Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.597,35
bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer und S 1.200,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist eine Tochter aus der geschiedenen Ehe des Klägers mit Veronika A. Der Kläger war zuletzt auf Grund eines Beschlusses des Bezirksgerichtes Zell am See zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.800 für die Beklagte verpflichtet. Diese hat das Schuljahr 1982/83 mit der am 14.6.1983 abgelegten Reifeprüfung auf der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe in Salzburg abgeschlossen und studiert seither Biologie an der Universität Graz.
Mit seinem Hauptbegehren beantragte der Kläger die Feststellung, daß seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten erloschen sei, und mit seinem Eventualbegehren, die Unterhaltsverpflichtung mit S 500,-- monatlich festzustellen. Der Kläger vertritt die Ansicht, daß die Beklagte durch die Ablegung der Reifeprüfung selbsterhaltungsfähig geworden sei. Er verwies ferner auf seine Sorgepflichten für seine anderen sechs Kinder.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Beklagte bestand im ersten Studienjahr fünf Prüfungen. Sie bewohnt ein Zimmer im Kolpingheim, wofür sie einschließlich Frühstück und Abendessen monatlich S 2.400 zu bezahlen hat. Im ersten Studienjahr hatte sie für Lehrbücher annähernd S 5.000 auszulegen. An weiteren Lebenshaltungskosten laufen im Monat S 2.000 auf. In den Ferien zwischen dem Sommersemester 1984 und dem Wintersemester 1984/85 war die Beklagte als Stubenmädchen im Hotel Maria Theresia in Kitzbühel beschäftigt. Sie bezog dort ein monatliches Einkommen von S 3.000. Für ihre fortgesetzten Studien benötigt die Beklagte ein Mikroskop, welches mit diesem Einkommen aus der Ferialarbeit angekauft werden soll. Der Kläger ist Verkaufsleiter und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von S 21.455,53. Er hat außer für die Beklagte noch für die mj. Daniela B S 2.000, für den mj. Martin C S 1.700, für den mj. Hans-Jürgen A S 2.000, für den mj. Thomas A S 1.400 und für die mj. Doris D S 700 monatlich an Unterhalt zu bezahlen. Der mj. Michael A, für den der Kläger ebenfalls sorgepflichtig ist, lebt in seinem Haushalt. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, ein hiezu befähigtes Kind habe das Recht darauf, ein Hochschulstudium zu absolvieren. Der Umstand, daß die Beklagte im ersten Studienjahr fünf Prüfungen abgelegt habe, mache deutlich, daß sie ihr Studium ernsthaft betreibe. Der Kläger sei bei seinem monatlichen Nettoeinkommen selbst unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflichten durchaus in der Lage, wie bisher zum Unterhalt der Beklagten beizutragen. Ob diese berechtigt sei, ein Stipendium zu beziehen oder nicht, habe bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht zu bleiben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte zur Bekämpfung des festgestellten Einkommens des Klägers aus, dieser sei zur Bezahlung eines Unterhaltes von S 1.800 monatlich auch dann in der Lage, wenn man seine Angaben in der Klage über ein Monatseinkommen von S 20.313
zugrundelege. Rechtlich teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichtes, daß ein entsprechend begabtes Kind auf Kosten der Eltern studieren könne und mit der Ablegung der Reifeprüfung die Selbsterhaltungsfähigkeit noch nicht eintrete. Die Gewährung einer Studienbeihilfe oder eines Begabten-Stipendiums berühre gemäß § 1 Abs 4
Studienförderungsgesetz 1983 den Anspruch auf Unterhalt weder dem Grund noch der Höhe nach. Es sei daher gleichgültig, ob die Beklagte eine derartige Unterstützung beziehe oder beziehen könne. Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern.
Die Beklagte beantragt, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig.
Eine Rechtsfrage, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, liegt auch dann vor, wenn zu einem anzuwendenden unbestimmten Gesetzesbegriff bereits allgemeine durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelte Leitsätze bestehen, die konkrete Lösung des zu entscheidenden Falles sich aber daraus noch nicht ohne weiteres ergibt, sondern mangels Vorentscheidungen mit weitgehend gleichgelagerten Sachverhalten ein sorgfältiger Vergleich mit den bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen, vorzunehmen ist (so bereits zum Wettbewerbsrecht ÖBl.1984, 104 ua.). Wohl liegen zur Frage, ob nach abgeschlossener Berufsausbildung der Vater zu einer weiteren höherwertigen Berufsausbildung seines Kindes beizutragen hat, ebenso wie zur Frage, ob die Ablegung der Reifeprüfung eine abgeschlossene Berufsausbildung darstellt, bereits Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vor. Die Frage jedoch, ob ein Hochschulstudium nach Ablegung der Reifeprüfung an einer berufsbildenden mittleren Schule, die auch die Lehrabschlußprüfung in verschiedenen Lehrberufen ersetzt, zur Verlängerung der Unterhaltspflicht der Eltern führen kann, wurde - soweit überblickbar - bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt, so daß zur Rechtsentwicklung die Revision zuzulassen war. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Nach Lehre und Rechtsprechung kann einem bereits selbsterhaltungsfähigen Kind gegen den Willen seines Vaters eine zusätzliche Ausbildung, die diesen zu weiteren Unterhaltsleistungen nötigt, nur bei besonderer Eignung für diesen Beruf und der sicheren Erwartung eines besseren Fortkommens gewährt werden (Pichler in Rummel, ABGB I, Rdz 12 zu § 140; SZ 51/90; SZ 42/9; JBl 1966, 85 ua. zuletzt etwa EFSlg 43.179/2). Es wurde aber auch wiederholt ausgesprochen, daß der Vater zum Hochschulstudium seines Kindes beizutragen hat, wenn das Kind die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten besitzt, das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und dem Vater nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar ist (SZ 43/237 mwN). Diese Entscheidungen betrafen jedoch das Weiterstudium nach abgelegter Reifeprüfung an einer allgemein bildenden höheren Schule, wobei auch darauf verwiesen wurde, daß diese Ausbildung vor allem von jenen angestrebt werde, die von vornherein die Absolvierung eines Hochschulstudiums und den Antritt eines akademischen Berufes beabsichtigen (1 Ob 567/84). In diesen Fällen seien die von der Rechtsprechung für den Fall der Aufgabe einer die Selbsterhaltungsfähigkeit bereits sichernden Position entwickelten Grundsätze nicht anzuwenden.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den bisher entschiedenen dadurch, daß die Reifeprüfung an einer Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe nicht nur zum Besuch einer Hochschule gemäß der Hochschulberechtigungsverordnung BGBl.1975/356 idF BGBl.1977/283 und gemäß §§ 82, 113 und 121 SchulOG BGBl.1962/242 idF BGBl.1975/323 zum Studium an der Akademie für Sozialarbeit, an der Berufspädagogischen Akademie und an der Pädagogischen Akademie berechtigt, sondern auch gemäß der Verordnung BGBl.1970/142 die Lehrabschlußprüfung in den Lehrberufen Hotel- und Gastgewerbeassistent, Reisebüroassistent, Kellner, Koch, Bürokaufmann, Einzelhandelskaufmann, Großhandelskaufmann, Industriekaufmann, Buchhändler, Musikalienhändler, Waffen- und Munitionshändler voll sowie in weiteren Lehrberufen einen Teil der Lehrzeit ersetzt. Außerdem erlangt der Absolvent gewisse Begünstigungen bei der Erlangung von Berechtigungen nach der Gewerbeordnung.
Dessen ungeachtet vertritt der erkennende Senat die Ansicht, daß Absolventen einer solchen Lehranstalt im grundsätzlichen nicht anders zu behandeln sind als jene einer Allgemeinbildenden Höheren Lehranstalt. Für eine verschiedene Behandlung der Absolventen einer Allgemeinbildenden Höheren Lehranstalt und einer berufsbildenden mittleren Schule wie hier der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe sprechen keine entscheidenden Gründe. Auch den Absolventen einer Allgemeinbildenden Höheren Schule stehen schon ohne Hochschulstudium - vor allem im Staatsdienst, aber auch in jenen Zweigen der Privatwirtschaft, in denen eine spezielle fachliche Ausbildung erst während des Arbeitsverhältnisses vorgesehen ist - zahlreiche berufliche Möglichkeiten offen. Diese sind nicht wesentlich geringer als für Absolventen einer Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe. Würde man die Zulässigkeit des Weiterstudiums auf Grund von Reifeprüfungszeugnissen davon abhängig machen, daß es sich um das Zeugnis einer Lehranstalt ohne spezielle fachliche Ausrichtung handelt, dann würde dies eine deutlich ungleiche Behandlung der Absolventen der verschiedenen höheren Schulen bedeuten. Absolventen einer Schule, die nach ihrem Lehrplan die Ausbildung in einer bestimmten fachlichen Richtung anstrebt, wäre dann nur unter erschwerten Voraussetzungen ein nicht diesem Ausbildungsziel entsprechendes Studium auf Kosten der Eltern möglich. Berücksichtigt man aber, daß die Wahl unter den verschiedenen, zum Universitätsstudium berechtigenden höheren Lehranstalten meist auf dem Willen der Eltern beruht und zu einem Zeitpunkt erfolgt, in welchem das Kind in der Regel noch keine konkreten Vorstellungen von seinem künftigen Beruf hat, dann spricht nichts für eine unterschiedliche Behandlung der Absolventen der verschiedenen Lehranstalten. Der Gesetzgeber hat dem insofern Rechnung getragen, als er allen Absolventen die Möglichkeit des Universitätsstudiums - allenfalls mit Zusatzprüfungen - einräumte.
Es kann auch keineswegs gesagt werden, daß unter den derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen ein Hochschulstudium nicht zur Erlangung besserer Berufschancen geeignet sei. Gerade das von der Beklagten gewählte Fach Biologie ist im Hinblick auf die immer mehr in den Vordergrund tretenden Probleme des Umweltschutzes durchaus kein 'Luxusstudium' ohne berufliche Chancen.
Der außerordentlichen Revision war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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