einbringung der Scheidungsklagen bestand, als dem Wohl der Kinder entsprechend ansahen. Das Kindeswohl kann nicht verletzt werden, weil die Kinder mit Zustimmung der Eltern auch zuvor sich bei den Großeltern, deren Erziehung einwandfrei war, aufgehalten haben. Die von der Rekurswerberin behauptete offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nicht vor (vgl EFSlg 39.823, 6 Ob 509/84).

Ihr außerordentlicher Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

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