OGH 6Ob310/70

OGH6Ob310/7023.12.1970

SZ 43/237

Normen

EO §382 Z8
EO §382 Z8

 

Spruch:

Der Unterhaltsanspruch des bereits großjährigen, aber noch nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes gegen seinen ehelichen Vater kann nach § 382 Z 8 EO gesichert werden

OGH 23. Dezember 1970, 6 Ob 310/70 (LGZ Wien 43 R 576/70; BG Fünfhaus 6 C 652/70)

Text

Die klagende und gefährdete Partei - im folgenden als Antragsteller bezeichnet - verlangte vom Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei - im folgenden Antragsgegner genannt -, seinem ehelichen Vater, einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe eines Zwölftels von 15% des Jahresnettoeinkommens des Antragsgegners ab 1. Mai 1970. Mit der Klage verbunden war der Antrag auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes in der Höhe von 700 S monatlich ab 1. Mai 1970 für die Dauer des Rechtsstreites.

Der am 11. Dezember 1948 geborene, bei seiner geschiedenen Mutter lebende Antragsteller behauptete, er studiere ordnungsgemäß und mit Erfolg an der Hochschule für Bodenkultur in Wien Gärungstechnik. Er sei noch nicht selbsterhaltungsfähig. Der Antragsgegner verdiene jährlich 56.299.70 S und habe sonst keine weiteren Sorgepflichten. Er verweigere ihm die Leistung des Unterhaltes.

Der Antragsgegner sprach sich gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus. Es sei ihm nicht zumutbar, das über seinem Stande als Heizer liegende Hochschulstudium seines Sohnes zu finanzieren. Dieser sei bereits selbsterhaltungsfähig und verdiene auch mehr als, der Antragsgegner selbst. Vom Antragsteller könne auch nicht gesagt werden, er betreibe sein Studium zielstrebig, denn er habe als Student im 4. Semester noch nicht die erste Staatsprüfung abgelegt, die er schon nach dem 2. Semester hätte ablegen können. Der Antragsgegner habe Auslagen für die Anschaffung einer Wohnung samt Einrichtung gehabt, was seine derzeitige Leistungsfähigkeit beeinträchtige. Der Antragsgegner habe schließlich auch seine Aufforderung, zu ihm zu ziehen und bei ihm zu leben, abgelehnt.

Das Erstgericht sah folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Der Antragsteller legte die Reifeprüfung am 10. Oktober 1967 ab. Er wurde am 20. September 1968 auf der Hochschule für Bodenkultur (als Hörer) aufgenommen. Er inskribierte bisher (bis zur Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses) vier Semester. Bisher legte er Prüfungen aus allgemeiner Botanik mit sehr gutem, aus Physik mit vorzüglichem, aus Mathematik I mit gutem und aus Elektrotechnik mit vorzüglichem Erfolg ab. Der Antragsgegner verdiente im Jahr 1969 netto 56.659.70 S.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im wesentlichen mit der Begründung ab, die Bestimmung eines vorläufigen Unterhaltes für ein bereits großjähriges Kind sei im Gesetz (§ 382 Z 8 EO) nicht vorgesehen. Es berief sich hiebei auf die Entscheidung SZ 16/131.

Der dagegen vom Antragsteller erhobene Rekurs hatte Erfolg. Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem eine nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende neuerliche Entscheidung auf. Es sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Die Begründung des Rekursgerichtes läßt sich folgendermaßen kurz zusammenfassen:

Der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung stehe kein grundsätzliches rechtliches Hindernis entgegen. Ein Zusammenhang mit einem Eheprozeß sei nach herrschender Rechtsprechung keine Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 EO. Die Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes für eheliche Kinder sei im § 382 Z 8 EO bzw § 117 ABGB ausdrücklich vorgesehen. Zweck dieser Bestimmungen sei die Sicherstellung des Unterhaltes unterhaltsberechtigter Kinder. Da der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern nicht mit der Erreichung eines bestimmten Alters, wie z B der Großjährigkeit, sondern mit der Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit begrenzt sei, könnten unter "Kindern" im Sinne der bezogenen Gesetzesstellen nicht nur Minderjährige verstanden werden, wenn der Gesetzgeber eine solche Einschränkung nicht ausdrücklich gemacht habe. Die Erwägungen, aus denen heraus auch der bereits rechtskräftig geschiedenen Ehegattin ein einstweiliger Unterhalt nach § 382 Z 8 EO zugebilligt werde, träfen auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt zu.

Daß der Antragsgegner Heizer sei, sei kein Grund, die Finanzierung des Hochschulstudiums seines Sohnes grundsätzlich abzulehnen. Die Eignung des Antragstellers für das gewählte Studium sei auf Grund der bisherigen Prüfungsergebnisse zu bejahen. Sollte der Antragsteller das Studium zielstrebig betreiben, dann müßte die Unterhaltspflicht des Antragsgegners angenommen werden. Es werde daher noch zu klären sein, welchen Lebensbedarf der Antragsteller aufweise, sowie ob und welches eigenes Einkommen er habe, um darnach beurteilen zu können, ob und inwieweit der Antragsgegner zu einer Unterhaltsleistung heranzuziehen sei. Zu erheben werde auch sein, warum der Antragsteller die erste Staatsprüfung noch nicht abgelegt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat bereits richtig darauf verwiesen, daß es nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag, mit der Bestimmung des § 382 Z 8 EO neues Recht zu schaffen, sondern daß er vielmehr dort die zur Zeit der Erlassung der Exekutionsordnung im damals geltenden Recht des ABGB anerkannten vorläufigen Verfügungen der Bewilligung des abgesonderten Wohnortes, der Anordnung der vorläufigen Aufnahme in die Hausgemeinschaft und der einstweiligen Bestimmung des Unterhaltes (§§ 107, 117 ABGB) nur der Vollständigkeit halber erwähnen wollte. Daraus wäre allerdings die Folgerung zu ziehen, daß die Bewilligung des abgesonderten Wohnortes und die Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes für die Ehefrau und die ehelichen Kinder immer nur im Zusammenhang mit einem Eheprozeß erfolgen könnte. Die Bedürfnisse der Praxis erfordern jedoch eine ausdehnende Auslegung. Daß der abgesonderte Wohnort auch ohne Einleitung eines Ehescheidungsprozesses bewilligt werden kann, wurde schon in der Entscheidung NZ 1929, 169, ausgesprochen und ist seither ständige Rechtsprechung geworden (vgl SZ 26/118, JBl 1959, 136). In letzter Zeit wurde sogar die Bewilligung des abgesonderten Wohnortes ohne Erhebung oder Ankündigung einer Scheidungsklage und ohne Setzung einer Frist für eine solche im außerstreitigen Verfahren als zulässig erklärt (EvBl 1964/211, RZ 1965, 98, EvBl 1966/435, EvBl 1968/65 u a m). Ähnlich verlief die Entwicklung bei der Frage der Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes. In den E NowakNF 1758, GH 1928, 69 und NZ 1929, 143, wurde ausgesprochen, daß eine einstweilige Verfügung durch Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes auch während des Streites auf Leistung des Unterhaltes an die Gattin zulässig ist. Dies entspricht auch der jetzt herrschenden Rechtsprechung (vgl JBl 1960, 103). Die Rechtsprechung hatte vor allem aber auch keine Bedenken, der bereits rechtskräftig geschiedenen Ehefrau, deren Unterhaltsanspruch sich nicht mehr auf § 91 ABGB, sondern nur mehr auf die Bestimmungen der §§ 66 ff EheG stützt, gemäß § 382 Z 8 ZPO einstweiligen Unterhalt zuzubilligen (EvBl 1951/93, SZ 22/186, EvBl 1968/179, JBl 1969, 37 u a).

Diese Übersicht zeigt, daß die vom Rekurswerber zur Begründung seiner Ansicht, die Bestimmung des § 382 Z 8 EO könne nur im Zusammenhang mit einem Scheidungsprozeß angewendet werden, herangezogene E des OLG Wien vom 1. Juni 1949, EvBl 1949/566 = ÖJZ 1948, 498, im Widerspruch zur herrschenden Rechtsprechung steht.

Richtig ist allerdings, daß die zitierten Entscheidungen den Unterhalt der Ehefrau bzw der geschiedenen Frau und nicht den des ehelichen Kindes betreffen. Der Oberste Gerichtshof schließt sich jedoch der Ansicht des Rekursgerichtes an, daß die Erwägungen, die für eine ausdehnende Auslegung des § 382 Z 8 EO bei der Zuerkennung eines einstweiligen Unterhaltes für die geschiedene Frau sprechen, auch auf den Fall der Sicherung des Unterhaltsanspruches des bereits großjährigen, aber noch nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes gegen seinen ehelichen Vater u zw in mindestens ebendemselben Maße, zutreffen. Das Rekursgericht hat mit Recht darauf verwiesen, daß in den § 382 Z 8 EO und § 117 ABGB zwischen großjährigen und minderjährigen Kindern zumindest nicht ausdrücklich unterschieden wird. Diese Bestimmungen haben offenbar Kinder im Auge, die sich im Haushalt ihrer Eltern befunden haben, wegen noch nicht erlangter Selbsterhaltungsfähigkeit vom Vater erhalten wurden und für die das Bedürfnis nach Sicherung ihres Unterhaltes durch die Trennung vom Vater hervorgetreten ist. Aus dem Gesetz ist daher tatsächlich kein Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, daß die Bestimmung eines vorläufigen Unterhaltes für großjährige Kinder von vornherein nicht in Frage kommen sollte. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß das Bedürfnis nach Sicherung des Unterhaltes bei dem noch nicht selbsterhaltungsfähigen, einem Studium nachgehenden Kind ebenso vorhanden sein kann wie bei der unterhaltsberechtigten geschiedenen Frau. Behandelt man die geschiedene Frau mit Rücksicht auf die nach der Lösung des Ehebandes noch aufrecht bleibenden familienrechtlichen Beziehungen bei Anwendung des § 382 Z 8 EO wie eine Ehefrau, dann wäre eine unterschiedliche Behandlung großjähriger und minderjähriger Kinder bei der Sicherung ihres Unterhaltsanspruches gegenüber ihrem ehelichen Vater umso weniger gerechtfertigt, als sich durch die Erreichung der Großjährigkeit an dem familienrechtlichen Band zwischen Vater und Kind nichts ändert und jedenfalls die Unterhaltspflicht des Vaters hievon unberührt bleibt.

Daß in anderen Fällen eine noch weitergehende Auslegung des Anwendungsbereiches des § 382 Z 8 EO von der Rechtsprechung abgelehnt wurde, spricht nicht gegen die Auffassung des Rekursgerichtes. Im Falle der Entscheidung SZ 16/131 handelte es sich um den Unterhaltsanspruch einer bereits verheirateten Tochter. Hier war also die Unterhaltspflicht des in Anspruch genommenen Vaters nur mehr eine subsidiäre. In den Fällen SZ 23/329 und EvBl 1958/249 wurden Verlassenschaften in Anspruch genommen, u zw einmal nach § 796 ABGB und einmal nach § 78 EheG. Die SZ 2/16 betraf den Unterhaltsanspruch der Eltern nach § 154 ABGB und die SZ 10/96 Unterhaltsansprüche gegen Großeltern nach § 143 ABGB. Alle diese Fälle haben gemeinsam, daß sie den durch § 382 Z 8 EO gezogenen Rahmen weit überschreiten.

Soweit der Rekurswerber die Ansicht des Rekursgerichtes bekämpft, die mit der Ablegung der Reifeprüfung abgeschlossene Absolvierung einer Mittelschule stelle noch keine abgeschlossene Berufsausbildung dar, und seinerseits behauptet, der Antragsteller sei selbsterhaltungsfähig, weil er als Maturant jederzeit einen Beruf mit günstigen Verdienstmöglichkeiten ergreifen könne, ist ihm entgegenzuhalten, daß der Vater nach einheitlicher Rechtsprechung zum Hochschulstudium seines Kindes beizutragen hat, wenn das Kind die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten besitzt, das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und wenn dem Vater nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine solche Beteiligung an den Kosten des Studiums seines Kindes möglich und zumutbar ist (vgl EvBl 1968/70, EvBl 1966/395 und EvBl 1962/380). Auf den Stand des Vaters kommt es dabei nicht an. Auch die vom Rekurswerber angezogene Entscheidung SZ 20/204 geht davon aus, daß der Vater unter den oben angeführten Voraussetzungen dazu verhalten werden kann, einen Beitrag zum Unterhalt des studierenden Sohnes zu leisten und daß der Sohn im Falle des ungenügenden Studienerfolges einen Beruf zu ergreifen haben wird, der seinem Mittelschulstudium entspricht. In diesem Fall war dem Vater allerdings ein Beitrag nicht zuzumuten, weil er 1938 nur einen Verdienst von 105 RM monatlich hatte. Da das Einkommen des Rekurswerbers aber auch unter Berücksichtigung der geänderten Verhältnisse viel höher liegt, kann nicht von vornherein gesagt werden, daß ihm die Leistung eines Unterhaltes für den Antragsteller nicht zugemutet werden könnte.

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