OGH 5Ob33/85

OGH5Ob33/8530.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Klinger und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. Walter A, Arzt, Kirchberg am Wechsel, Markt 257, 2.) Susanna A, Hausfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. Peter B, Arzt, Perchtoldsdorf, Donauwörtherstraße 23-25/3/2, 2.) Marlen B, Angestellte, ebendort, beide vertreten durch Dr. Hanns Hügel, Rechtsanwalt in Mödling, wegen S 162.538,73 s. A., AZ 16 Cg 286/84 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 1.Februar 1985, GZ 14 Nc 30/84-4, womit dem Antrag der beklagten Parteien, in dieser Rechtssache das Kreisgericht Wiener Neustadt zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, nicht Folge gegeben wurde,folgenden

Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß gemäß § 31 Abs 1 JN anstelle des Landesgerichtes für ZRS Wien das Kreisgericht Wiener Neustadt zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache bestimmt wird.

Text

Begründung

Am 7.9.1984 klagten die Eheleute Dr. Peter und Marlen B beim Kreisgericht Wiener Neustadt zu 3 Cg 1368/84 die Eheleute Dr. Walter und Susanna A auf Herausgabe der Originalurkunde des zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrages vom 30.6.1983, betreffend die 100/2503 Anteile an der Liegenschaft EZ 5091 KG Perchtoldsdorf, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung Stiege 3, top.Nr.302 verbunden ist, sowie aller weiteren in deren Besitz befindlichen Urkunden, die zur Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an den genannten Anteilen erforderlich sind. Sie brachten vor, die Beklagten verweigerten die Urkundenherausgabe zu Unrecht mit der Behauptung, daß der Vertragserrichter bei der Anführung des Kaufpreises im Kaufvertrag mit S 1,298.060 die Grundanteilskosten von S 270.429 vergessen habe und daß sie - da der Kaufpreis nach dem Willen der Vertragspartner die Selbstkosten der Verkäufer decken sollte - unter Berücksichtigung der Baukostenabrechnung, die ein Guthaben ergeben habe, noch S 162.538,73 zu zahlen hätten. Am 26.9.1984 klagten die Eheleute Dr. Walter und Susanna A beim Landesgericht für ZRS Wien zu 16 Cg 286/84 die Eheleute Dr. Peter und Marlen B mit der von diesen bereits in der vorerwähnten Klage wiedergegebenen und als unrichtig bezeichneten Behauptung auf Zahlung des vorgenannten Betrages.

Am 20.11.1984 beantragten die Eheleute B beim Oberlandesgericht Wien zu 14 Nc 30/84, gemäß § 31 JN zur Verhandlung und Entscheidung der beim Landesgericht für ZRS Wien anhängigen Rechtssache das Kreisgericht Wiener Neustadt zu bestimmen. Eine Verbindung beider Rechtssachen würde Prozeßkosten sparen und die Gefahr divergierender Entscheidungen vermeiden.

Die Eheleute A sprachen sich gegen die beantragte Delegierung aus. Die Kostenersparnis wäre minimal, die Möglichkeit divergierender Entscheidungen beruhe darauf, daß die in den beiden Rechtssache zu lösenden Rechtsfragen nicht ident seien. Im übrigen könnte nur das Kreisgericht Wiener Neustadt, nicht aber die Geschäftsabteilung 3 dieses Gerichtes delegiert werden.

Das Landesgericht für ZRS Wien trat der beantragten Delegierung aus nachstehenden Erwägungen nicht entgegen:

In der beim Landesgericht für ZRS Wien anhängigen Rechtssache stehe die Frage der Zahlungspflicht der Eheleute B hinsichtlich eines behauptetermaßen noch offenen Kaufpreisrestes, allenfalls Zug um Zug gegen Herausgabe von Urkunden durch die Eheleute A, zur Behandlung; Gegenstand des beim Kreisgericht Wiener Neustadt anhängigen Rechtsstreites dürfte dieselbe Problematik der Leistungsverpflichtung Zug um Zug sein, dort jedoch die Verpflichtung der Eheleute A zur Herausgabe der Urkunden, allenfalls Zug um Zug gegen die Zahlung des hier eingeforderten Kaufpreisrestes.

Das Oberlandesgericht Wien gab dem Delegierungsantrag der Eheleute B nicht Folge und führte aus:

Die beiden in Rede stehenden Verfahren beträfen Ansprüche, die entgegen der Auffassung der Antragsteller (Eheleute B) nicht in dem in § 96 JN bezeichneten Verhältnis zueinander stünden und eine Heranziehung des Wahlgerichtsstandes der Widerklage im Sinne des § 96 Abs 1 JN durch die Antragsgegner (Eheleute A) demnach nicht ermöglicht hätten. Die Fälle der Kompensabilität und der Präjudizialität schieden von vorneherein aus, aber auch jener der Konnexität, nämlich des tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhanges, sei nicht gegeben, weil - wie die Antragsgegner mit Recht ins Treffen führten - die Verpflichtung zur Herausgabe der genannten Urkunden durchaus nicht notwendigerweise mit der Frage, ob ein Kaufpreisrest aushafte, im Zusammenhang stehen müsse. Daraus lasse sich somit nichts für die Zweckmäßigkeit der Delegierung ableiten. Ebensowenig könne demgemäß die theoretische Möglichkeit 'divergierender' Entscheidungen eine Delegierung aus Zweckmäßigkeitsgründen rechtfertigen. Die durch eine gemeinsame Führung beider Verfahren beim Kreisgericht Wiener Neustadt zu erwartende Kostenersparnis sei so gering, daß sie nicht ins Gewicht fallen könne. Sonstige Zweckmäßigkeitsgründe aber seien nicht vorhanden. Die Delegierung sei somit nicht zweckmäßig; zumindest aber lasse sich die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen, sodaß jedenfalls schon deshalb der widersprechenden Partei der Vorzug zu geben gewesen sei. Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien richtet sich der Rekurs der Eheleute B mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne ihres Delegierungsantrages abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§§ 514, 517 ZPO; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 209; MietSlg 25.502; JBl 1978, 268) und auch berechtigt.

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei von dem Oberlandesgericht, in dessen Sprengel das zuständige Gericht gelegen ist, anstelle desselben ein anderes im Sprengel dieses Oberlandesgerichtes gelegenes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Die eine Delegierung auf Antrag gemäß § 31 Abs 1 JN rechtfertigenden Zweckmäßigkeitsgründe sind im Gesetz nicht näher umschrieben. Grundsätzlich gibt die Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit dem über die Delegierung entscheidenden Gericht einen weiten Spielraum, wobei jedoch immer zu bedenken ist, daß eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und daß durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeit nicht eine faktische Durchlöcherung der Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden soll. Wenn die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden kann und eine Partei der Delegierung widerspricht, ist dieser der Vorzug zu geben (Fasching I 232).

Bereits vor dem Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 wurde entschieden (6 Ob 88/65), daß ein Delegierungsantrag aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht nur dann berechtigt sein kann, wenn beide Parteien oder zumindest eine von ihnen und die überwiegende Zahl der Zeugen im Sprengel des Gerichtes wohnen, dessen Delegierung beantragt wird, und die Vernehmung dieser Personen vor dem (an sich zuständigen) erkennenden Gericht übermäßige Kosten verursachen würde, sondern beispielsweise auch dann, wenn die Ansprüche, die mit verschiedenen Klagen bei verschiedenen Gerichten geltend gemacht werden, untereinander im Zusammenhang stehen. Es wurde auch schon ausgesprochen (7 Nd 515/82), daß zwar die Delegierung des Rechtsstreites über die Vorklage nicht zwangsläufig zur Delegierung des Rechtsstreites über die Widerklage führen muß, in der Regel jedoch der Zusammenhang des in der Vorklage geltend gemachten Anspruches mit dem in der Widerklage erhobenen Anspruch, die weitgehende Identität der Beweismittel und die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Verbindung beider Verfahren für die Delegierung auch des Rechtsstreites über die Widerklage sprechen wird. Auf ähnlichen Erwägungen beruht die durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 geschaffene Möglichkeit einer vereinfachten Delegierung nach § 31 a Abs 2 JN. Die Rekurswerber weisen überdies zutreffend darauf hin, daß eine Delegierung auf Antrag nach § 31 Abs 1 JN im Falle von bei verschiedenen Gerichten anhängigen Rechtssachen, die miteinander im Zusammenhang stehen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 96 JN nicht erfordert.

Hier geht es in beiden Rechtssachen vor allem um die Frage, ob die Eheleute B den Eheleuten A noch einen Restkaufpreis schulden. In beiden Verfahren wurde bisher die Vernehmung derselben Zeugen (von denen nur Rechtsanwalt Dr. Volkmar C eine Wiener Adresse hat) und die Durchführung der Parteienvernehmung beantragt, bzw. beschlossen. Die beantragte Delegierung des Kreisgerichtes Wiener Neustadt würde die Verbindung der beiden Prozesse zur gemeinsamen Verhandlung gemäß § 187 ZPO und die Vermeidung einer doppelten Beweisaufnahme ermöglichen und zu einer nicht unerheblichen Kostenersparnis führen. Schon deshalb erscheint dem Obersten Gerichtshof entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichtes Wien im Interesse beider Parteien eine Delegierung des Kreisgerichtes Wiener Neustadt zur Verhandlung und Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache aus Zweckmäßigkeitsgründen gerechtfertigt.

Es war daher dem Rekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen.

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