OGH 9Os64/85

OGH9Os64/855.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Juni 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Volker A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7.März 1985, GZ. 12 Vr 2842/84-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Martin Riedl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 45-jährige Polizeibeamte (Revierinspektor) Volker A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er im Dezember 1983 und Jänner 1984 in Graz als Beamter der Bundespolizeidirektion Graz mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Durchführung eines korrekten Strafvollzuges im Verwaltungsstrafverfahren zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht hat, daß er 'illegalen Bargeldbesitz von Strafgefangenen duldete, mit Strafgefangenen Bargeschäfte abschloß, ihnen Getränke, darunter auch solche alkoholischer Art verkaufte, Strafgefangenen deren Effekten während der Haft ausfolgte und mit ihnen gegen Einsatz von Bargeld oder Zigaretten Karten spielte'.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Einen Verfahrensmangel (Z. 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrags, diese zu unterbrechen und an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 B-VG. einen Antrag auf 'Aufhebung der keine Verwaltungsverordnung darstellenden Dienstvorschrift für das Polizeigefängnis, insbesondere der Punkte 11, 12 und 25, als gesetzes- und verfassungswidrig' zu stellen (vgl. S. 229 bis 231). Dies indes zu Unrecht. Denn abgesehen davon, daß im vorliegenden Fall das Gesetz dem Angeklagten ein Recht auf Antragstellung zwecks Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung versagt (vgl. Art. 89 Abs. 2 sowie Art. 139 Abs. 1 letzter Satz B-VG.) und dieses nicht auf dem Umweg eines Zwischenerkenntnisses gemäß § 238 StPO. (und damit des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.) zur Geltung gebracht werden kann, kann sich der Angeklagte im gegebenen Zusammenhang schon deshalb nicht für beschwert erachten, weil die von ihm als gesetzwidrig erachtete Dienstvorschrift - wie noch zu erörtern sein wird - für die Beurteilung seines Verhaltens gar nicht entscheidend ist; ergibt sich doch das konkrete staatliche Recht, dessen Schädigung ihm angelastet wird, nicht (erst) aus dieser Dienstvorschrift, sondern bereits aus den Bestimmungen des § 12 Abs. 6 und 7 VStG., deren Verfassungsmäßigkeit die Beschwerde aber gar nicht bestreitet. Nicht zielführend ist desweiteren der im Rahmen der Mängelrüge (Z. 5) erhobene Beschwerdeeinwand, dem angefochtenen Urteil sei nicht zu entnehmen, wieviele Flaschen Bier der Angeklagte den Häftlingen tatsächlich verkauft habe. Denn zum einen ist den Urteilsgründen ohnedies mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß das Erstgericht - insoweit gestützt auf die eigene Verantwortung des Angeklagten (vgl. S. 65 und S. 227 f.) - lediglich den (flaschenweise nacheinander) erfolgten (bzw. in einem Fall beabsichtigten) Verkauf einiger weniger Flaschen Bier angenommen hat (S. 241), und zum anderen läßt sich aus der Bestimmung des § 12 Abs. 6 VStG., wonach sich Personen, die eine Arreststrafe verbüßen, selbst verköstigen dürfen, keineswegs auch deren Recht auf Alkoholgenuß ableiten.

Zu den wesentlichen Kriterien des Vollzugs von Freiheitsstrafen gehört vielmehr nicht nur im strafgerichtlichen, sondern - wie sich insbesondere aus den Bestimmungen der §§ 12 Abs. 6 und 7 sowie 63 VStG. ergibt - auch im verwaltungsstrafbehördlichen Bereich die Abschließung des Häftlings von der Außenwelt und die Beschränkung seiner Lebensführung, wobei die Vollzugszwecke (insbes. Spezialprävention; Aufzeigen des Unwertes des der Bestrafung zugrundeliegenden Verhaltens) naturgemäß nur bei Aufrechterhaltung der (Sicherheit und) Ordnung in den betreffenden Haftlokalen, Vollzugsanstalten und Gefangenenhäusern erreicht werden können (vgl. JBl. 1980, 385). Gerade diese Sicherheit und Ordnung, aber auch die im Hinblick auf die Vollzugszwecke gebotene Beschränkung der Lebensführung der Häftlinge haben durch die Vorgangsweise des Angeklagten - dessen Tathandlungen nicht isoliert beurteilt werden dürfen, sondern in ihrer den Zwecken des Strafvollzuges zuwiderlaufenden Gesamtheit gesehen werden müssen - eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Hat doch der Angeklagte den von ihm zu beaufsichtigenden Häftlingen nicht nur (wenn auch im beschränkten Ausmaß) alkoholische Getränke verkauft (vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder StGB. 2 ENr. 77 zu § 302), sondern ihnen nach den Urteilsannahmen auch den Besitz von Bargeld ermöglicht, sie vor allem wiederholt aus ihren Zellen geholt und mit ihnen (in anderen, leerstehenden Zellen oft bis in die Morgenstunden) Karten gespielt, ihnen hiedurch die Strafverbüßung in einer den Zielsetzungen und Aufgaben des Freiheitsstrafvollzugs inadäquaten Weise fühlbar erleichtert und solcherart wesentliche Zwecke der Verwaltungsstrafhaft vereitelt (vgl. hiezu auch Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 302 RN. 33 k und l sowie Mayerhofer-Rieder a.a.O. ENr. 73 ff. zu § 302). Demgegenüber kann der vom Beschwerdeführer in Ausführung der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) vertretenen Ansicht nicht gefolgt werden, daß es im vorliegenden Fall an einem konkreten staatlichen Recht (das vom Angeklagten geschädigt werden konnte) fehle, weil sich Verwaltungsstrafhäftlinge (die auch ihre eigenen Kleider tragen) selbst verköstigen und angemessen beschäftigen dürfen (§ 12 Abs. 6 VStG.), woraus geschlossen werden müsse, daß der Gesetzgeber bei solchen Häftlingen außer dem bloßen Freiheitsentzug keine weiteren Beschränkungen der Lebensführung verfolgen wollte. Die Beschränkungen der Lebensführung sind zwar nach der zuletzt zitierten Bestimmung geringer (als beim Vollzug der von den Strafgerichten verhängten Freiheitsstrafen), davon abgesehen aber auch im Bereich des Vollzuges von Freiheitsstrafen im verwaltungsbehördlichen Bereich durchaus essentiell (vgl. erneut die auch in der Beschwerde zitierte Entscheidung 9 Os 84/79, veröffentlicht in JBl. 1980, 385). Lassen doch die den Strafvollzug betreffenden Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes - teleologisch interpretiert - keinen Zweifel daran, daß auch der Verwaltungsstrafvollzug (ebenso wie der Vollzug der von den Gerichten verhängten Freiheitsstrafen) seinem Wesen nach vom Sühne- und Besserungscharakter geprägt ist, sodaß pflichtwidrige, den Arrestanten fühlbar begünstigende Verhaltensweisen von Vollzugsbediensteten - wie sie vorliegend vom Gericht konstatiert (und vom Beschwerdeführer auch gar nicht in Abrede gestellt) wurden - ein konkretes Recht des Staates verletzen, weil sie die Durchführung eines wesentlichen Zweckes der Verwaltungsstrafhaft vereiteln oder doch in einer der Vereitelung gleichzuhaltenden Weise beeinträchtigen und damit den Strafvollzug des Sühne- und Besserungscharakters entkleiden (vgl. abermals Mayerhofer-Rieder a. a.O. ENr. 73 zu § 302).

Da dem Schuldspruch sohin - den Beschwerdeausführungen zuwider - auch ein Rechtsirrtum nicht anhaftet, war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 302 Abs. 1 StGB. zu sechs Monaten Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es als erschwerend die wiederholte Begehung der Tathandlungen während eines längeren Zeitraums gegenüber verschiedenen und mehreren Personen, als mildernd hingegen das Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Insoweit der Angeklagte ins Treffen führt, es hätte zu seinen Gunsten noch berücksichtigt werden sollen, daß er sich zur Begünstigung der Häftlinge ausschließlich aus Gutmütigkeit habe hinreißen lassen und daß hiedurch ein ins Gewicht fallender Nachteil staatlicher Interessen nicht bewirkt wurde, übersieht er, daß geschütztes Rechtsgut des in Rede stehenden Verbrechens die Ordnungsgemäßheit und Sauberkeit der gesamten staatlichen Verwaltung und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Objektivität und Integrität der Beamten bei ihrer Amtsführung ist. Es kann aber vorliegend auch von einer (als mildernd zu wertenden) 'übermäßigen Dauer' des Strafverfahrens nicht die Rede sein. Ebensowenig können die mit dieser Verurteilung im Zusammenhang stehenden dienstrechtlichen Maßnahmen bei der Strafbemessung Berücksichtigung finden.

Das Erstgericht hat demnach die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt, aber auch zutreffend gewürdigt. Bei der Gewichtung der Schuld des Angeklagten darf nicht übersehen werden, daß die inkriminierten Tathandlungen mit Beziehung auf mehrere Strafgefangene mehrmals wiederholt wurden. Darin manifestiert sich aber ein nachhaltiger Mangel des Berufungswerbers an Verbundenheit mit jenen rechtlich geschützten Werten, deren Beachtung ihm bei Ausübung seines Berufs als Polizeibeamter besonders angelegen sein mußte.

Da das Schöffengericht die Freiheitsstrafe mit sechs Monaten an der gesetzlichen Strafuntergrenze des § 302 Abs. 1 StGB. festgesetzt hat, würde die vom Angeklagten begehrte Strafherabsetzung die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB.) erfordern. Diese ist aber, wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, auf atypisch leichte Fälle beschränkt (vgl. Leukauf-Steininger a.a.O. § 41 RN. 4). Davon kann aber hier wie bereits dargelegt - abgesehen davon, daß die festgestellten Milderungsgründe die Erschwerungsgründe (dem inneren Gewicht nach) keineswegs beträchtlich überwiegen - keine Rede sein.

Auch unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des Angeklagten war daher über ihn die gesetzliche Mindeststrafe zu verhängen, wie dies das Erstgericht ohnehin getan hat. Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte