OGH 5Ob521/85

OGH5Ob521/852.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloyse A, Angestellter, Ulmenweg 3, D 6380 Bad Homburg, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Arthur Brüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Jordane B, Tierarzt, Fasangasse 43/6, 1030 Wien, vertreten durch Dr.Herwig Kubac, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 131.821,64 samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4.Dezember 1984, GZ. 13 R 217/84-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26.Juni 1985, GZ. 9 Cg 32/83-19, abgeändert wurde,in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.878,65 (darin S 447,15 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Wilhelmine A hatte mit dem Beklagten und seiner Ehefrau ein freundschaftliches Verhältnis. Die Eheleute erledigten für die betagte und gebrechliche Wilhelmine A Wege und nahmen sich der alten Frau an. Anfang des Jahres 1980 übergab Wilhelmine A dem Beklagten vier Sparbücher, nannte ihm die Losungsworte.

Sie wies ihn an, der C S 5.000,- zu überlassen, für ihr Grab S 3.000,- aufzuwenden und sich um ihre Vögel zu kümmern. Sie erklärte, sie habe das Geld für ein Altersheim gespart und werde es dafür, falls sie es benötigen sollte, auch verwenden. Falls ihr aber etwas zustoße, solle der Rest dem Beklagten gehören. Sie schenke ihm das Geld. Er solle seiner Frau etwas Schönes kaufen. Wilhelmine A starb am 8.3.1980. Der Beklagte realisierte am 23.2.1981

die Sparbücher und behob insgesamt S 138.184,08.

Der Nachlaß nach Wilhelmine A wurde am 10.12.1980 dem Kläger als

Erben eingeantwortet.

Er belangte den Beklagten mit der am 24.1.1983 erhobenen Klage auf Zahlung von S 131.821,64 samt 10,5 % Zinsen seit dem 1.4.1981. Eine wirksame Schenkung sei nicht erfolgt. Der Beklagte habe sich unredlich in den Besitz der Bücher gesetzt und dem Erben den Erlös herauszugeben.

Der Beklagte trat dem Begehren mit dem Einwand entgegen, er habe die Sparbücher von Wilhelmine A geschenkt erhalten und sie nach ihren Anweisungen verwendet. Die Sparguthaben seien nicht in den Nachlaß gefallen. Er habe S 5.000,- an die C gespendet und S 3.000,- für das Grab aufgewendet. Die Schenkungssteuer habe S 18.759,-- betragen. Der Anspruch des Klägers sei verjährt.

Wilhelmine A habe ihm die Sparbücher ohne jede Bedingung und Auflage wirklich übergeben und ihm die Losungsworte genannt. Es handle sich nicht um eine Schenkung auf den Todesfall.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den festgestellten eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß es sich weder um einen Schenkungsvertrag unter Lebenden handle, weil sich Wilhelmine A die Verwendung des Geldes für ein Altersheim vorbehalten habe, noch um eine Schenkung auf den Todesfall. Als Vermächtnis sei die Verfügung mangels Einhaltung der Formvorschriften ungültig. Es sei aber der Ansicht zu folgen, daß eine wirksame Übergabe auf den Todesfall vorliege, weil die Sparbücher wirklich übergeben wurden und nach dem Ableben des übergebers in das Eigentum des Beklagten fallen sollten. Zu Lebzeiten des übergebers erlange der Empfänger nur die Rechtsstellung eines Verwahrers. Werde die Zuwendung aber nicht widerrufen und befinde sich die Sache beim Erbanfall noch in der Gewahrsame des Empfängers, so erlösche die Verpflichtung aus dem Verwahrungsvertrag. Der Empfänger werde Eigentümer. Er erlange die Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers, dem das Vermächtnis ausgefolgt sei. Durch die tatsächliche Ausfolgung sei der Formmangel geheilt. Die Rückforderung finde nicht statt (§ 1432 ABGB). Die dieser Rechtsmeinung (Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 6 und 7 zu § 956; Ehrenzweig, FS ABGB II, 680; Stanzl in Klang 2 IV/1, 633) entgegengesetzte Ansicht, dadurch würden zwingende Formvorschriften umgangen und die Sicherung des Beweises des letzten Willens vereitelt (Koziol-Welser II 5 , 304; Apathy, JBl.1976, 408), überzeuge nicht, weil die Einhaltung der Formvorschriften vor übereilung schützen sollen, der Zuwendende aber die Sache gleich aus der Hand gebe. So unterscheide sich die Lage nicht wesentlich von einer Schenkung unter Lebenden mit wirklicher Übergabe. Auch die Beweislage verschiebe sich nicht. Für den Zuwendenden sei wegen der Widerruflichkeit die Übergabe auf den Todesfall weniger einschneidend als eine Schenkung unter Lebenden. Der Beklagte habe daher wirksam die Verfügung über die Sparguthaben erlangt und müsse den Erlös an den Erben nicht herausgeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes ab und verhielt den Beklagten zur Zahlung von S 131.821,64 samt den gesetzlichen Zinsen von 4 % seit dem 1.4.1981. Die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens bestätigte das Berufungsgericht, das aussprach, daß die Revision nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig sei, weil die Entscheidung von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhänge, die vom Obersten Gerichtshof in zwei Entscheidungen der letzten Zeit abweichend von einer früher einheitlich gegenteiligen Rechtsprechung beantwortet wurden. Das Berufungsgericht war mit dem Erstgericht der Rechtsmeinung, eine Schenkung unter Lebenden mit wirklicher Übergabe sei nicht erfolgt. Wilhelmine A habe nach ihrer festgestellten Erklärung allenfalls noch benötigtes Geld für sich verwenden wollen.

Nur der bei ihrem Tod noch verbleibende Rest sollte dem Beklagten gehören. Deshalb sei nicht eine sofort wirksame und durch ein bestimmtes Ereignis auflösend bedingte Schenkung anzunehmen. Es sei von einem Widerrufsverzicht nicht die Rede und kein Notariatsakt errichtet worden. Ein Schenkungsvertrag auf den Todesfall liege nicht vor. Da die Förmlichkeiten für eine letztwillige Verfügung nicht eingehalten seien, fehle es auch an einem formgerechten Vermächtnis an den Beklagten.

Die Übergabe auf den Todesfall sei von Lehre und Rechtsprechung (Ehrenzweig, Die Schenkung auf den Todesfall,FS ABGB II, 671 ff und 678 ff; Stanzl in Klang 2 IV/1, 632 f; Eccher, Antizipierte Erbfolge, 86 ff.; EvBl.1962/285; EvBl.1965/126 ua.) als vorweg vollzogenes Vermächtnis angesehen worden, bei dem der Formmangel durch die tatsächliche Erfüllung geheilt werde. Die Verlassenschaft und die Erben müßten die vorgreifende Erfüllungshandlung des Erblassers gemäß dem § 547 ABGB gegen sich gelten lassen. Auch beim Auftrag auf den Todesfall werde der begünstigte Dritte geschützt, wenn ihm die zugedachte Sache vom Beauftragten schon ausgefolgt worden sei (SZ 16/158; SZ 20/109; SZ 24/113; SZ 42/51; EvBl.1965/22). Der Zweck der Formvorschriften solle einem voraus vollzogenen Vermächtnis nicht im Wege stehen (Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 6 und Rdz 7 zu § 956). Das Berufungsgericht schließe sich jedoch der zuletzt vom Obersten Gerichtshof vertretenen den Ansichten von Apathy, Der Auftrag auf den Todesfall, JBl.1976, 393 ff, Koziol-Welser II 6 307 ff. und Kralik-Ehrenzweig, Erbrecht 3 . 167 FM 7 und 169 ff folgenden Rechtsprechung an, daß bei der Beurteilung der Konvaleszenzbestimmung des § 1432 ABGB auf die Übergabe auf den Todesfall der Formzweck der Vermächtnisanordnung maßgebend sei und vor allem die Beweisfunktion der Formvorschrift durch die Übergabe vom Erblasser an den Bedachten nicht ersetzt werde, wie dies auch schon für den Auftrag auf den Todesfall gesagt wurde (SZ 53/135; NZ 1984/80). Der Beklagte habe, weil die formungültige Erklärung durch Hinzutreten weiterer formungültiger Anordnungen nicht gültig werden könne, kein Recht an den ihm übergebenen Sparbüchern erlangt und sei verpflichtet, den durch die Realisierung erlösten Betrag an den Erben herauszugeben, doch falle ihm am Zahlungsverzug grobes Verschulden nicht zur Last, so daß er nicht mehr als die gesetzlichen Zinsen leisten müsse. Mit seiner Revision aus dem Grunde des § 503 Abs.2 ZPO strebt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes an. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die zulässige Revision ist nicht berechtigt, weil das Berufungsgericht die anstehende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nach der Wirksamkeit der Anordnung der übergeberin der Sparbücher richtig gelöst hat.

In dem Meinungsstreit, ob bei der im Gesetz nicht geregelten Übergabe einer Sache auf den Todesfall, einer mit der wirklichen Übergabe verbundenen Vereinbarung, daß die übergebene Sache nach dem Tod des übergebers in das Eigentum des übernehmers übergehen solle, deren Wirksamkeit als Schenkung auf den Todesfall am Mangel der Einhaltung der Notariatsaktform scheitert, ein zwar formungültiges Vermächtnis anzunehmen ist, das aber wirksam wird, weil die Nichteinhaltung der Formvorschriften für letztwillige Verfügungen im Hinblick auf § 1432 ABGB unschädlich ist, oder aber an den zwingenden Formvorschriften festzuhalten und daher die Wirksamkeit einer formlosen Vereinbarung zu verneinen ist, werden bis zuletzt gegensätzliche Auffassungen vertreten. Während ein Teil der Lehre an der früher auch vom Obersten Gerichtshof anerkannten Rechtswirksamkeit einer solchen Übergabe auf den Todesfall (EvBl.1962/285; EvBl.1965/126) festhält (Eccher, Antizipierte Erbfolge, 86 ff; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz.6 zu § 956), treten andere Vertreter der Lehre der Vorstellung entgegen, die Zuwendung sei ein zwar formungültiges Vermächtnis, das aber vorweg durch den Erblasser erfüllt wurde, womit die Ungültigkeit nach § 1432 ABGB geheilt sei (Apathy, Der Auftrag auf den Todesfall, JBl 1976, 409; Koziol-Welser II 7 , 339; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 . 167 FN 7). Daß die vom Beklagten behauptete wirksame Schenkung als Rechtsgeschäft unter Lebenden mit wirklicher Übergabe nicht erwiesen ist, weil die Erblasserin bei der Übergabe der Sparbücher erklärte, sie werde ihre Ersparnisse für sich selbst verwenden, wenn es nötig sei, doch solle der Rest dem Beklagten gehören, wenn sie sterbe, und daß es auch an der Einhaltung der Formvorschriften des § 956 und des § 603 ABGB aber auch der Beobachtung der für ein Vermächtnis vorgeschriebenen Förmlichkeiten (§ 647 und § 601 ABGB) mangelt, wird auch vom Revisionswerber nicht mehr in Frage gestellt. Er versucht daher nur, die Richtigkeit der Auffassung darzutun, daß § 1432 ABGB dem Begehren des Erben entgegenstehe, weil durch die Erfüllung in der tatsächlichen Übergabe der Sparbücher durch die Erblasserin die Heilung des formungültigen Geschäftes zu erblicken sei (Welser in Rummel, ABGB, Rdz 16 zu § 647; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1432 ABGB).

Der Oberste Gerichtshof hatte zu 6 Ob 625/82 (NZ 1984, 80) einen sehr ähnlich gelagerten Fall zu beurteilen. Dort hatte der Erblasser zwei überbringersparbücher mit der Erklärung übergeben, wenn ihm etwas passiere, könne die Empfängerin die Sparbücher behalten. In dieser Entscheidung setzte sich der Oberste Gerichtshof in Fortführung der schon zur Frage der (Un-)Wirksamkeit des Auftrages auf den Todesfall geäußerten Meinung (JBl.1982, 206; dazu aM Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 956 auch unter Berufung auf die deutsche Literatur wie insb.Staudinger-Reuss, BGB 12 Rdz 35 zu § 516 BGB) mit den für eine Heilung des Formmangels eintretenden Stimmen eingehend auseinander, ließ offen, ob nicht die vorgezogene Erfüllung schon daran scheiterte, daß Vermächtnissse als Verfügung von Todes wegen erst mit dem Tod des Erblassers wirksam werden können, verneinte aber die Anwendbarkeit der Konvaleszenzbestimmung des § 1432 ABGB auf Fälle der sogenannten Übergabe auf den Todesfall.

Der Ansicht, daß aus der Übergabe der Sache allein für die der Formvorschrift jedenfalls auch zukommende Beweisfunktion nichts zu gewinnen ist, läßt man erklärende öußerungen des übergebers zunächst außer Betracht, ist beizutreten. Denn die Übergabe einer Sache kann zur Erfüllung verschiedenster Rechtsgeschäfte (Verwahrung, Leihe, Prekarium, Miete, Schenkung ua) erfolgen und sagt über ihren Zweck für sich allein nichts aus. Muß aber erst auf eine hinzutretende Erklärung des Erblassers zurückgegriffen werden, kann durch die Übergabe als solche der Beweiszweck nicht erreicht sein. Die deutende Erklärung des Erblassers kann aber an der Formungültigkeit der Vermächtnisanordnung nichts ändern, denn der ohne Einhaltung der vorgeschriebenen Form geäußerte letzte Wille kann nicht dadurch gültig werden, daß er wiederholt wird. Nur wenn sämtliche mit der für letztwillige Anordnung vorgesehenen Formen verfolgten Zwecke durch die Übergabe erreicht werden könnten, käme die Anwendung des § 1432 ABGB in Betracht. Weder die durch Einhaltung der Form zu erfüllende Warnfunktion noch die Beweisfunktion (Apathy, JBl 1976, 409; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 , 127; Weiß in Klang 2 III 298 f; Koziol-Welser II 7 304) sind durch die Tatsache der Übergabe ausreichend sichergestellt. Es ist gegen die Ansicht von Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 956, der Meinung der Vorzug zu geben, daß alle Verfügungen von Todes wegen erst mit dem Tod des Erblassers wirksam werden können, so daß eine die Rückforderung nach § 1432 ABGB ausschließende Erfüllungshandlung nur der Nachlaß bzw. der Erbe setzen kann und nur dann zu rechtfertigen ist, daß das Recht auf Rückgabe des in Erfüllung des formungültigen Rechtsgeschäftes Geleisteten verwehrt wird.

Damit kann der Beklagte weder aus der Erklärung der Erblasserin noch aus der mit Bekanntgabe der Losungsworte verbundenen wirklichen Übergabe der Sparbücher vor deren Ableben ein Recht an den Sparguthaben ableiten und hat dem Erben auf dessen Verlangen das Realisat herauszugeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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