OGH 6Ob581/85 (6Ob582/85)

OGH6Ob581/85 (6Ob582/85)23.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Sachwalterschaftssache Dipl.Ing. Erhard A, geboren 28. März 1924, wohnhaft in 6130 Fiecht, Pax Nr. 116, infolge Revisionsrekurses des einstweiligen Sachwalters Dr. Norbert B, Rechtsanwalt in Jenbach, Achenseestraße 37, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 14. Dezember 1984, GZ 2 b R 229,238/84-45, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwaz vom 16. August"1984, GZ SW 67/84-15, bestätigt und der Rekurs des Dipl.Ing. Erhard A gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Schwaz vom 29. Oktober 1984, SW 67/84-29a, sowie ein weiterer Rekurs des einstweiligen Sachwalters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Schwaz vom 16. August 1984, SW 67/84- 15, zurückgewiesen wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird, soweit er sich gegen Punkt I.1. und II.1. des angefochtenen Beschlusses richtet, nicht Folge gegeben. Im übrigen wird er zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 20. April 1984 leitete das Erstgericht von Amts wegen gegen Dipl.Ing. Erhard A nach der damaligen Rechtslage das Entmündigungsverfahren wegen Geisteskrankheit ein. Nachdem eine erste Ladung dem Betroffenen nicht zugestellt werden konnte, lud das Erstgericht ihn für den 8. Mai 1984 unter Bekanntgabe des Themas:

'Das gegen Sie eingeleitete Entmündigungsverfahren, die beabsichtigteiBestellung eines vorläufigen Beistandes'. Dieser Beschluß wurde dem Betroffenen Dipl.Ing. Erhard A unter der Anschrift 6130 Fiecht, Pax 116, nach einem am 2. Mai 1984 vorgenommenen ersten Zustellversuch am 3. Mai 1984 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt. Nach einer Mitteilung des Postamtes Schwaz vom 7. Mai 1984 hatte der Betroffene seinerzeit dem Postamt bekanntgegeben, daß er sich bis 30. April 1984 nicht in Fiecht, Pax 116, befinde. Mit Schreiben vom 4. Mai 1984, dem dee Verständigung über die am 3. Mai 1984 erfolgte Hinterlegung der Ladung für den 8. Mai 1984 beigelegt war, gab der Betroffene dem Postamt bekannt, daß er nun wieder bis 31. Mai 1984 nicht unter dieser Anschrift erreichbar sei.

Nachdem mehrere Versuche Dipl.Ing. Erhard A zu laden, ebenso gescheitert waren, wie der Versuch einer zwangsweisen Vorführung, bestellte das Erstgericht mit Beschluß ON 15

Rechtsanwalt Dr. Norbert B gemäß § 238 Abs 1 AußStrG zur Vertretung des mipl.Ing. Erhard A im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, sowie gemäß § 238 Abs 2 AußStrG zum einstweiligen Sachwalter desselben mit der Aufgabe, ihn in allen gerichtlichen Verfahren zu vertreten.

Dieser Beschluß wurde - ebenso wie der Beschluß ON 17, mit dem die Gebühren des Schlossers für die Öffnung der Türen des Hauses anläßlich des Vorführversuches bestimmt wurden - durch Hinterlegung D unter anderem auch an der Anschrift 6130 Fiecht, Pax 116, am 18. September 1984 zugestellt, da Dipl.Ing. Erhard A nach dem Bericht der Post verzogen war (ON 28).

Dessenungeachtet bestellte das Erstgericht mit Beschluß vom 29. Oktober 1984, ON 29a, zur Zustellung der Beschlüsse ON 15 und ON 17 Rechtsanwalt Dr. Norbert B zum Zustellkurator.

Gegen den Beschluß ON 15, der dem Rechtsanwalt Dr. Norbert B zweimal zugestellt wurde, erhob dieser die beiden inhaltlich im wesentlichen gleichlautenden Rekurse ON 23 und ON 34, wobei er in letzterem Rekurs zum Ausdruck brachte, daß er diesen nur vorsichtshalber erhebe.

Am 19. November 1984 l ngte beim Erstgericht eine Eingabe des Dipl.Ing. Erhard A ein, in welcher dieser unter anderem den sofortigen Widerruf des Ediktes (über die Bestellung des Zustellkurators) beantragte, wobei der Eingabe entnommen werden kann, daß sich der Einschreiter auch gegen die Notwendigkeit, für ihn einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen, wendet (ON 39). Mit dem munmehr angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht den Schriftsatz des Dipl.Ing. Erhard A ON 39 zurück, soweit er als Rekurs gegen die Bestellung des Dr. Norbert B zum Zustellkurator aufgefaßt werden konnte (Punkt I.1.) und gab ihm nicht Folge, soweit er als Rekurs gegen die Bestellung des Dr. Norbert B zum einstweiligen Sachwalter aufgefaßt werden konnte (Punkt I.2.). Es wies ferner den Rekurs des Dr. Norbert B ON 34 gegen den Beschluß ON 15 zurück und gab dessen Rekurs ON 23

gegen denselben Beschluß nicht Folge. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, an Dipl.Ing. Erhard A sei bereits einmal unter der Anschrift 6130 Fiecht, Pax Nr. 116, wirksam zugestellt worden. An dieser Abgabestelle habe das Erstgericht daher auch bei einer Adressenänderung - sofern einfache Erhebungen die neue Adresse nicht zutage förderten - gemäß § 8 Abs 2 ZustellG weiter zustellen dürfen. Die Zustellung des Beschlusses ON 15 durch Hinterlegung sei daher rechtsgültig gewesen, weshalb es der Zustellung an den Kurator nicht bedurft habe. Dem Dipl.Ing. Erhard A fehle es aber an der Beschwer, weil die Ediktalzustellung und die Veröffentlichung bereits erfolgt seien und durch die Aufhebung des Beschlusses für ihn ein günstigeres Ergebnis nicht erreicht werden könne. Sein Rekurs gegen die Sachwalterbestellung sei zwar verspätet, jedoch gemäß § 11 Abs 2 AußStrG einer sachlichen Behandlung zugänglich. Er sei jedoch ebenso wie der zeitlich erste Rekurs des einstweiligen Sachwalters nicht gerechtfertigt, weil die zahlreichen Eingaben des Dipl.Ing. Erhard A in anhängigen Verfahren ebenso wie ein eingeholtes Sachverständigengutachten den Schluß zuließen, daß Dipl.Ing. Erhard A sich wegen seines Querulantenwahns dauernd in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Geistestätigkeit befinde. Eine Anhörung des Betroffenen gemäß § 237 AußStrG sei nicht möglich gewesen, weil dieser Ladungen nicht Folge geleistet habe und auch die Vorführung ergebnislos versucht worden sei. Dipl.Ing. Erhard A versuche sich Ladungen des Gerichtes und Vorführungsversuchen mit allen Mitteln zu entziehen. Daher sei für ihn gemäß § 238 AußStrG ein Rechtsbeistand zu bestellen gewesen. Der zweite Rekurs des vorläufigen Sachwalters sei zurückzuweisen gewesen, weil dieser keine Verbesserung des ersten Rechtsmittels darstellte.

Dieser Beschluß wird vom einstweiligen Sachwalter Dr. B zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit und Nullität mit dem Antrag angefochten, ihn ersatzlos aufzuheben oder dem Rekursgericht, allenfalls dem Erstgericht, eine neuerliche Entscheidung aufzutragen, sowie aufzutragen, einen anderen einstweiligen Sachwalter zu bestellen.

Nach Erhebung des Rechtsmittels wurde Rechtsanwalt Dr. B mit Beschluß des Erstgerichtes vom 18. April 1985, ON 71, als einstweiliger Sachwalter enthoben und Rechtsanwalt Dr. Karl C zum neuen einstweiligen Sachwalter bestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teils unzulässig, teils nicht berechtigt. Soweit der einstweilige Sachwalter auch den Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes bekämpft, mit welchem über das Rechtsmittel des Dipl.Ing. Erhard A entschieden wurde, steht ihm zwar als einstweiligem Sachwalter im Rahmen des Verfahrens über die Bestellung eines Sachwalters gemäß § 249 Abs 2 AußStrG das Rechtsmittel des Rekurses zu, wobei ihm im Interesse des Betroffenen ein solches Rekursrecht auch gegen Beschlüsse des Rekursgerichtes eingeräumt werden muß, womit Rechtsmittel des Betroffenen gegen erstgerichtliche Beschlüsse, welche der einstweilige Sachwalter selbst nicht bekämpft hatte, zurückgewiesen wurden, oder denen nicht Folge gegeben wurde.

Die Zurückweisung des Rekurses des Betroffenen gegen die Bestellung eines Zustellkurators war jedoch berechtigt.

Gemäß § 8 Abs 1 ZustellG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs 2 ZustellG die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Dem Betroffenen wurde die Ladung für den 8. Mai 1984, welche unter Bekanntgabe des Themas des Verfahrens erfolgte, ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellt, da er - wie seine Mitteilung an das Postamt zeigt - im fraglichen Zeitraum unter der angegebenen Anschrift gewohnt hat. Es ist daher davon auszugehen, daß ihm das eingeleitete Verfahren zur Kenntnis gelangt ist. Da er es unterlassen hat, dem Erstgericht seine neue richtige Anschrift bekanntzugeben - die Zustellversuche an der von ihm gegenüber dem Präsidium des Landesgerichtes Innsbruck angegebenen Anschrift verliefen ergebnislos (ON 28) - durfte das Erstgericht alle weiteren Zustellungen unter der Anschrift 6130 Fiecht, Pax 116, durch Hinterlegung vornehmen, was auch tatsächlich geschehen ist. Unter diesen Umständen war die Bestellung eines Zustellbevollmächtigten zur Empfangnahme der Beschlüsse ON 15 und 17 zwar überflüssig, doch wurde dadurch der Betroffene in seinen Rechten nicht verletzt, weil die Zustellungen an ihn ohnehin erfolgt waren und sich die Bestellung zum Zustellkurator in der erfolgten Zustellung der beiden Beschlüsse an Dr. Norbert B erschöpfte. Das Rekursgericht hat daher seinen Rekurs mit Recht mangels Rechtsschutzinteresse zurückgewiesen, weshalb dem dagegen erhobenen Rekurs des einstweiligen Sachwalters nicht Folge zu geben war. Der Rekurs ist auch nicht berechtigt, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Rekurses ON 34 richtet. Diesbezüglich enthält der Rekurs keine Ausführungen, weshalb auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden kann. Soweit sich das Rechtsmittel dagegen wendet, daß den Rekursen des Betroffenen und des einstweiligen Sachwalters gegen die Bestellung des Letzteren nicht Folge gegeben wurde, ist es unzulässig. Auch im Verfahren zur Bestellung von Sachwaltern für behinderte Personen gilt § 16 AußStrG (7 Ob 621/84, 6 Ob 546/85). Danach findet gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statt.

Eine Nullität erblickt der Rechtsmittelwerber offenbar darin, daß es seiner Ansicht nach an einem rechtlichen Gehör des Betroffenen fehlt. Es wurde jedoch bereits dargestellt, daß die Zustellungen an den Betroffenen mit Recht durch Hinterlegung vollzogen wurden und diesem daher die Möglichkeit, sich am Verfahren zu beteiligen, offenstand.

Worin die gerügte Aktenwidrigkeit gelegen sein soll, wird im Rechtsmittel nicht ausgeführt.

Aber auch eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nicht vor. Eine solche liegt nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103 uva.). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt auch nicht vor, wenn bloß gegen Verfahrensvorschriften verstoßen wurde (JBl 1961, 357 uva.). Soweit im Rechtsmittel gerügt wird, daß sich das Erstgericht entgegen § 237 Abs 1 AußStrG vom Betroffenen keinen persönlichen Eindruck verschafft habe, kann diesbezüglich schon deshalb keine offenbare Gesetzwidrigkeit vorliegen, weil es sich dabei um eine Verfahrensvorschrift handelt (vgl. zu § 8 EntmO EvBl 1963/115 ua.). Darüber hinaus ist die Frage, was zu geschehen hat, wenn sich der Betroffene der Ladung und Vorführung entzieht, im Gesetz nicht geregelt. Gleiches gilt für die Frage, ob begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Betroffenen vorliegen und ob es das Wohl des Betroffenen erfordert, daß ihm das Gericht zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter bestellt. Daß die Vorinstanzen dabei das ihnen eingeräumte pflichtgemäße Ermessen nicht überschritten haben, ergibt sich bereits aus den in den zahlreichen vom Betroffenen angestrengten Verfahren erliegenden, größtenteils unverständlichen Eingaben desselben.

Die Bestellung eines Rechtsanwaltes zum einstweiligen Sachwalter ist schon deshalb nicht offenbar gesetzwidrig, weil der Kreis der Personen, welche zum einstweiligen Sachwalter zu bestellen sind, im Gesetz nicht umschrieben ist.

Soweit sich der Revisionsrekurs daher gegen die Punkte I.2. und II.2. des angefochtenen Beschlusses richtet, war er als unzulässig zurückzuweisen.

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