OGH 13Os24/79

OGH13Os24/7929.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.März 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stanko A wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 7.Dezember 1978, GZ 1 c Vr 8.583/78-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mayer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 Abs 1 Z 5 StGB auf 3 (drei) Monate herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO hat der Angeklagte auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Februar 1939 geborene jugoslawische Staatsbürger Stanko A des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer - bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe verurteilt.

Inhaltlich des Urteilsspruchs hatte er am 24.August 1978 in Wien mit dem am 5.Juni 1961 geborenen Jugendlichen Peter B durch Vornahme des Handverkehrs gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben. Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil im Schuldspruch mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9

lit. a und b (sachlich nur Z 9 lit. b) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch mit Berufung.

In der Nichtigkeitsbeschwerde macht er geltend, daß er das Unrecht der ihm angelasteten Tat wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennen konnte, weil er aus einem anderen Kulturkreis mit ganz anderen Rechtsvorstellungen stamme, wozu das angefochtene Urteil jedoch keinerlei Feststellungen treffe.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Nicht schuldhaft im Sinn des § 9 Abs 1 StGB handelt ein Täter nur dann, wenn ihm das Unrecht der Tat durch einen - nicht vorwerfbaren - Rechtsirrtum verhüllt ist.

Weiß er hingegen auch nur ganz allgemein um das rechtliche Verbotensein seines Verhaltens oder hat er sogar lediglich unsichere Vorstellungen vom Unrecht seiner Tat (ohne genau zu wissen, ob sie noch Recht oder bereits Unrecht ist) und handelt er mit solch laienhaftem oder - die bloße Möglichkeit, Unrecht zu tun, bedenkend und sich damit abfindend - bedingtem Unrechtsbewußtsein dennoch, dann liegt kein Rechtsirrtum vor (ÖJZ-LSK 1976/261 u.a.). In diesem Fall ist daher auch eine Prüfung der Vorwerfbarkeit des Rechtsirrtums, also der Frage, ob das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war, oder ob er sich mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt machte, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre, nicht erforderlich.

Vorliegend bekannte sich der Angeklagte, ohne etwa zu behaupten, seine Handlungsweise für rechtlich erlaubt gehalten zu haben, in der Hauptverhandlung nach Verlesung der Anklageschrift schuldig (vgl. S 35). Entgegen den Beschwerdebehauptungen berief er sich insbesondere auch nicht auf eine von der inländischen Regelung - insoweit - abweichende Gesetzeslage in Jugoslawien, sondern erklärte lediglich, nicht darüber informiert zu sein, wie die gleichgeschlechtliche Unzucht in Jugoslawien behandelt wird (vgl. S 37). Da damit davon auszugehen war, daß der Angeklagte zumindest allgemein um das rechtliche Verbotensein des inkriminierten Verhaltens wußte, zumal von einer seit jeher nichtheterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft seines Heimatlandes nicht gesprochen werden kann, bestand für das Erstgericht gar kein Anlaß, im Urteil die Frage eines allfälligen Rechtsirrtums überhaupt aufzuwerfen und hiezu die von der Beschwerde vermißten Feststellungen zu treffen, zumal bei erwachsenen und schuldfähigen Tätern die Verbotskenntnis in der Regel zu vermuten ist (vgl. ÖJZ-LSK 1976/261).

Im übrigen könnte dem Angeklagten der Schuldausschließungsgrund des § 9 Abs 1 StGB selbst dann nicht zugute kommen, wenn er das Unrecht seiner Tat tatsächlich wegen eines Rechtsirrtums nicht erkannt hätte. Seinen eigenen Angaben in der Nichtigkeitsbeschwerde zufolge hält er sich nämlich immerhin bereits seit 1974 in Österreich auf. Bei dieser langen Aufenthaltsdauer durfte er keinesfalls in Verhältnissen verharren, die ihm eine Teilnahme am allgemeinen (österreichischen) Rechtsbewußtsein verwehren konnten (vgl. Erl. Bem. zu RV des StGB, 30 der Beil. Zd.

sten. Prot. des NR, XIII GP, S 72). Vielmehr wäre er nach Lage des Falls gerade als Ausländer längst verpflichtet gewesen, (auch) die das Sexualverhalten im Gastland betreffenden Verbote zu ergründen und sich im Sinn des § 9 Abs 2

StGB jedenfalls mit dem Kern der einschlägigen Vorschriften bekannt zu machen.

Da dem Angeklagten ein allfälliger Rechtsirrtum mithin vorgeworfen werden müßte, war die auch unter diesem Gesichtspunkt unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Landesgericht verurteilte den Angeklagten gemäß dem (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsehenden) Strafsatz des § 209 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten.

Zugleich wurde diese Strafe gemäß dem § 43 Abs 1

StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig

nachgesehen.

Bei der Strafbemessung war erschwerend kein Umstand; als mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten gewertet.

Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung lediglich eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Abgesehen davon, daß hier jedenfalls ein Teilgeständnis des Angeklagten als zusätzlicher Milderungsumstand hinzutritt, wurden die gegebenen Strafzumessungsgründe bereits in erster Instanz im wesentlichen zutreffend festgestellt, aber nicht richtig gewürdigt:

Der Oberste Gerichtshof gelangte in sorgfältiger Prüfung und Wägung der Strafzumessungsgründe zur Auffassung, daß angesichts der überwiegenden Milderungsgründe Aussicht besteht, der Täter werde auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen, weshalb die Voraussetzungen einer außerordentlichen Strafmilderung im Sinn des § 41 Abs 1 Z 5 StGB vorliegen. Demgemäß war die Freiheitsstrafe in Anwendung dieser zitierten Norm auf das im Spruch ersichtliche, dem Unrechtsgehalt der Verfehlung und dem Verschuldensgrad des Angeklagten entsprechende Maß herabzusetzen.

Aus diesen Erwägungen war der Berufung im dargelegten Sinn Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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