OGH 13Os112/85

OGH13Os112/851.8.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kral, Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 8.Mai 1985, GZ. 7 Vr 283/85-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch und im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang dieser Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Werner A ist schuldig, am 21.März 1985 in Klagenfurt getrachtet zu haben, Astrid A dazu zu bestimmen, als Zeugin vor dem Landesgericht Klagenfurt in der Strafsache 7 Vr 283/85 bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, indem er in einem Brief der Else A schrieb, sie soll mit Astrid reden, daß sie ihn nicht belaste, daß sie alles nur aus Wut gesagt und daß ihr Vater sie dazu getrieben habe.

Werner A hat hiedurch das Vergehen der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15, 12, zweiter Fall, 288 Abs. 1 StGB. begangen und wird hiefür sowie für die ihm laut den aufrecht bleibenden Schuldsprüchen weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. (I), das Verbrechen der (richtig) teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 202 Abs. 1 und 15 StGB. (II und III), das Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB. (IV) und das Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB.

(V), gemäß § 201 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 1/2 (dreieinhalb) Jahren verurteilt.

II. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Die inhaltlich als Berufung anzusehende Eingabe des Angeklagten vom 17. Juni 1985 wird zurückgewiesen.

III. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Werner A wurde der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. (I), der 'versuchten Nötigung zum Beischlaf' (gemeint: der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zum Beischlaf) nach §§ 202 Abs. 1 und 15 StGB. (II und III) und der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB. (IV) sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB. (V) schuldig erkannt.

Vom weiteren Anklagevorwurf, am 21.März 1985 in Klagenfurt versucht zu haben, Astrid A dazu anzustiften, als Zeugin vor dem Landesgericht Klagenfurt in der gegenständlichen Strafsache bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, indem er in einem Brief an Else A schrieb, sie solle mit Astrid reden, daß sie ihn nicht belaste, daß sie alles nur aus Wut gesagt und daß ihr Vater sie dazu getrieben habe, und hiedurch das Vergehen der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15, 288 Abs. 1 StGB. als Anstifter nach § 12, zweiter Fall, StGB. begangen zu haben, wurde Werner A gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Gegen diesen Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Angeklagte, der die eingangs erwähnten Sittlichkeitsdelikte in den Jahren 1974 bis 1984 durchwegs an seiner am 12.Dezember 1967 geborenen Stieftochter Astrid A begangen und der die darob ergangenen Schuldsprüche nicht bekämpft hat, schrieb nach den Urteilsfeststellungen am 21.März 1985 aus der Untersuchungshaft an seine Ehegattin Else A einen Brief, in dem es u.a. wörtlich heißt:

'Ich habe ihn (gemeint: seinen damaligen Wahlverteidiger Dr. Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt) gefragt, wie die Sachlage steht. Er sagte mir, daß er zu Dir schon öfters gesagt hat, daß die Astrid bei (der) Gerichtsverhandlung sagen muß, daß alles nicht wahr ist. Dann komme ich auf bedingt frei. Und daß sie alles nur aus Wut gesagt hat und daß ihr Vater sie dazu getrieben hat. Bitte Else, ich bitte Dich tausendmal darum, rede Du mit der Astrid, daß sie mich nicht belastet' (ON. 15 in Verbindung mit S. 133). Dieser Brief wurde wegen seines Inhalts gemäß § 187 Abs. 2 StPO. vom Untersuchungsrichter zurückgehalten und zum Gerichtsakt genommen (ON. 16) und ist folglich der Adressatin Else A gar nicht zugekommen.

Das Erstgericht hat den Freispruch damit begründet, daß zwar die versuchte Bestimmung eines anderen zur Begehung einer strafbaren Handlung gemäß § 15 Abs. 2 StGB. als deren Versuch strafbar sei, daß aber der Brief den Adressaten (wobei nicht klar zum Ausdruck kommt, ob das Schöffengericht darunter Else A als formelle Adressatin oder aber Astrid A als inhaltliche Adressatin versteht) nicht erreicht hätte. Es könne daher nur von einer straflosen Vorbereitungshandlung gesprochen werden, es handle sich um eine 'mißlungene Bestimmung'. Der vom Gerichtshof eingeführte Begriff des 'beendeten Versuchs' bleibt hier unklar und nichtssagend, ist diese Rechtsfigur doch nur beim Rücktritt (§ 16 StGB.) von Bedeutung.

Rechtliche Beurteilung

Wie die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft demgegenüber zutreffend ausführt, steht außer Zweifel, daß bereits das Absenden eines Briefs (im Gegensatz zu dessen bloßer Niederschrift, dessen Frankieren oder auch dem Gang damit zum Briefkasten: siehe Kienapfel AT E 6 RN. 26 unten) als ausführungsnahe Handlung strafbaren Versuch der Anstiftung begründet. Denn: Ausführungsnah ist das Verhalten in objektiver Beziehung, wenn es im nahen Vorfeld der Erfolgsverwirklichung liegt, d.h. jenes Ereignisses oder Zustands, das bzw. der aus dem Tätigkeitswort des Gesetzes als Wirkung hervorgeht, und in subjektiver Beziehung, wenn der Täter die entscheidende Hemmstufe überwunden hat (LSK. 1982/22; 13 Os 202/84). In objektiver Hinsicht stand die Ausführung der Anstiftung durch das Absenden des Briefs, in welchem über den Adressaten eine dritte Person zu einer strafbaren Handlung aufgefordert wird, bevor; der Täter handelte also bereits in naher zeitlicher Distanz zur Einwirkung auf Astrid A, d.h. zum 'Bestimmen', dem Tätigkeitswort des § 12, zweiter Fall, StGB. und zugleich dem Bezugspunkt des korrespondierenden Versuchs (§ 15 Abs. 2 StGB.). In subjektiver Hinsicht ist angesichts des Umstands, daß der Angeklagte den Brief bereits aus der Hand gegeben hatte und damit auf den normalen Lauf der Dinge keine Einwirkungsmöglichkeit mehr hatte, die überwindung der entscheidenden Hemmstufe geradezu augenfällig.

Daß der Brief von der gerichtlichen Zensur zurückgehalten wurde, verschlägt dem strafbaren Versuch nichts. Man unterscheidet drei Formen der versuchten Anstiftung: die Fallgestaltung des sog. alias facturus (die hier nicht in Betracht kommt), die mißlungene und die erfolglose Anstiftung. Mißlungen ist sie, wenn es dem Anstifter nicht gelingt, im Anzustiftenden den Willen zur Tat zu erzeugen;

erfolglos ist die Anstiftung, wenn es aus anderen Gründen (trotz Erweckung des Tatentschlusses) nicht einmal zum Versuch der Haupttat kommt (LSK. 1976/245; Foregger-Serini 3 S. 60 oben, 68;

Leukauf-Steininger 2 S. 182 oben). Im gegenständlichen Fall hat die Einwirkung die anzustiftende Person gar nicht erreicht, die Anstiftung ist also mißlungen. Indes verkörpert dieser Ausgang des Geschehens, wie vorstehend dargelegt, nichts anderes als eine der drei Formen der versuchten und strafbaren Anstiftung (Foregger-Serini 3 a.a.O., Leukauf-Steininger 2 a.a.O.).

Daß der Angeklagte auf Grund der Zensurvermerke auf der für ihn einlangenden Post erkannt hat, daß ein Brief mit derartigen Aufforderungen den Adressaten möglicherweise nicht erreichen wird, bedeutet nicht, daß er ein übersehen der kritischen Textstellen bei der Zensur oder deren gänzliches Unterbleiben (siehe § 188 Abs. 1, letzter Satz, StPO.) geradezu für unmöglich hielt; wäre doch die Unterstellung, er habe den Brief abgeschickt, obwohl er es als sicher angenommen habe, dieser werde von der Zensur zurückgehalten werden, geradezu widersinnig. Letztendlich ist anzumerken, daß die Regeln für die Anstiftung auch dann gelten, wenn sie über mehrere Personen läuft (sogenannte Kettenbestimmung: Kienapfel AT E 4 RN. 13; Leukauf-Steininger 2 RN. 21 zu § 12 StGB.). Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft war daher Folge zu geben, der nichtige Freispruch (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) samt dem Strafausspruch aufzuheben, auf der Grundlage der vorhandenen Feststellungen gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst zu erkennen und Werner A des Vergehens der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht als Anstifter nach §§ 15, 12, zweiter Fall, 288 Abs. 1 StGB. schuldig zu sprechen.

Der geänderte Schuldspruch zwingt zur Neubemessung der Strafe, die nach den §§ 28, 201 Abs. 1 StGB. zu verhängen war. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen von (richtig) drei Verbrechen (§§ 201, 202, 206 StGB.) mit nunmehr zwei Vergehen (§§ 212, 288 StGB.) und die Wiederholung der Sittlichkeitsdelikte durch zehn Jahre, mildernd hingegen das Geständnis zu den Schuldsprüchen I, III und V sowie, daß es teilweise beim Versuch geblieben war (III). Der geschlechtliche Mißbrauch der zu Beginn der sexuellen Verfehlungen erst sechsjährigen Stieftochter durch ein volles Jahrzehnt läßt angesichts der immer wieder gezeigten Brutalität und der Hartnäckigkeit, mit welcher der Angeklagte sein Opfer verfolgte, das offenbar noch an den psychischen Auswirkungen des erlittenen Ungemachs leidet (S. 121 unten), einen so hohen Unrechtsgehalt und damit ein so gravierendes Verschulden erkennen, daß bei der bedrückenden Deliktskonkurrenz eine im mittleren Bereich des anzuwendenden Strafsatzes geschöpfte Unrechtsfolge der zuvor umrissenen kriminellen Dimension gerade noch gerecht werden kann. Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf die Neubemessung der Strafe zu verweisen.

Die inhaltlich als Berufung anzusehende handschriftliche Eingabe des Angeklagten ist erst am 17.Juni 1985 unmittelbar an den Obersten Gerichtshof gelangt. Sie war mangels rechtzeitiger Anmeldung dieses Rechtsmittels zurückzuweisen (§§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 StPO.). Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und über die Verpflichtung des Angeklagten zum Kostenersatz gemäß § 389 StPO.

wurden aus dem Ersturteil übernommen.

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