OGH 1Ob572/85

OGH1Ob572/8522.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johanna A, Angestellte, Pottschach, Seerosengasse 10, vertreten durch Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wider die beklagte Partei Franz A, Abgeordneter zum Nationalrat und Bürgermeister, Pottschach, Köttlacherstraße 1, vertreten durch Dr. Ernst Schilcher, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Unterhalts (Streitwert S 126.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 9. Jänner 1985, GZ R 438/84-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 15.September 1984, GZ C 88/84 -14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.617,85

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 514,35 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 28.Oktober 1975 aus dem Verschulden des Beklagten rechtskräftig geschieden. Im Zuge des Scheidungsstreits schlossen die Parteien am selben Tag einen Vergleich, dessen Punkt 1 nachstehenden Wortlaut hat:

'Herr Franz A verpflichtet sich, ab rk. Scheidung an die Klägerin Johanna A einen mtl.

Unterhaltsbeitrag von S 7.000,-- an jedem Monatsersten im vorhinein mit einem Respiro von 5 Tagen zu bezahlen.

Dieser Unterhaltsverpflichtung liegt ein Monatsnettoeinkommen aus seinen sämtlichen Tätigkeiten von rund S 21.000,-- zugrunde, das ist ein Prozentsatz von 33 %.

Sinkt das Einkommen des Beklagten unter die angenommene Basis von S 21.000,-- mtl. netto, dann verpflichtet sich der Beklagte, im obigen Sinn eine solche Summe an jedem Monatsersten im vorhinein zu bezahlen, die 33 % seines Monatsnettoeinkommens aus allen seinen Tätigkeiten entspricht.

Unter Monatsnettoeinkommen sind alle Bezüge des Beklagten zu verstehen, ob sie nun aus einer Erwerbstätigkeit, aus Pension oder sonst einer Quelle bezogen werden.

Diese Unterhaltsleistung im obvereinbarten Sinn hat der Beklagte an die Klägerin zu leisten, unabhängig davon, wie immer sich die Verhältnisse bei einer der beiden Parteien sonst noch ändern mögen. Die clausula rebus sic stantibus wird sohin zur Gänze ausgeschlossen und zwar auf beiden Seiten, mit Ausnahme einer Verminderung des Einkommens des Beklagten gemäß dem obigen Inhalt des Vergleiches. Steigt das Einkommen des Beklagten über S 21.000,-- monatlich netto, kann eine Erhöhung des Unterhaltes von der Klägerin über S 7.000,-- mtl. hinausgehend nicht beantragt werden. Festgehalten wird, daß beide Parteien derzeit keinerlei gesetzliche Sorgepflichten haben.' Die Klägerin ist seit Jahren berufstätig und hat ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von etwa S 7.000,--; sie hat keine Sorgepflichten.

Die Klägerin begehrt die Erhöhung des mit Vergleich vom 28.Oktober 1975 vereinbarten monatlichen Unterhalts von S 7.000,-- ab 6.Februar 1984 auf monatlich S 10.500,--. Da die Geldentwertung seit Vergleichsabschluß ein Ausmaß von 50 % erreicht habe, könne sie trotz Ausschlusses der Umstandsklausel die Anpassung der Unterhaltsforderung an den Kaufkraftverlust verlangen. Nach dem Verbraucherpreisindex 1966 sei deshalb eine Erhöhung um 50 % gerechtfertigt. Der Beklagte habe sich auch mit Schreiben vom 21. März 1984 zu einer Aufwertung bereitgefunden, diese Zusage später aber widerrufen.

Der Beklagte wendete ein, er habe bei Abschluß des Vergleiches jede Wertsicherung abgelehnt; deshalb sei auch keine Wertsicherungsklausel in den Vergleich aufgenommen worden. überdies habe die Geldentwertung im fraglichen Zeitraum auch kein solches Ausmaß angenommen, daß von einem auffallenden Mißverhältnis der Kaufkraft bei Vergleichsabschluß und zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesprochen werden könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, im Zuge der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen habe der Vertreter der Klägerin dem Beklagten im August 1975 den Entwurf eines Scheidungsvergleichs zugesandt, dessen Punkt 1 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 7.000,-- und eine Wertsicherung nach dem Verbraucherpreisindex 1966

vorgesehen habe. Der Beklagte habe jedoch jedwede Wertsicherung abgelehnt, weshalb im Vergleich vom 28.Oktober 1975 auch die Wertsicherung des vereinbarten Unterhalts 'ausgeschlossen' worden sei. Zwischen Vergleichsabschluß und Jänner 1984 sei der Index der Verbraucherpreise 1976 von 166,3 auf 261,6 gestiegen. Daraus schloß das Erstgericht, die Klägerin habe auf jedwede Wertsicherung des vereinbarten Unterhalts verzichtet; im übrigen stünde ihr derzeit angesichts ihres eigenen Einkommens trotz der Geldwertverdünnung ein höherer Betrag zur Verfügung als seinerzeit bei Abschluß des Vergleichs.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es stellte ergänzend fest, der Beklagte habe das Schreiben des Klagevertreters vom 21. März 1983, mit dem ihn dieser zur Nachzahlung von S 89.101,60 an Unterhalt aufgefordert habe, am 1.April 1983 dahin beantwortet, er lehne jede Aufwertung des Unterhalts angesichts des Verzichts der Klägerin auf eine Wertsicherung ab. Dennoch wäre er unter der Bedingung, daß die Klägerin ausdrücklich anerkenne, keinen Anspruch auf die Wertsicherung zu haben, zu einer 'entsprechenden' Aufwertung des Unterhaltsbetrags bereit. Rechtlich führte das Gericht zweiter Instanz aus, es folge zwar der Entscheidung EvBl 1982/70, wonach der Unterhaltsberechtigte bei Ausschluß der Umstandsklausel die Gefahr der Geldentwertung nur zu tragen habe, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden sei; doch könne eine Aufwertung nur dann vorgenommen werden, wenn die Geldentwertung ein solches Ausmaß angenommen habe, daß ein auffallendes Mißverhältnis zum Wert der Kaufkraft im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses eingetreten sei. Bei dem vom Erstgericht festgestellten Ausmaß der Inflation könne von einem solchen auffallenden Mißverhältnis nicht gesprochen werden. § 934 ABGB biete die Richtschnur, wann Geldwert und Warengegenwert in einem krassen Mißverhältnis stünden; dieses Ausmaß sei nicht erreicht.

Daher könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin auf die Wertsicherung verzichtet habe. Es erübrige sich somit eine Stellungnahme zur Mängel- und zur Beweisrüge, mit welcher die Klägerin die Feststellung anstrebe, sie habe bei Abschluß des Scheidungsvergleichs keinesfalls auf jegliche Wertsicherung verzichtet. Mit Schreiben vom 1.April 1983

habe der Beklagte einer Aufwertung bloß unter der Bedingung zugestimmt, daß die Klägerin anerkenne, hierauf keinen Anspruch zu haben. Diese Bedingung habe die Klägerin schon deshalb nicht erfüllt, weil sie im Prozeß gerade einen solchen Anspruch ausdrücklich behaupte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, weil der behauptete Anspruch von der Auslegung eines Vergleichs abhängt (Jud. 60 neu = SZ 27/177); sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die vom Erstgericht bejahte Frage, ob die Klägerin bei Abschluß des zur Beurteilung stehenden Vergleichs auf jedwede Wertsicherung verzichtet habe, nicht abschließend beurteilt werden kann. Sowohl mit der Mängel- wie auch mit der Beweisrüge begehrt die Klägerin die Feststellung, daß sie nur deshalb nicht auf der Aufnahme einer Wertsicherungsklausel in den Vergleich bestanden habe, weil ihr zugesichert worden sei, auch ohne eine solche Klausel auf eine Valorisierung des Unterhaltsbetrages bei größeren Kaufkraftveränderungen dringen zu können. Dies hat sie nicht nur in ihrer Parteiaussage bekundet (AS 49), sondern sie hat auch den seinerzeitigen Verhandlungsrichter Dr. Werner B und ihren damaligen Vertreter Dr. August C als Zeugen für diese Behauptung geführt (AS 53 f.). Das Erstgericht hat diese Beweisanträge abgelehnt, weil ohnehin die Voraussetzungen für eine Aufwertung des Unterhaltsbetrages nicht vorlägen; das Berufungsgericht hat die Mängel- und die Beweisrüge unerledigt gelassen, weil es die Ansicht vertrat, die unterdessen eingetretene Geldentwertung rechtfertige noch keine Aufwertung.

Die Frage, ob die Klägerin auf jedwede Wertsicherung (ausdrücklich) verzichtet habe, kann in der Tat ungeprüft bleiben. Nach der Rechtsprechung (SZ 54/159; EFSlg 29.635, 10.088 ff; SZ 7/400; 5 Ob 207/62 u.a.) hat zwar der Unterhaltsberechtigte auch bei Ausschluß der Umstandsklausel die Gefahr der Geldentwertung nur zu tragen, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde; eine Anpassung des Unterhaltsbetrages an den Kaufkraftverlust kann aber - anders als bei Wertsicherungsklauseln - nicht fortlaufend, sondern nur dann vorgenommen werden, wenn die Geldentwertung ein solches Ausmaß angenommen hat, daß ein auffallendes Mißverhältnis zum Wert der Kaufkraft im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses eingetreten ist. Diese Auffassung wird vor allem damit begründet, daß den Parteien im Zweifel nicht die Absicht unterstellt werden dürfe, der Unterhaltsberechtigte wolle bei Ausschluß der Umstandsklausel auch die Gefahr einer völligen Geldentwertung tragen und damit in Kauf nehmen, eines Tages einen Betrag zu erhalten, der überhaupt keinem oder nur einem w e i t geringeren Warengegenwert entspricht;

solches müßte ausdrücklich vereinbart werden (so vor allem SZ 7/400;

5 Ob 207/62). Demgemäß wurde der Anspruch auf Aufwertung des Unterhaltsbetrages auch nur bei extremer Geldentwertung anerkannt, so etwa während der Inflation in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Einführung der Schilling-Währung (SZ 7/400 - dort das 900fache!), bei einer Geldentwertung um das Dreifache (6 Ob 284/68, teilweise veröffentlicht in EFSlg 10.088 ff) oder einem Kaufkraftverlust um das Siebenfache (5 Ob 207/62). Von einem derart extremen Ausmaß der Geldentwertung kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, zumal sich die Verbraucherpreissteigerungsraten in den dem Vergleichsabschluß nachfolgenden Jahren im Rahmen des nach der Entwicklung während der letzten Jahrzehnte anzunehmenden und daher auch dem Vergleichsabschluß zugrundezulegenden Ausmaßes hielten und gegenüber jenen in den Jahren unmittelbar davor sogar zurückblieben (vgl. Beilagen 1 und 2). Das auffallende Mißverhältnis zwischen seinerzeitiger und gegenwärtiger Kaufkraft kann zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht an den im § 934 ABGB vorgezeichneten starren Grenzen des Rechtsbehelfs der Verkürzung über die Hälfte gemessen werden, doch wird - entsprechend den Erwägungen der bisherigen Rechtsprechung - ein Kaufkraftverlust, der das Verlangen nach Anpassung des Unterhaltsbetrages gerechtfertigt erscheinen läßt, erst dann angenommen werden können, wenn der Unterhaltsberechtigte mangels Aufwertung auch nicht mehr seine notwendigen Bedürfnisse decken kann und somit in seiner wirtschaftlichen Existenz zumindest erheblich beeinträchtigt ist. Solches hat die Klägerin in erster Instanz nicht behauptet; auch kann eine solche Beeinträchtigung bei einem monatlichen Unterhaltsbetrag von S 7.000,-- neben einem eigenen Einkommen in gleicher Höhe nicht angenommen werden, so daß die Vorinstanzen das Unterhaltserhöhungsbegehren zu Recht abgewiesen haben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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