Spruch:
Der Nichtigkeitsbescherde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch von der Anklage des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. aufgehoben und im Umfang dieser Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
Miodrag A ist schuldig, im März 1980 in Fulpmes (etwa fünfmal) mit einer unmündigen Person, nämlich der am 13. Oktober 1966 geborenen Slavika B, den außerehelichen Beischlaf unternommen zu haben. Hiedurch hat er das Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. begangen und wird nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 41 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten sowie gemäß §§ 389 und 390 a StPO. zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens beider Instanzen verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bedingt nachgesehen.
Text
Gründe:
Der am 27. März 1960 geborene Kraftfahrzeugmechanikergeselle Miodrag A wurde von der Anklage, in Fulpmes im März 1980
fünfmal mit der am 13. Oktober 1966 geborenen, somit unmündigen Slavika B den außerehelichen Beischlaf unternommen und hiedurch das Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Dies mit der Begründung, daß der Angeklagte zwar tatsächlich fünfmal mit der damals unmündigen Slavika B geschlechtlich verkehrt habe und ihm auch ihr Alter bekannt gewesen sei, ihm aber ein nicht vorwerfbarer und somit schuldausschließender Rechtsirrtum in der Bedeutung des § 9 Abs. 1 StGB. zuzubilligen sei, weil er - sinngemäß zusammengefaßt - nach seiner Herkunft und seinen Lebensverhältnissen die ihm angelastete geschlechtliche Beziehung zu einer Unmündigen für erlaubt halten durfte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt:
Der - wie einleitend erwähnt, zur Tatzeit 20-jährige - Angeklagte entstammt nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen einer jugoslawischen Zigeunersippe, besuchte in Jugoslawien die Volksschule und kam im Alter von zehn Jahren nach Österreich, wo er bei seinem Großvater aufwuchs und zuerst eine Sonderschule und dann im Zusammenhang mit einer Kraftfahrzeugmechanikerlehre die Berufsschule besuchte. Ihm war bekannt, daß bei den Zigeunern die Duldung eines Geschlechtsverkehrs mit einem Mädchen durch die beteiligten Familien allein von der tatsächlichen körperlichen Reife des Mädchens abhängt, und er nahm - den Tatsachen entsprechend - an, die Tante des Mädchens, bei der dieses wohnte, wie auch dessen in Deutschland lebende Mutter wüßten von der Verbindung und hätten nichts dagegen einzuwenden.
Ausgehend von diesem Sachverhalt kann aber der (bereits angeführten) Rechtsansicht des Erstgerichts nicht beigepflichtet werden: Von einem Ausländer, der sich bereits zehn Jahre in Österreich aufhält, muß im Sinn des § 9 Abs. 2 StGB. (den Umständen nach) gefordert werden, daß er, wenn er sexuelle Kontakte pflegt, sich die Kenntnis der im Gastland bestehenden Verbote verschafft, sofern im Einzelfall nicht die Annahme Platz greift, daß er durch die vielfachen Kontakte mit Österreichern (etwa in Schule und Lehre) erfahren hat, welchen Standpunkt die österreichische Rechtsordnung zur Frage des Geschlechtsverkehrs mit Unmündigen einnimmt. Unterläßt er diese ihm 'nach den Umständen' (geschlechtliche Beziehungen) obliegende Erkundigung, dann ist ihm ein allfälliger Rechtsirrtum vorwerfbar und vermag ihn zufolge § 9 Abs. 2 StGB. nicht zu entschuldigen (vgl. dazu u.a. 9 Os 149/75 = EvBl. 1976/185; 13 Os 113/77 = EvBl. 1978/46, welche auch zur vorzitierten Entscheidung Stellung nimmt; 13 Os 24/79 = ÖJZ-LSK. 1979/204 = EvBl. 1979/194 = RZ. 1979/62). Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde mit einem Schuldspruch wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. vorzugehen.
Bei der sohin vorzunehmenden Strafbemessung erachtete der Oberste Gerichtshof die Wiederholung des Delikts als erschwerend, hingegen das volle Geständnis des Angeklagten, seinen bisherigen ordentlichen Lebenswandel, die besonders verlockende Gelegenheit, die ihm nicht nur vom Opfer, sondern auch von dessen Familie geboten wurde, sowie den Umstand, daß der Angeklagte die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat, als mildernd. Da die Milderungsgründe die Erschwerungsumstände beträchtlich überwiegen und mit Rücksicht auf den bisher einwandfreien Lebenswandel des Angeklagten die begründete Aussicht besteht, daß der Genannte auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, kann die außerordentliche Strafmilderung gemäß § 41 Abs. 1 Z. 4 StGB. gewährt werden. Auf der Basis der angeführten Strafzumessungsgründe und der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Bestimmungen (§ 32 StGB.) erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten für angemessen.
Der Oberste Gerichtshof ist der Meinung, daß das straffreie Vorleben des Angeklagten sein mehrjähriges Wohlverhalten (auch) nach der Tat und der Grad seiner Schuld die Gewährung der bedingten Strafnachsicht erlauben, zumal im vorliegenden Fall auch spezial- und generalpräventive Erwägungen nicht gegen diese Maßnahme sprechen. Da sich der Angeklagte der Strafverfolgung keineswegs durch Flucht entzogen hat und ordnungsgemäß angemeldet in der Bundesrepublik Deutschland lebt, konnte das lange Zurückliegen der Tat auch bei Bestimmung der Probezeit berücksichtigt werden. Die Verhängung einer Geldstrafe an Stelle der sechsmonatigen Freiheitsstrafe ist schon deshalb unmöglich, weil die (hier) von § 37 Abs. 2 StGB. geforderten besonderen Gründe, welche der Generalprävention Genüge tun können, nicht gegeben sind.
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