OGH 11Os17/85

OGH11Os17/8521.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Mai 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 22. November 1984, GZ 16 Vr 1.062/84-6, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Stöger, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Haas zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Karl A ist schuldig, am 14. März 1984 und am 18.April 1984 in Kapelln mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der B C D E AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich dadurch, daß er in zwei Schadensmeldungen fälschlich Helga F als Lenkerin des Unfallsfahrzeuges der Marke 'Simca 1100' mit dem polizeilichen Kennzeichen N 247.A33 angab und die Schadensmeldung mit ihrem Namen unterzeichnete, sohin durch Vorlage einer falschen Urkunde, zur Abstandnahme von der Erhebung berechtigter Regreßansprüche zu verleiten versucht zu haben, welche die G C D E AG an ihrem Vermögen um einen 5.000 S übersteigenden Betrag schädigen sollte. Karl A hat hiedurch das Vergehen des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB begangen und wird hiefür nach dem § 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 (zehn) Monaten und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß dem § 369 StPO hat er der Privatbeteiligten G C D E AG den Betrag von 28.591 S zu ersetzen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.März 1953 geborene Zimmerer Karl A des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147

Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, am 14.März und 18.April 1984 in Kapelln, Niederösterreich, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der B C D E AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Behauptung in den beiden von ihm erstatteten Schadensmeldungen über einen von ihm als Fahrzeuglenker am 15.Februar 1984 in Purkersdorf verschuldeten Verkehrsunfall, bei dem an zwei anderen Kraftfahrzeugen jeweils Sachschaden entstand, seine damalige Lebensgefährtin Helga F sei im Unfallszeitpunkt Fahrer des (tatsächlich von ihm gelenkten) PKW N

247. A33 gewesen, sowie durch Unterzeichnung dieser Schadensmeldung mit ihrem Namen, sohin unter Benützung falscher Urkunden, zur Unterlassung der Geltendmachung von Regreßansprüchen (wegen der an die Unfallsgegner auf Grund bestehender Haftpflichtversicherung erbrachten Leistungen) verleitet zu haben, wodurch die genannte Versicherungsgesellschaft um den Betrag von 28.591 S geschädigt wurde.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten im Schuldspruch mit einer auf die Z 9

lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur teilweise Berechtigung zu. Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist das Ersturteil deshalb mit den erstangeführten Nichtigkeitsgrund bewirkenden Feststellungsmängeln behaftet, weil darin zunächst offengeblieben sei, ob eine Leistungspflicht der B C D E AG aus dem Titel der Haftpflichtversicherung gegenüber den geschädigten Dritten (Andreas P*** und Wolfgang H) überhaupt bestanden habe. Im übrigen gehe aus dem Ersturteil nicht hervor, worin der diesem Versicherungsunternehmen laut Schuldspruch entstandene Vermögensschaden tatsächlich gelegen sei, hätte doch den Haftpflichtversicherer bei Eintritt des Versicherungsfalles zwingend die Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen an die geschädigten Personen getroffen.

Der Vorwurf ist nicht berechtigt:

Für die Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage, ob der B C D E AG gegenüber Dritten eine Leistungspflicht erwuchs, bzw. ob sie sich dafür am Angeklagten oder an dessen Lebensgefährtin schadlos hätte halten können, enthält die erstinstanzliche Entscheidung ebenso ausreichende Feststellungen, wie zur Erkenntnis, daß der Vermögensschaden, mit dessen Eintritt der Angeklagte, sich damit abfindend, rechnete (S 83 d.A), in der Verkürzung um Regreßansprüche bestand.

Nach den in der Hauptverhandlung zur Verlesung gebrachten (vgl. S 76 d. A) Angaben des Angeklagten im Vorverfahren (am 26. April 1984 und am 1. Juni 1984

vor den Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Kapelln) über das Unfallsgeschehen, auf die auch im Urteil ausdrücklich Bezug genommen wird (S 82 d.A), geriet Karl A am 15. Februar 1984 gegen 7,15 Uhr in Purkersdorf auf der Bundesstraße 1 mit dem von ihm gelenkten, seiner Lebensgefährtin Helga F gehörenden und auf deren Namen zum Verkehr zugelassenen, im Spruch näher bezeichneten PKW infolge unangepaßter Fahrgeschwindigkeit ins Schleudern und fuhr auf den vor ihm bereits zum Stillstand gebrachten PKW des Andreas I auf, wobei dieses Fahrzeug und in der Folge der Wagen des Wolfgang H beschädigt wurden (S 57 ff d.A). In der vom Angeklagten unter dem Namen der Zulassungsbesitzerin am 18. April 1984

verfaßten (zweiten) Schadensmeldung an die G C D E AG wurde ausdrücklich Helga F (die der Angeklagte wahrheitswidrig als Fahrzeuglenkerin angeführt hatte) als Schuldtragende an diesem Unfall bezeichnet (S 37 d.A). Angesichts dieser auf den eigenen Ausführungen des Angeklagten beruhenden Darstellung war sein Verschulden an diesem Unfall weder fraglich, noch von ihm bestritten.

Von einem solchen Verschulden des Angeklagten geht auch das Erstgericht ersichtlich aus, liest man die Urteilsgründe im Zusammenhang (S 81 f d.A).

Da der Angeklagte im Zeitpunkt des Schadenereignisses mit Willen seiner Lebensgefährtin als Fahrzeughalterin den mehrfach erwähnten Wagen gelenkt hatte, erstreckte sich der Versicherungsschutz aus der für dieses Fahrzeug (bei der B C D E AG) bestehenden Haftpflichtversicherung auch auf ihn als berechtigten Fahrer und damit Mitversicherten (Art. 1 Abs. 2 AKHB).

In der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist jedoch auch der mitversicherte Lenker (hinsichtlich dessen Person die Versicherung als für fremde Rechnung abgeschlossen gilt - Art. 1 Abs. 2 AKHB) nach der Regelung des § 78 VersVG zur Erfüllung der gegenüber der Versicherung bestehenden Obliegenheiten verpflichtet (ZVR 1981/199, 1982/363). Die vom Angeklagten in diesem Zusammenhang zu vertretende Obliegenheitsverletzung war nun darin gelegen, daß er das haftpflichtversicherte Fahrzeug im Unfallszeitpunkt ohne eine für das Inland gültige Lenkerberechtigung führte, was ihm gegenüber Leistungsfreiheit des Versicherers bewirkte (Art. 6 Abs. 2 lit. a AKHB in Verbindung mit § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VersVG). Im Außenverhältnis (gegenüber den Geschädigten) blieb allerdings die G C D E AG dessen ungeachtet leistungspflichtig (§ 158 c VersVG). Gemäß dem § 158 f VersVG gehen aber solche Ansprüche geschädigter Dritter, die nach dem § 158 c VersVG befriedigt wurden, auf den Versicherer über.

Aus dem Vorgesagten ergibt sich, daß die Voraussetzungen für eine (auf den Titel der Obliegenheitsverletzung gestützte) Regreßforderung der B C D E AG gegen den Angeklagten vorliegen, und zwar unabhängig von der Frage, ob dem Versicherer (auch) gegen Helga F ein Rückgriffsrecht zusteht.

Soweit der Beschwerdeführer aber Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere zum Schädigungsvorsatz, vermißt, ist ihm zu erwidern, daß die bezüglichen, zum Teil in der Beschwerde zitierten Urteilsausführungen in hinlänglich klarer Weise die erstgerichtliche Annahme, der durch Nichtausübung eines Regreßrechtes erwachsende Vermögensschaden des Versicherers sei vom Wissen und Wollen des Angeklagten umfaßt gewesen, zum Ausdruck bringen.

Insoweit konnte daher der Nichtigkeitsbeschwerde kein Erfolg beschieden werden.

Sie erweist sich jedoch aus dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO berechtigt, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Vollendet ist der Betrug (erst) mit dem Eintritt des Vermögensschadens (SSt. 51/19 = JBl. 1980, 605; SSt. 53/71 = EvBl. 1984/30). Ein solcher Schaden kann auch darin bestehen, daß auf Grund der Täuschung vermögensrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht werden. Ist dies doch einer Verminderung der Aktiven gleichzusetzen (vgl. in diesem Zusammenhang Foregger-Serini StGB 3 Anm. II Z 2 zu § 146 StGB). Dabei wird bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. 13 Os 72/83) ein solcher Schaden nicht erst als eingetreten anzusehen sein, wenn die betreffende Forderung aus rechtlichen Gründen (etwa infolge Verjährung) nicht mehr geltend gemacht werden kann, sondern immer schon dann, wenn wegen der bewirkten Täuschung eine an sich (bereits) mögliche und sonst auch nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Inanspruchnahme des Schuldners unterbleibt. Im vorliegenden Fall erlangte aber die Versicherungsgesellschaft - wie (gedeckt durch den Inhalt der Gendarmerieanzeige, insbesondere das dort als Beilage 6 bezeichnete Schreiben vom 29.Mai 1984) dem Urteilshinweis, wonach vorerst (gemeint: im Stadium der Täuschung) ein Betrag von 28.591 S an die Unfallsgegner des Angeklagten geleistet und darüber hinaus (gemeint: nach Aufklärung des wahren Sachverhalts) weitere Zahlungen an Schmerzensgeld erbracht wurden (S 82 d.A), zu entnehmen ist - noch im Zug der Abwicklung des Schadensfalles, vor vollständiger, bereits im Gang befindlicher Liquidierung aller Ansprüche der aus dem Versicherungsfall berechtigten Dritten vom wahren Sachverhalt Kenntnis. Der Schadensfall war somit für die genannte Versicherungsgesellschaft noch keineswegs abgeschlossen, die Täuschungshandlung noch ohne wirtschaftliche Folgen geblieben, weil auch bei korrekt erstatteter Schadensmeldung ein Regreß noch nicht in die Wege geleitet worden wäre.

Bei dieser Sachlage kann daher vom Eintritt einer faktischen Vermögensverminderung, einem effektiven Verlust an Vermögenssubstanz als Folge der Tat noch nicht gesprochen werden, weswegen der Angeklagte rechtsrichtig nur des Vergehens des versuchten schweren Betruges hätte schuldig erkannt werden dürfen (siehe auch 10 Os 43/78).

In diesem Umfang war mithin der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und in der Sache selbst zu erkennen.

Bei der demnach vorzunehmenden Neubemessung der Strafe waren als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall und die zweifache Qualifikation des Betruges, als mildernd das (Teil-)Geständnis und der Umstand zu werten, daß die Tat beim Versuch blieb.

Die verhängte Strafe erscheint daher schuldangemessen. Der Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Verfahrenskosten und der (auf das Anerkenntnis des Angeklagten gestützte) Zuspruch an die Privatbeteiligte waren aus dem Ersturteil zu übernehmen. Mit seiner durch die Strafneubemessung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind vom Angeklagten gemäß der im Spruch zitierten Gesetzesstelle zu tragen.

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