OGH 8Ob582/85

OGH8Ob582/8510.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sabrina S*, und Alexandra S*, infolge Revisionsrekurses der Mutter Doris G*, vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 2. Mai 1985, GZ. 1 b R 105/85‑76, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 13. März 1985, GZ. P 134/79‑73, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00582.85.0710.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Ehe der Eltern der beiden mj. Kinder Sabrina und Alexandra S* ist geschieden. Die beiden Minderjährigen werden im Haushalt ihres Vaters betreut, dem auch die elterlichen Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB übertragen wurden. Mit Beschluss vom 21. 7. 1981 wurde die Mutter der beiden Minderjährigen zur Erbringung einer monatlichen Unterhaltsleistung an die Kinder von je 1.500 S verpflichtet. Am 23. 1. 1984 stellte sie den Antrag, sie von dieser Unterhaltspflicht zu befreien, weil sie wieder geheiratet habe, ihr Kind aus dieser Ehe betreuen müsse und weder über Vermögen noch ein Einkommen verfüge.

Das Erstgericht gab diesem Antrag statt. Infolge des dagegen von der zur Unterhaltssachwalterin bestellten Bezirkshauptmannschaft Bregenz erhobenen Rekurses wurde diese Entscheidung aufgehoben.

Im zweiten Rechtsgang setzte das Erstgericht die Unterhaltsleistungen der ehelichen Mutter den beiden Kindern gegenüber ab 23. 1. 1984 auf je 500 S monatlich herab und wies das Mehrbegehren, die Mutter von ihrer Unterhaltspflicht gegenüber den beiden Kindern zur Gänze zu befreien, ab.

Die vom Erstgericht weiters noch getroffenen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Doris G* ist mit Canio G* verheiratet. Dieser Ehe entstammt das am 26. 9. 1982 geborene Kind Donato. Die Mutter ist nicht berufstätig, sie widmet sich der Betreuung ihres Kindes. Ihr Ehegatte hat ein Nettoeinkommen von 2.517 sFr. Die monatlichen Kosten für die Wohnung betragen ca. 1.000 sFr, für Versicherungen, Telefon, Radio und Fernsehen gehen 134 sFr auf, sowie für Kreditrückzahlungen 325 sFr. Zu bezahlen sind auch monatliche Krankenkassenbeiträge in der Höhe von 140 sFr und 200 sFr an Steuern.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnissen der Kinder anteilig beizutragen haben und der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem die Kinder betreut werden, dadurch seinen Beitrag zum Unterhalt leistet. Die Mutter der Kinder habe daher ihrer Unterhaltspflicht in Form einer Geldrente nachzukommen, deren Höhe einerseits von den Bedürfnissen der Kinder und anderseits von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängig sei. Von der Bedarfsseite her sei der für die beiden Kinder bisher festgesetzt gewesene Unterhaltsbeitrag durchaus gerechtfertigt. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mutter ließe dagegen eine Befreiung von der Unterhaltspflicht durchaus gerechtfertigt erscheinen, weil sie kein Einkommen beziehe und ihr im Hinblick auf die Notwendigkeit, das Kind aus zweiter Ehe zu betreuen, keine Teilzeitbeschäftigung zumutbar sei. Gemäß § 94 ABGB hätten jedoch Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Es werde daher vom nunmehrigen Ehegatten der unterhaltspflichtigen Mutter verlangt, daß er auf die Lebensbedürfnisse seiner Frau Bedacht nehme. Dies bedeute, daß die Eheleute ihre Lebensverhältnisse so gestalteten, daß der die Kinder (aus erster Ehe) nicht betreuende Elternteil (Mutter) seine Verpflichtungen erfüllen könne. Auf Grund ihrer Unterhaltsverpflichtung werde es daher Aufgabe der Mutter sein, sich gewisse Einschränkungen bei der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse, insbesondere hinsichtlich ihrer persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, aufzuerlegen. Auch der Ehegatte könne die Unterhaltsverpflichtung seiner Frau gegenüber nicht als seinen Lebenskreis nicht berührend ansehen. Es sei daher zu prüfen, ob es ihm zumutbar sei, seine Frau mit den nötigen finanziellen Mitteln zu versehen, damit diese ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber den beiden ehelichen Kindern aus erster Ehe nachkommen könne. Unter den hier gegebenen Umständen könne der Mutter durchaus zugemutet werden, von dem ihr vom nunmehrigen Ehegatten zur Verfügung gestellten Unterhalt den Betrag von insgesamt 1.000 S pro Monat zur Erfüllung der ihr obliegenden Unterhaltspflichten abzuzweigen. Dieser Betrag liege weit unter dem Regelbedarf für die beiden Kinder.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen von der Mutter der Minderjährigen erhobenen Rekurs nicht Folge. Es führte im wesentlichen aus: Die Rechtsprechung zum Problem der Unterhaltspflicht der einkommenslosen Mutter, die eine neuerliche Ehe geschlossen habe und der im Rahmen dieser Ehe Betreuungspflichten entstanden seien, sei bisher im wesentlichen einheitlich dahin gelöst worden, daß wohl der zweite Ehegatte der Mutter nicht verpflichtet sei, den Unterhalt für die Kinder aus erster Ehe zu bezahlen, die Mutter und ihr Ehegatte aber anderseits im Rahmen der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse darauf Rücksicht zu nehmen hätten, daß die Mutter Sorgepflichten aus erster Ehe habe. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 10. 10. 1983, 1 Ob 720/83, die Rechtsansicht, der Ehegatte der unterhaltspflichtigen Mutter habe ihr auch die Mittel für den ihrem Kind (aus erster Ehe) zu leistenden Unterhalt zur Verfügung zu stellen, sodaß letztlich den Stiefvater wirtschaftlich die Unterhaltspflicht treffe, als offenbar gesetzwidrig angesehen. Zu den vom unterhaltspflichtigen Ehemann zu deckenden Bedürfnissen gehöre es nicht, dem anderen Ehegatten zusätzliche Mittel zu verschaffen, die ihn in die Lage versetzten, seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht Dritten gegenüber nachzukommen. Eine solche mittelbare Unterhaltspflicht ließe sich dem Gesetz nicht entnehmen. Wenngleich diese Auffassung des Obersten Gerichtshofes nicht unwidersprochen geblieben sei, so sei ihr doch vollinhaltlich zuzustimmen. Der bisher zu diesem Problemkreis ergangenen Entscheidungen der Rekursgerichte erkenntliche Gedankenansatz gehe aber nicht in Richtung einer Erhöhung des Unterhaltsgeldes für die unterhaltspflichtige Ehegattin, sondern umgekehrt in Richtung einer Verpflichtung der Mutter zur Sparsamkeit und Einschränkung im Rahmen der Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse, sodaß sie in die Lage versetzt werde, aus den ihr zukommenden Unterhaltsbeiträgen ihres Ehegatten die ihr obliegenden Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern aus erster Ehe zu erfüllen. Nach der in der genannten Entscheidung vom Obersten Gerichtshof vertretenen Auffassung sei eine allfällige Unterhaltspflicht der Ehegattin auf das ihr zukommende und allenfalls reichlich bemessene Taschengeld zu beschränken, und zwar darüber hinaus nur auf den Fall, daß der geschiedene Ehegatte, der die Kinder im Haushalt betreue, ohne Hinzuziehung dieser Beträge nicht in der Lage wäre, selbst den ihn gemäß § 140 Abs. 2 zweiter Satz ABGB subsidiär treffenden Unterhaltsanspruch seiner Kinder zu erfüllen. Bei der Unterhaltspflicht gemäß § 140 Abs. 2 zweiter Satz ABGB handle es sich um eine subsidiäre Unterhaltspflicht des haushaltsführenden Elternteiles, die nur dann zum Tragen komme, wenn der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande sei oder mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. Primär sei also zu prüfen, ob der nicht haushaltsführende Elternteil zu einer Leistung imstande sei oder mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. Nur wenn diese Fragen gänzlich oder teilweise verneint würden, dann käme die subsidiäre Unterhaltspflicht des haushaltsführenden Elternteiles gänzlich oder teilweise zum Tragen. Dem Gesetz ließe sich nach Auffassung des Rekursgerichtes keineswegs entnehmen, daß der die Kinder nicht im Haushalt betreuende Elternteil nur dann zu einer Unterhaltsleistung herangezogen werden könne, wenn er über ein eigenes Einkommen verfüge. Es sei auch auf die sogenannten Lebensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils Rücksicht zu nehmen. Könne aber auf Grund dieser Lebensverhältnisse davon ausgegangen werden, daß der unterhaltspflichtige Elternteil zu einer Unterhaltsleistung imstande sei, so sei er auch ohne eigenes Einkommen zur Unterhaltsleistung heranzuziehen. Es sei nicht einzusehen, daß die Rechtsprechung durchwegs davon ausgehe, daß der die Kinder nicht im Haushalt betreuende Vater sparsam zu wirtschaften und sich im Rahmen der Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse Einschränkungen zu unterwerfen habe, während die Mutter, die die Kinder nicht in ihrem Haushalt betreue, sondern eine neuerliche Ehe eingehe, sich derartige Beschränkungen nicht auferlegen müsste. Der Unterhaltsanspruch sei grundsätzlich bei aufrechter ehelicher Gemeinschaft teils in natura, teils aber auch in Geld zu leisten. Es würde eine sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung der Mutter, die die Kinder nicht betreue, bedeuten, wenn man es völlig ihrer freien Verfügung überließe, wie sie den ihr in Form von Geldleistungen zustehenden Teil ihres Unterhaltsanspruches verwendet, ob sie damit sparsam umgehe oder ob sie damit alle Bedürfnisse befriedigt, seien sie nun notwendig oder seien es allenfalls sogar Luxusbedürfnisse, während der andere Elternteil, der die Kinder betreue, auch noch verpflichtet sein sollte, subsidiär Unterhalt im Sinne des § 140 Abs. 2 zweiter Satz ABGB zu leisten. Ein vergleichsweise ähnliches Problem sei bei Einführung des neuen Strafrechtes aufgetaucht, nämlich bei der Verhängung einer Geldstrafe über die einkommens- und vermögenslose Hausfrau, der eine Nebenbeschäftigung nicht zuzumuten sei. Lehre und Rechtsprechung habe eine einheitliche Problemlösung darin gefunden, daß sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer derartigen Hausfrau nicht nach dem Einkommen des Ehemannes, sondern nach dem richte, was im Rahmen des Lebenszuschnitts der Familie aus dem Familieneinkommen bei Berücksichtigungen unbedingt notwendiger Anschaffungen für die Lebenshaltung ihr allein für ihre Person durchschnittlich zufließe oder zustehe. Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau ihrem Mann gegenüber werde dabei etwa mit jenem Betrag angesetzt, der sich im Streitfall auf Grund des bürgerlichen Rechtes ergebe. Es sei daher nicht einsichtig, warum bei der Frage des Unterhaltes für Kinder aus erster Ehe ein anderer Maßstab und andere Grundsätze angewendet werden sollten, warum auf den ohnedies seine Betreuungsleistung erbringenden Elternteil auch noch die subsidiäre Unterhaltspflicht des § 140 Abs. 2 zweiter Satz ABGB überwälzt werden solle, während sich der nunmehr in zweiter Ehe verheiratete Elternteil keinerlei Einschränkungen unterwerfen müsse. Aus diesen Erwägungen bestehe für das Rekursgericht trotz der mittlerweile ergangenen oberstgerichtlichen Entscheidung kein Anlaß, von seiner bisherigen Auffassung zu diesem Problemkreis abzugehen.

Von dieser Auffassung ausgehend zeige sich, daß der Rekurs der Mutter nicht zielführend sein könne. Der vom Erstgericht auf Grund eines unbedenklichen Verfahrens festgesetzte Betrag von je 500 S monatlich pro Kind entspräche den festgestellten Lebensverhältnissen der Mutter, und könne ihr auch auf Grund dieser Lebensverhältnisse die Leistung eines solchen Betrages zugemutet werden.

Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter der beiden mj. Kinder mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht unter Bindung an die im Revisionsrekurs vertretene Rechtsansicht die neuerliche Entscheidung aufzutragen; hilfsweise wird die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Antrages auf Befreiung von der Unterhaltspflicht beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Gemäß § 14 Abs. 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Nach Jud. 60 neu = SZ 27/177 gehören zur Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (EFSlg. 37.306, 42.264, 44.575 ua). Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zählt auch die Beurteilung der dem Unterhaltspflichtigen bei Einsatz seiner Kräfte zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Verfügung stehenden Mittel (EFSlg. 34.975, 42.265, 44.576 ua). Im vorliegenden Rechtsmittel geht es nur darum, ob die Ansicht der Vorinstanzen zutrifft, daß Doris G* auf Grund der ihr zur Verfügung stehenden Mittel in der Lage ist, für den Unterhalt ihrer Kinder aus erster Ehe monatlich je 500 S aufzubringen. Dabei handelt es sich aber um eine Bemessungsfrage im Sinne des genannten Judikates, bei deren Vorliegen die Anfechtung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz ausgeschlossen ist, welcher Fehler dem Rekursgericht dabei auch immer unterlaufen sein möge (EFSlg. 37.333, 42.261, 44.602 ua). Damit scheidet hier auch die Prüfung allfälliger Rekursgründe im Sinne des § 16 AußStrG aus (EFSlg. 37.333, 44.602 ua). Es kann somit dahingestellt bleiben, ob die vom Erstgericht bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Mutter vertretene Ansicht, daß Canio G* zugemutet werden könne, seine Ehegattin mit den nötigen Mitteln zu versehen, damit sie ihrer Unterhaltspflicht ihren Kindern aus erster Ehe gegenüber nachkommen könne, im Hinblick auf die Bestimmung des § 5 USchG, die zugunsten kraft Gesetzes Unterhaltsberechtigten bei Erbringung von regelmäßigen Diensten durch den Unterhaltsverpflichteten ua im Haushalt seines Ehegatten einen Lohnanspruch fingiert, überhaupt als offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 AußStrG bezeichnet werden kann.

Der Revisionsrekurs erweist sich damit als unzulässig, weshalb er zurückgewiesen werden mußte.

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