OGH 2Ob541/84

OGH2Ob541/842.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arno A, Landesbeamter, 6121 Baumkirchen, Milserstraße 3, vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Adolf B, Vizepräsident des Tiroler Landtages, 6500 Landeck, Leitenweg 56, vertreten durch Dr. Franz Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einverleibung des Eigentumsrechtes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 2. November 1983, GZ 5 R 263/83-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. Mai 1983, GZ 10 Cg 364/81-37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat dem Beklagten die mit S 4.889,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 335,40 Umsatzsteuer und S 1.200,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josefine C war Eigentümerin des 'SCHINDLHOFES' in Baumkirchen, welcher aus den Liegenschaften EZ 3 I und II KG Baumkirchen sowie EZ 171 II KG Eben und der EZ 21 KG Fritzens besteht. Mit übergabsvertrag vom 23. Dezember 1980 hat sie diesen Hof dem Beklagten übergeben; dessen Eigentum an den vorgenannten Liegenschaften wurde in der Folge bücherlich einverleibt. In der vorliegenden Klage behauptet der Kläger, Josefine C habe ihm 'den D bereits im Sommer 1980 mündlich übergeben, nachdem er schon seit dem Frühjahr 1980 den Hof allein bearbeitet' habe. Da der Beklagte in Kenntnis dieser übergabe und des 'außerbücherlichen Eigentums' des Klägers gewesen sei, müsse er die Liegenschaften an ihn herausgeben. In der Folge änderte der Kläger sein Begehren zuletzt dahin, daß der Beklagte verpflichtet sei, in die Löschung seines Eigentumsrechtes an den genannten Liegenschaften einzuwilligen, in eventu, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers an diesen Liegenschaften einzuwilligen. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Eine übergabe des Hofes an den Kläger durch Josefine C sei nicht erfolgt, der Beklagte habe von einer allfälligen übergabe auch keine Kenntnis gehabt, im übrigen sei eine solche gemäß § 16 Tiroler Grundverkehrsgesetz von vornherein unwirksam, weil der Kläger als Landesbeamter an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken auch nicht außerbücherliches Eigentum erwerben könne. Tatsächlich habe der Kläger nur Aushilfsarbeiten auf dem Hofe verrichtet.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab, gab jedoch dem Eventualbegehren statt.

Das Berufungsgericht wies auch das Eventualbegehren - das Ersturteil war nur insoweit angefochten worden - ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Kläger eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Dem erstgerichtlichen Urteilsspruch liegt folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt zugrunde:

Am 10. Juli 1980 erklärte Josefine C dem Kläger, daß 'nun alles ihm gehöre, die Landwirtschaft und auch das Geld'. Diese Erklärung wiederholte sie in der Folge mehrfach gegenüber verschiedenen anderen Personen, wobei ihr Wille diesen Erklärungen entsprach. Die übergabsbedingungen waren von ihr im Detail mit dem Kläger besprochen worden und der Kläger hatte sich damit einverstanden erklärt. Die schriftliche Niederlegung 'der übergabe' sollte im Jänner 1981 erfolgen. Der Kläger hat bereits seit Jahren auf dem D gearbeitet, ohne daß er dafür je bezahlt worden wäre. Schon im Jahre 1978 hat Josefine C, nachdem ihr der D von ihrem Mann Lorenz C übergeben worden war, ein Testament zugunsten des Klägers errichtet. Ab Frühjahr 1980 hat der Kläger gemeinsam mit Verwandten und Bekannten fast alle Arbeiten auf dem D durchgeführt. Damals zeigte ihm das Ehepaar C die gesamten Liegenschaften, die zum Hofe gehörten, auch die Alm mit Ausnahme von zwei Grundparzellen. Diese zeigte Josefine C dem Kläger nach dem am 25. Juli 1980 erfolgten Tode ihres Mannes. Noch im Juli und anfangs August 1980 erklärte Josefine C deutlich, der Hof sei bereits an den Kläger übergeben. Im Laufe des August 1980

wurde sie in ihrem Willen schwankend und ließ vom Notar Dr. Zobl übergabsvarianten, welche eine Pflichtteilsabgeltung für die Tochter ihres verstorbenen Mannes enthielten, herstellen. Von der Punktation eines solchen übergabsvertrages erfuhr der Kläger durch Dr. Zobl im November 1980, worauf er diesem erklärte, er werde diese Zahlung wohl leisten müssen. Im übrigen wurde dem Kläger von den Willensschwankungen der Josefine C vorerst nichts bekannt. Er arbeitete weiterhin am Hofe, war Josefine C in Bankangelegenheiten und rechtlichen Dingen behilflich, verkaufte im Zusammenwirken mit ihr Vieh usw. Sie erklärte, daß sie gemeinsam mit ihm über das Geld verfüge, der Kläger ließ sie gewähren, 'weil sie dies ihr Leben lang so gemacht hatte, für ihn war das ein übergang'.

Am 23. Dezember 1980 schloß Josefine C mit dem Beklagten den eingangs genannten übergabsvertrag. In diesem verpflichtete sich der Beklagte als übernehmer gegenüber der übergeberin Josefine C zu verschiedenen, im einzelnen angeführten Leistungen, darunter auch zur Zahlung der Pflichtteilsforderung der Tochter des verstorbenen Ehegatten der übergeberin. Nach Punkt IV des übergabsvertrages trat der Beklagte mit dem Tage der Vertragsunterzeichnung in den 'rechtlichen Besitz und Genuß der übergabsliegenschaften'. Da im übergabsvertrag die Anführung der EZ 21 II KG Fritzens übersehen worden war, wurde diesbezüglich später (am 17. April 1981) eine Zusatzvereinbarung getroffen. Schon am 23. Dezember 1980 waren auch Ranganmerkungsgesuche verfaßt worden, die zu den Ranganmerkungen vom 8. Jänner 1981 bzw. 9. Jänner 1981 und hinsichtlich der letztgenannten Liegenschaft schließlich vom 21. Juli 1981 führten.

Spätestens am 23. Dezember 1980 hat Josefine C dem Beklagten mitgeteilt, daß der Kläger ab Frühjahr 1980 überwiegend 'den Hof bearbeitet' und bisher kein Entgelt bekommen habe.

Am 6. Jänner 1981 traf der Kläger in dem leerstehenden D - Josefine C war für einige Tage vom Beklagten zu sich nach Hause genommen worden - den Beklagten an. Dieser stellte sich ihm als Pächter des E vor, wobei er erklärte, die Hofübergabe an ihn sei im Gange. Der Kläger hat daraufhin nichts davon gesagt, daß der Hof bereits ihm übergeben worden sei. Auf diesen Umstand verwies er erst in einem Schreiben vom 8. Februar 1981. In diesem wünschte er dem Beklagten den besten Erfolg und teilte weiters mit, daß er die übergabe des Hofes durch Josefine C an den Beklagten ohne vorherige Absprache und ohne Einvernehmen mit ihm nicht erwartet habe, weil sowohl Lorenz C als auch Josefine C ihm, dem Kläger, den Hof 'mit allem Drum und Dran' nicht nur, wie ortsbekannt, zugesichert und außerbücherlich übergeben, sondern beide von ihm auch bereits beträchtliche Arbeitsleistungen und Barauslagen in Anspruch genommen hätten. Für den Fall, als der Beklagte zu seiner Erklärung vom 6. Jänner 1981 stehe und ihn mit einem entsprechenden Baugrund zufriedenstelle, werde er keinerlei Einsprüche erheben. Die an ihn ergangene schriftliche Aufforderung des Beklagten vom 31. Jänner 1981, er möge den Mistladewagen, den Traktor und diverse Kleingeräte des Hofes zurückstellen, beantwortete der Kläger in diesem Schreiben dahin, daß er an der Rückstellung derzeit verhindert sei, weil er keinen Schlüssel zum D besitze, ihm auch nicht geöffnet werde und er wegen der schlechten Traktorbereifung im Winter nicht zum Hof zufahren könne. Das in diesem Schreiben an den Beklagten erstellte Angebot zog der Kläger mit Schreiben vom 18. Februar 1981 zurück. Am 20. Februar 1981 brachte er gegen Josefine C zu 11 Cg 186/81 des Landesgerichtes Innsbruck eine Klage auf Zuhaltung des übergabsvertrages und Unterfertigung einer verbücherungsfähigen Urkunde ein, wobei er die Klagsanmerkung beantragte. Diese wurde bewilligt und in den einzelnen Einlagen am 27. Februar 1981 bzw. 3. Juni 1981 vollzogen. Der Beklagte erfuhr im März 1981 von dieser Klagsführung und den Behauptungen des Klägers. Josefine C hat in der Klagebeantwortung eine Hofübergabe an den Kläger bestritten. Die Grundbuchsgesuche zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten an den übergabsliegenschaften wurden am 22. Mai 1981 bzw. 26. Mai 1981 und hinsichtlich der von der Zusatzvereinbarung erfaßten Liegenschaft am 2. Oktober 1981 eingebracht, die Eigentumseinverleibung erfolgte sodann auf Grund der früheren Ranganmerkungen.

Nicht festgestellt werden konnte, ob Josefine C den Beklagten vor der Einbringung der Grundbuchsgesuche um Einverleibung seines Eigentumsrechtes davon Mitteilung machte, daß sie bereits mit dem Kläger einen mündlichen übergabsvertrag betreffend den D abgeschlossen und der Kläger den Hof auf Grund eines solchen Vertrages bereits in Besitz genommen habe. Ebensowenig, daß der Beklagte hievon schon vor dem Schreiben des Klägers vom 8. Februar 1981 aus anderen Quellen erfahren habe, und schließlich, daß der Kläger den Willen, den nach wie vor bei ihm befindlichen Traktor, den Miststreuer und die Motorsäge für sich zu behalten, aufgegeben habe.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß der Kläger ein obligatorisches Recht auf übergabe des E an ihn und auch den Besitz an diesem gehabt habe, weil ihm die Grenzen des Hofes gezeigt worden seien und er diesen sodann voll bewirtschaftet habe. Nach den getroffenen Feststellungen seien dem Beklagten noch vor Einverleibung des Eigentumsrechtes an den Liegenschaften die Behauptungen des Klägers über ein obligatorisches Recht auf übergabe des F und seinen Besitz bekannt gewesen. Bei Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte der Beklagte dieses obligatorische Recht des Klägers und dessen Besitz am D auch erkennen können. Bei der gegebenen Sachlage hätte der Beklagte die Verpflichtung gehabt, sich an Ort und Stelle näher zu erkundigen und den Kläger allenfalls aufzufordern, ihm Beweismittel für seine Behauptungen zu nennen. Zwar könne im Hinblick darauf, daß der Kläger gegen die in der Hofübernahme des Beklagten vom 6. Jänner 1981 gelegene Besitzstörung nichts unternommen habe, nicht mehr von einem ruhigen Besitz des Klägers gesprochen werden. Dieser habe jedoch den Besitzwillen nicht aufgegeben und darüberhinaus zumindest einen Teil des Zubehörs des Hofes auch weiterhin in Besitz behalten. Unter diesen Umständen sei der Kläger im Sinne der Judikatur berechtigt, aus dem Titel des Schadenersatzes die übertragung des Eigentumsrechtes an den Liegenschaften des E vom Beklagten zu begehren. Ob eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines solchen Eigentumserwerbes durch den Kläger zu erwarten sei, könne dahingestellt bleiben, weil der Beklagte jedenfalls zivilrechtlich verpflichtet sei, seine Einwilligung zum Eigentumserwerb des Klägers zu geben. Demnach sei nicht das Hauptbegehren, wohl aber das Eventualbegehren berechtigt. Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung des Beklagten und hielt dessen Verfahrensrüge nicht für gerechtfertigt, die Behandlung seiner Beweisrüge aber nicht für erforderlich, weil die Rechtsrüge bereits auf der gegebenen Feststellungsgrundlage zum Erfolg führe. Die in der Berufungsbeantwortung des Klägers bekämpften erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen erachtete es als unbedenklich. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus:

Im Bereiche der Herrschaft des Eintragungsgrundsatzes (§ 431 ABGB), dessen normierte Ausnahmen hier nicht vorlägen, vermöge die bloße übergabe des Grundstückes nicht den übergang des Eigentums zu bewirken. Bei der Beurteilung der Doppelveräußerung von Liegenschaften folge die neuere Rechtsprechung dem von Schilcher-Holzer (JBl 1974, 455 ff und 512 ff) in Fortentwicklung der Lehre Koziols von der Verleitung zum Vertragsbruch (Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte 120 ff) aufgegriffenen Gedanken von der Funktion des Besitzes als Ausdrucksmittels der typischen Erkennbarkeit von Forderungsrechten, nach dem dem Ersterwerber einer Liegenschaft gegenüber dem Zweiterwerber ein Schadenersatzanspruch nach § 1323 ABGB mit dem Ziel auf übergabe der gekauften Liegenschaft gewährt werden könne. Mit diesem Begehren vermöge der Ersterwerber aber nur dann durchzudringen, wenn sein durch seinen Besitz verstärktes Forderungsrecht für den Zweiterwerber der Liegenschaft deutlich erkennbar gewesen sei. In diesem Falle genüge zur Durchsetzung des schadenersatzrechtlichen Restitutionsanspruches des Ersterwerbers bereits, daß sein Gegner seine obligatorische Position gekannt habe oder bei gehöriger Aufmerksamkeit habe kennen müssen (JBl 1977, 257; EvBl 1981/156; JBl 1981/535 = EvBl 1981/144; vgl. Spielbüchler in Rummel, Rdz 11 zu § 431 ABGB). Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, daß der Erwerber einer Liegenschaft, dem der Veräußerer einen wenn auch unrichtigen, so doch plausiblen Rechtsgrund für die Benützung eines Grundstückes durch einen Dritten angebe, nicht verpflichtet sei, den Erklärungen des Veräußerers zu mißtrauen und weitere Auskünfte, insbesondere bei dem, der das Grundstück tatsächlich benütze, einzuholen (EvBl 1981/156). Bei Verletzung eines nicht durch den Besitz erkennbaren, bloß obligatorischen Forderungsrechtes sei hingegen ein schadenersatzrechtlicher Restitutionsanspruch des ersten Erwerbers gegen den Zweiterwerber nur dann gegeben, wenn dieser den Leistungswillen des Vertragspartners des Ersterwerbers zu seinen Gunsten beeinflußt, ihn also zum Vertragsbruch verleitet oder in arglistiger Weise im Zusammenspiel mit den Vertragsparteien bewußt zum Nachteil des Ersterwerbers gehandelt habe (JBl 1981, 535; EvBl 1976/176; NZ 1980, 78). Der gute Glaube des Zweiterwerbers müsse allerdings noch im Zeitpunkte der überreichung des Grundbuchsgesuches vorhanden sein (NZ 1980, 78 unter Ablehnung der Lehrmeinungen von Leeb in NZ 1973, 35 und von Schilcher-Holzer, JBl 1974, 515 f, 520; vgl. RZ 1968, 178). Der Besitz des Ersterwerbers gewinne somit die Funktion eines Instruments der 'typischen Erkennbarkeit' von Forderungsrechten. Er genieße nicht als ein Institut des Sachenrechts Beachtung, sondern als ein 'Alarmsignal' auf ein möglicherweise schutzwürdiges Recht (Schilcher-Holzer, JBl 1974, 454, 519). Daraus folge, daß dem Ersterwerber nur ein solcher Besitz zu nützen vermöge, der typisch für eine Eigentumsausübung und dem Zweiterwerber bekannt gewesen sei oder bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt habe sein müssen (vgl. JBl 1977, 257; EvBl 1981/156; JBl 1981, 535).

Hievon könne vorliegendenfalls nach Auffassung des Berufungsgerichtes aber nicht gesprochen werden. Nach den Unterstellungen des Erstgerichtes könnten dem Beklagten bezüglich seines Wissensstandes bis zur überreichung seiner Grundbuchsgesuche nur der Inhalt des Schreibens des Klägers vom 8. Februar 1981, die ihm von Josefine C etwa im März 1981 zur Kenntnis gebrachten Behauptungen des Klägers im Verfahren 11 Cg 186/81 des Landesgerichtes Innsbruck, seine Wahrnehmungen beim Besuch des E am 6. Jänner 1981 sowie seine Kenntnis des Antwortschreibens des Klagsvertreters vom 22. April 1981 auf die Schreiben des Rechtsvertreters der Josefine C vom 3. April 1981

und 15. April 1981 (wobei der Zeitpunkt der Kenntnisnahme nicht feststehe) entgegengehalten werden. Aus all dem habe der Beklagte aber keinen Besitz des Klägers an den Liegenschaften des E, insbesondere keinen solchen, wie ihn ein Eigentümer auszuüben pflege, erschließen können. Aber auch davon, daß dem Beklagten in der Zeit bis zur überreichung der Grundbuchsgesuche Umstände bekannt gewesen seien, die ein dem Kläger zustehendes Forderungsrecht auf übertragung der Liegenschaften deutlich erkennen ließen, könne im Hinblick auf die bloßen, durch nichts belegten und von der Prozeßgegnerin Josefine C bestrittenen Behauptungen des Klägers nicht gesprochen werden. Selbst wenn also die vom Berufungswerber bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes über einen zwischen Josefine C und dem Kläger am 10. Juli 1980

mündlich abgeschlossenen übergabsvertrag und über eine erfolgte Besitzeinräumung richtig seien, was dahin gestellt bleiben könne, sei ein verschuldeter Eingriff des Beklagten in Forderungsrechte des Klägers und ein damit auf die übergabe der Liegenschaft gerichteter Schadenersatzanspruch des Klägers nach den dargelegten Kriterien jedenfalls zu verneinen.

In der Revision wird nach Darstellung der bereits vom Berufungsgericht zitierten Lehre und neueren Judikatur die Ansicht vertreten, die Anwendung der hierin entwickelten Grundsätze müßte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes zur Bejahung des Klagsanspruches führen. Der Kläger habe ohne Bezahlung seit Jahren am D gearbeitet und Josefine C habe ihm diesen mündlich übergeben, sodaß er ein obligatorisches Recht auf übertragung erworben habe. Der Kläger habe in der Folge den D bewirtschaftet und somit an diesem auch Besitz erworben und ausgeübt. Durch den zwischen Josefine C und dem Beklagten erfolgten Abschluß des übergabsvertrages vom 23. Dezember 1980 und die nachfolgende bücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten an den Liegenschaften des E habe der Beklagte in den obligatorischen Anspruch des Klägers auf übertragung dieser Liegenschaften an ihn eingegriffen. Dieser Eingriff sei im Hinblick auf die schriftliche Bekanntgabe seines obligatorischen Rechtes auf übertragung durch den Kläger an den Beklagten vom 8. Februar 1981, die Klagsanmerkungen und die Mitteilungen der Josefine C vom März 1981 schuldhaft und vorwerfbar gewesen, zumal diesbezüglich nach der Judikatur auf den Zeitpunkt der Erwirkung der bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten abzustellen sei.

Auch wenn Josefine C in dem vom Kläger gegen sie geführten Verfahren die Klagsbehauptungen bestritten habe, könne somit von einem guten Glauben des Beklagten nicht mehr die Rede sein. Da dieser noch im Zeitpunkt der überreichung der Grundbuchsgesuche vorliegen müsse, sei die Entscheidung des Erstgerichtes wieder herzustellen. Dasselbe gelte aber auch, wenn man mit Schilcher-Holzer der Auffassung sei, der Schuldvorwurf müsse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des Zweiterwerbers erhoben werden können. In diesem Falle sei nämlich davon auszugehen, daß der Besitz des Klägers für den Beklagten ein Alarmsignal hätte sein müssen. Da der Kläger den D jedenfalls bis zum 23. Dezember 1980

praktisch voll bewirtschaftet und damit erkennbare Besitzausübungshandlungen gesetzt habe, hätte der Beklagte bei gehöriger und pflichtgemäßer Aufmerksamkeit dies wahrnehmen und sich fragen müssen, ob diese Bewirtschaftung einen rechtlichen Hintergrund haben könne. Eine solche Erkundigung vor Vertragsabschluß sei aber nicht erfolgt. Der geltend gemachte Restitutionsanspruch des Klägers sei daher jedenfalls begründet. Den Revisionsausführungen kann nicht gefolgt werden. In übereinstimmung mit dem Berufungsgericht geht die Revision grundsätzlich zutreffend von der neueren Lehre und Rechtssprechung zur Frage des Schutzes des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung von Liegenschaften aus. Während der Oberste Gerichtshof im Einklang mit einem Teil der Lehre zunächst regelmäßig auf den Eintragungsgrundsatz (§ 431 ABGB: Zur übertragung des Eingentums unbeweglicher Sachen muß das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. § 440 ABGB: Hat der Eigentümer eben dieselbe unbewegliche Sache zwei verschiedenen Personen überlassen, so fällt sie derjenigen zu, welche früher die Einverleibung angesucht hat.) abgestellt hatte (Spruch 59 alt), in der Folge unter Bezugnahme auf das Vertrauensprinzip und im Anschluß an die Lehre Klangs (Klang in Klang 2 II 358) jedoch den Ersterwerber, an den die Liegenschaft bereits übergeben war, dann doch für schutzwürdig erachtete und ihm das Eigentum zuerkannte, wenn der Zweiterwerber in fahrlässiger Unkenntnis dieser übergabe bücherliches Eigentum erworben hatte, wird nunmehr wieder vom Eintragungsgrundsatz ausgegangen. Dabei wird jedoch im Anschluß an die ihrerseits an die Theorie Koziols über die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte anknüpfenden Darlegungen von Schilcher-Holzer (JBl 1974, 445 ff., 512 ff.) dem Erstwerber gegenüber dem Zweiterwerber nicht nur bei Vorliegen einer Schädigungsabsicht des Zweiterwerbers bzw. einer arglistigen Kollusion, sondern grundsätzlich auch ein auf Naturalrestitution im Sinne des § 1323 ABGB gerichteter Schadenersatzanspruch unter der Voraussetzung gewährt, daß der Ersterwerber an der überlassenen Liegenschaft bereits Besitz erworben hatte und sein durch diesen Besitz verstärktes Forderungsrecht für den Zweiterwerber deutlich erkennbar war. Diesem Standpunkt liegt die Auffassung zugrunde, daß ein Schuldverhältnis, das nach außen hin, also für jedermann, erkennbar ist, ähnlich wie andere Rechtsgüter, z.B. das Eigentum, schutzwürdiger erscheint und daher auch gegenüber dem Dritten, für den es offenkundig ist, durchaus geschützt werden soll. In einem solchen Falle wird es bereits als genügend angesehen, daß der Gegner des Ersterwerbers dessen obligatorische Position kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen mußte (JBl 1977, 257; JBl 1981, 535; EvBl 1981/156; 1 Ob 763/80; 3 Ob 514/83; 8 Ob 567/82; 2 Ob 538/83; JBl 1984, 439 = EvBl 1984/54; SZ 56/125). Was den für den Zweiterwerber erkennbaren Besitz des Ersterwerbers anlangt, wurde unter Bezugnahme auf Schilcher-Holzer (JBl 1974, 454) bereits in der Entscheidung SZ 56/125 und ebenso in der Entscheidung des erkennenden Senates 2 Ob 538/83 ausgeführt, daß es zur Sorgfaltspflicht eines Liegenschaftserwerbes gehört, die Liegenschaft in Matura zu besichtigen und sich solcherart über die Besitzverhältnisse zu informieren, sich aber nur derjenige, der dabei sieht, daß das Grundstück, welches er erwerben will, schon von einem Dritten bewohnt oder benützt wird, fragen muß, ob dieses Wohnen oder Benutzen nicht einen rechtlichen Hintergrund haben könnte. Denn nur in einem solchen Falle wird die allenfalls dahinterstehende Forderung 'sozialtypisch erkennbar' und kann daher auch ohne die sonst für einen Schadenersatzanspruch gegen den bücherlichen Eigentümer geforderte Schädigungsabsicht oder arglistige Kollusion zu einem über das Schadenersatzrecht zu schützenden Rechtsgut werden (Schilcher-Holzer, JBl 1974, 513). Sonst gilt eben der Grundsatz, daß derjenige Eigentümer wird und bleibt, der früher um die Einverleibung seines Eigentums angesucht hat (§ 440 ABGB).

Die von der Revision aus diesen Grundsätzen für den vorliegenden Fall gezogenen rechtlichen Folgerungen erweisen sich auf der für den Obersten Gerichtshof bindenden unterinstanzlichen Feststellungsgrundlage als nicht zutreffend. Der Revisionswerber unterstellt hierin, daß er für den Beklagten erkennbare Besitzausübungshandlungen gesetzt habe. Eine solche Erkennbarkeit muß jedoch verneint werden. Nach den Feststellungen war Josefine C bis zum 23. Dezember 1980 auf dem D selbst anwesend und auch sodann nur kurzfristig von diesem abwesend, weil sie der Beklagte vorübergehend zu sich genommen hatte. Dem Beklagten war lediglich bekannt, daß der Kläger zunächst gelegentlich auf dem Hofe gearbeitet und seit dem Frühjahr 1980 diesen 'überwiegend bearbeitet', bisher jedoch noch kein Entgelt bekommen hatte. Josefine C war zudem vom Hofe nicht weggezogen. Daß der Kläger auf dem Hofe arbeitete, mußte durchaus nicht auf dessen Besitzausübung schließen lassen. Beim Zusammentreffen der Streitteile auf dem D am 6. Jänner 1981 stellte sich der Beklagte dem Kläger als Pächter des Hofes vor und erklärte, daß die Hofübergabe an ihn im Gange sei. Auch aus der Anwesenheit des Klägers am Hof bei diesem Anlaß war für den Beklagten eine Besitzausübung nicht erkennbar, und zwar umsoweniger, als der Kläger auf die eindeutigen Erklärungen des Beklagten festgestelltermaßen keinerlei öußerung abgab, aus welcher Anhaltspunkte für einen Besitz des Klägers am Schindlhof oder gar dafür zu gewinnen gewesen wären, daß ihm dieser Hof von Josefine C übergeben worden sei. Daß der Kläger damals für einen Besitz typische Handlungen gesetzt hätte, wurde auch gar nicht behauptet. Der Kläger gab in seiner Parteienvernehmung an (AS 207), er habe damals Frau C etwas zu essen bringen wollen.

Für den Beklagten war somit anläßlich seines Besuches des ihm mit übergabsvertrag vom 23. Dezember 1980 von Josefine C übergebenen E nicht erkennbar, daß dort jemand anderer als Josefine C selbst, insbesondere der Kläger, Besitzrechte ausübe. Er mußte daher nicht einen Besitzstand des Klägers annehmen.

Nach dem 6. Jänner 1981 war der Kläger aber nicht mehr auf dem Hofe - er hatte mangels Schlüssels auch keine Zutrittsmöglichkeit -, sodaß eine für jedermann erkennbare Ausübung von Besitzrechten seinerseits an diesem Hof unter den gegebenen Umständen nicht vorlag.

Demnach ist aber im Sinne der zutreffenden berufungsgerichtlichen Rechtsansicht davon auszugehen, daß einem Forderungsrecht des Klägers auf übertragung des E an ihn die von der Lehre und Rechtsprechung für einen schadenersatzrechtlichen Restitutionsanspruch geforderte Verstärkung durch den bereits gegebenen, deutlich erkennbaren Besitz der überlassenen Grundstücke nicht zukommt.

Der ungerechtfertigten Revision war somit ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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