OGH 9Os84/79

OGH9Os84/792.10.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. April 1979, GZ 7 d Vr 1390/78-13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Harramach, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6. März 1948 geborene Kriminalbezirksinspektor Werner A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB

schuldig erkannt, weil er am 2. November 1978 in Wien als Kriminalbeamter (der Bundespolizeidirektion Wien, Sicherheitsbüro) mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf ordnungsgemäßen Strafvollzug zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht hat, daß er den im Polizeigefangenenhaus (der Bundespolizeidirektion Wien) eine (mehrmonatige) Verwaltungsstrafe verbüßenden Johannes B anläßlich einer Ausführung in einen Dienstraum des Sicherheitsbüros (dort) alkoholische Getränke (Bier, Wein und Schnaps) zur Konsumation übergab und ihn zwei private Ferngespräche führen ließ, wodurch der Staat in seinem vorerwähnten Recht geschädigt wurde. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde. Der Tatbestand des Mißbrauches der Amtsgewalt sei vorliegend zunächst in objektiver Hinsicht nicht erfüllt, weil durch die dem Strafhäftling Johannes B vom Angeklagten gewährten ('harmlosen') Vergünstigungen - Überlassung alkoholischer Getränke und Gestatten von zwei privaten Telefonaten - lediglich allgemeine staatliche Aufsichtsrechte bzw. interne Dienstvorschriften verletzt worden seien und damit weder für B fühlbare Erleichterungen im Strafvollzug bewirkt noch der Strafvollzug selbst seines Besserungs- und Sühnezweckes (wesentlich) entkleidet worden sei.

In subjektiver Hinsicht mangle es an dem für die Tatbestandsverwirklichung auch erforderlichen - zumindest bedingten (§ 5 Abs 1 StGB) - Schädigungsvorsatz des Angeklagten; dieser habe nämlich die ihm zum Vorwurf gemachte Vorgangsweise, als seiner Ansicht nach für den Staat nützlich, bloß eingehalten, um durch den (solcherart) gefügig gemachten Johannes B Informationen über Untersuchungshäftlinge hinsichtlich ihrer strafbaren Handlungen, insbesondere im Sektor Rauschgiftdelikte, zu erhalten, die dann 'einer weiteren Verwertung' zugeführt werden sollten.

Rechtliche Beurteilung

Keinem dieser Beschwerdeeinwände kommt Berechtigung zu:

Zu den wesentlichen Kriterien des Vollzuges von Freiheitsstrafen gehört sowohl im strafgerichtlichen, als auch im verwaltungsstrafbehördlichen Bereich die Abschließung des Häftlings von der Außenwelt und die Beschränkung seiner Lebensführung. Eines der Mittel zur Erreichung der Vollzugszwecke, zu denen neben der Spezialprävention das Aufzeigen des Unwerts des der Bestrafung zugrundeliegenden Verhaltens zählt, ist dabei (u.a.) die Aufrechterhaltung der (Sicherheit und) Ordnung in den Vollzugsanstalten und Gefangenenhäusern (so, für den Vollzug gerichtlicher Freiheitsstrafen, § 20 StVG. und die bezüglichen Erläuterungen bei Foregger-Kunst, Kommentierte Ausgabe des StVG., 36; für die Vollstreckung der von Verwaltungsstrafbehörden verhängten Freiheitsstrafen vgl. insbes. §§ 12 Abs 6 und 7; 63 VStG. 1950).

Diese Aufgaben (und Effekte) sind ein durch § 302 Abs 1 StGB geschütztes, konkretes staatliches Rechtsgut. Die Aufrechterhaltung der (Sicherheit und) Ordnung in der Anstalt, aber auch die gebotene Beschränkung der Lebensführung des Häftlings, wird jedoch durch die Überlassung berauschender Mittel, vor allem alkoholischer Getränke, an ihn, insbesondere im Hinblick auf deren enthemmende Wirkung nicht unerheblich beeinträchtigt. Mit Recht wurde daher das festgestellte Überlassen von Bier, Wein und Schnaps an Johannes B seitens des Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB beurteilt, zumal letzterem nach seiner eigenen Verantwortung (siehe S. 64 sowie S. 77

d. A.) bekannt war, daß der Genuß alkoholischer Getränke für Häftlinge (auch) im Polizeigefangenenhaus Wien verboten ist (vgl. SSt. 45/6 u.a.).

Die zensurfreie Kontaktaufnahme eines Strafhäftlings mit der Außenwelt hinwiederum, wie sie vorliegend dem schon längere Zeit zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe im Polizeigefangenenhaus der Polizeidirektion Wien in Verwaltungsstrafhaft angehaltenen Johannes B vom Angeklagten (dem auch bekannt war, daß der Genannte gerade eine längere Verwaltungsstrafhaft verbüßte - siehe S. 27, 75 und 78 d. A.) dadurch ermöglicht wurde, daß er B anläßlich dessen (vom Angeklagten veranlaßten) Ausführung in das Wiener Sicherheitsbüro von dort zwei private Telefongespräche führen ließ, verstieß unmittelbar gegen die durch den Wortlaut und den Sinn der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung (inhaltlich) bezogenen Dienstanweisung der Polizeidirektion Wien über das Führen von Telefongesprächen durch (gerade) festgenommene Personen (Beilage ./1 zu ON. 12) in keiner Weise aufgehoben oder eingeschränkte Anordnung des § 12 Abs 6 VStG. 1950, wonach 'der mündliche und der schriftliche Verkehr' eines zwecks Vollstreckung einer Freiheitsstrafe angehaltenen Häftlings 'mit der Außenwelt der amtlichen Aufsicht unterliegt'. Auch insoweit verletzte der Angeklagte daher den Staat in seinem konkreten Recht auf gesetzmäßigen Strafvollzug (SSt. 45/6).

Zur Widerlegung des weiteren Beschwerdeeinwandes, es fehle an dem für eine Tatbeurteilung nach § 302 Abs 1

StGB erforderlichen Schädigungsvorsatz, ist auf die einen solchen Vorsatz (in der Form des dolus eventualis) bejahenden, durchaus schlüssigen bezüglichen Urteilskonstatierungen (siehe S. 77 ff. d. A.), und im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen über das angebliche Motiv der Handlungsweise des Angeklagten auf die Bestimmung des § 25 StPO hinzuweisen.

Diese untersagt es u.a. Sicherheitsorganen und allen öffentlichen Beamten ('bei strengster Ahndung'), auf die Gewinnung von Verdachtsgründen oder auf die Überführung eines Verdächtigten etwa dadurch hinzuwirken, daß er 'durch insgeheim bestellte Personen zu Geständnissen verlockt wird, die dem Gerichte hinterbracht werden sollen'.

Wenn daher der Angeklagte, wie er in seiner Verantwortung sinngemäß vorbrachte und nunmehr auch in seiner Nichtigkeitsbeschwerde geltend macht, Johannes B durch die ihm - wie dargetan, pflicht- und rechtswidrig - gewährten Vergünstigungen zu einer derartigen Verwendung als Lockspitzel im Sektor der Rauschgiftdelinquenz 'umfunktionieren' wollte (siehe S. 64 d.A.), so stellten dieser Zweck und diese vom Angeklagten behauptete Motivation in keiner Weise seinen festgestellten Schädigungsvorsatz in Frage. Da schließlich eine genaue juristische Kenntnis des Täters vom Inhalt des verletzten konkreten staatlichen Rechts nicht erforderlich ist, sondern schon eine laienhafte Vorstellung von diesem Recht genügt (LSK 1979/15) - welche Voraussetzung vom Erstgericht beim Angeklagten insbesondere auch hinsichtlich des bestehenden Verbotes von privaten Telefonaten der Verwaltungsstrafhäftlinge (gedeckt durch die Verfahrensergebnisse - vgl. insb. S. 32 oben) als gegeben erachtet hat (siehe S. 79 d.A.), sodaß ihm insoweit ein (nach §§ 8, 9 StGB zu prüfender) Irrtum nicht unterlaufen ist - , wurde der Angeklagte unter Zugrundelegung der vom Schöffengericht insgesamt getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ohne Rechtsirrtum des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Seiner zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war daher der Erfolg zu versagen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 41 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, deren Vollzug es gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufschob. Es nahm bei der Ausmessung dieser Strafe den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, den Umstand, daß dieser durch seine Verantwortung wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hatte und den bloßen geringen Schaden als mildernd an.

Erschwerend war hingegen kein Umstand.

Mit seiner Berufung strebte der Angeklagte die Verhängung einer bedingten Geldstrafe, allenfalls eine Herabsetzung der über ihn ausgesprochenen Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu. Der Anwendung des § 37 StGB stellen sich nach der Art des dem Angeklagten angelasteten Deliktes generalpräventive Bedenken insofern entgegen, als derartige Beeinträchtigungen der Strafzwecke durch die mit der Beaufsichtigung der Häftlinge betrauten Beamten in der Öffentlichkeit keineswegs verstanden werden und im übrigen auch dazu geeignet sind, sinnvolle Reformen des Strafvollzuges in der Meinung der Bevölkerung suspekt zu machen.

Dem Umstand, daß der Angeklagte bisher unbescholten war und auch dienstlich eine gute Beschreibung hatte, hat das Erstgericht bei seiner Entscheidung ohnedies Rechnung getragen.

Von einem Handeln aus achtenswerten Beweggründen kann nach Lage des Falles keine Rede sein; desgleichen auch nicht von einer Unbesonnenheit, da der Angeklagte sein Vorhaben dem Häftling zunächst ankündigte und dasselbe erst einige Zeit danach in die Wirklichkeit umsetzte. Im übrigen entspricht das vom Erstgericht verhängte Strafmaß dem Unrechtsgehalt der vom Angeklagten begangenen Tat und dem Verschulden des Täters, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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