OGH 8Ob545/85

OGH8Ob545/8518.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Melber und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Magdalena P*, vertreten durch Dr. Helmut Rathgeb, Rechtsanwalt in Bad Hofgastein, wider die beklagte Partei Friedrich S*, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 384.300,‑‑ s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7. Jänner 1985, GZ. 4 R 265/84‑10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 31. Juli 1984, GZ. 7 Cg 442/83‑6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00545.85.0418.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.305,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 960,‑‑ an Barauslagen und S 940,50 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat dem Beklagten am 1. Dezember 1982 ein am 31. August 1983 zurückzuzahlendes, 9 % verzinsliches Darlehen in der Höhe von S 360.000,‑‑ gewährt und zugezählt. Der Beklagte kam dieser Rückzahlungsverpflichtung nicht nach.

Mit der am 14. September 1983 erhobenen Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 386.758,‑‑ samt 9 % Zinsen aus S 360.000,‑‑ seit 1. September 1983. Im Zuge des Verfahrens schränkte sie das Klagebegehren um vorprozessuale Kosten von S 2.458,‑‑ auf S 384.300,‑‑ (Darlehen zuzüglich kapitalisierter Zinsen) samt Anhang ein. Der Beklagte sei trotz Mahnung seiner Rückzahlungspflicht nicht nachgekommen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe ihm einen Zahlungsaufschub von drei Monaten gewährt und überdies ausdrücklich verlangt, daß er ihr das Geld bar in die Wohnung bringe. Der Beklagte habe hierauf am 31. Oktober 1983 den Darlehensbetrag in bar der Klägerin übergeben wollen, diese jedoch nicht angetroffen, sodaß er ihr schriftlich angeboten habe, die Übergabe am 3. November 1983 neuerlich zu versuchen. An diesem Tag habe er die Klägerin in ihrer Wohnung abermals nicht angetroffen, weshalb er sie schriftlich aufgefordert habe, ihm einen neuen Übergabstermin zu nennen. Darauf habe die Klägerin nicht reagiert.

Dem gegenüber replizierte die Klägerin, den Beklagten bereits mit Schreiben vom 25. August 1983 zur Überweisung des Darlehensbetrages an den Klagevertreter aufgefordert zu haben. Eine Stundungsvereinbarung oder Barzahlungsaufforderung sei nicht erfolgt.

Das Erstgericht gab dem eingeschränkten Klagebegehren vollinhaltlich statt.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil, in seinem Ausspruch über die Zinsen allerdings mit der Maßgabe, daß der Beklagte die ihm zugesprochenen Zinsen nur aus dem Betrag von S 360.000,‑‑ zu bezahlen habe.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die von den Vorinstanzen über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus getroffenen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Da der Beklagte seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht nachgekommen war, forderte der Klagevertreter den Beklagten mit Schreiben vom 25. August 1983 auf, den Betrag von S 360.000,‑‑ samt den bisherigen Zinsen von S 24.300,‑‑ und seinen Einschreitungskosten auf sein Konto einzuzahlen, sodaß der Betrag spätestens am 5. September 1983 dort einlangt, wobei nochmals ausdrücklich wiederholt und darauf hingewiesen wurde, daß mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das angegebene Konto des Klagevertreters gezahlt werden und einer Stundung nicht zugestimmt werden könne. Der Beklagte erschien am 30. Oktober 1983 vor der Wohnung der Klägerin, traf sie jedoch nicht an und hinterließ eine Nachricht, wonach er am 3. November 1983 neuerlich zur Übergabe des Geldes erscheinen werde. Nachdem der Beklagte die Klägerin, die diesen Zettel nicht rechtzeitig zur Kenntnis bekommen hatte, am 3. November 1983 abermals nicht angetroffen hatte, ersuchte er schriftlich um Bekanntgabe, wann und wo er sie zur Übergabe des Geldes treffen könne. Der Klagevertreter teilte ihm hierauf mit Schreiben vom 15. November 1983 und 15. März 1984 mit, daß die Klägerin keine Kontaktaufnahme mit dem Beklagten wünsche und der Beklagte den Darlehensbetrag auf das ihm bereits bekanntgegebene Konto des Klagevertreters überweisen solle. Der Beklagtenvertreter überwies schließlich vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung einen Betrag von S 389.700,‑‑ auf das Konto des Klagevertreters.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß der Beklagte seiner Rückzahlungsverpflichtung aus dem Darlehensvertrag jedenfalls bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz nicht nachgekommen sei. Die Überweisung des Darlehensbetrages auf ein Konto des Klagevertreters könne ihn nämlich nur unter der Bedingung von seiner Darlehensschuld befreien, daß der überwiesene Geldbetrag tatsächlich auf dem Konto des Klagevertreters einlange. Der Eintritt dieser Bedingung stehe in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht fest. Im übrigen hätten sich die Behauptungen des Beklagten, es sei eine Stundungs‑ und Barzahlungsvereinbarung zustandegekommen, als unrichtig herausgestellt.

Das Berufungsgericht führte rechtlich aus, daß der Schuldner Geldzahlungen im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermachen habe (§ 905 Abs. 2 ABGB). „Übermachen“ bedeutet dabei nicht überbringen, sondern übersenden (SZ 30/5). Geldschulden seien daher im Zweifel Schickschulden (SZ 38/100; HS 7249 u.a.). Es wäre Sache des Beklagten gewesen, eine von dieser gesetzlichen Regel abweichenden Parteienvereinbarung zu beweisen (vgl. JBl. 1959, 602). Im gegenständlichen Fall habe der Beklagte diesen Nachweis nicht erbracht. Selbst wenn man zu seinen Gunsten annehmen könnte, daß Anfang August 1983 eine Barauszahlungsvereinbarung getroffen worden sei, wäre diese durch das Schreiben des Klagevertreters vom 25. August 1983 überholt. Dem Gläubiger stehe es nämlich frei, nachträglich eine andere Zahlungsart festzusetzen, sofern sie den Schuldner gegenüber der früheren Abmachung nicht schwerer belaste (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 15 zu § 905). Durch die Aufforderung den Darlehensbetrag auf das Konto Nr. * des Klagevertreters bei der Raiffeisenkasse * zu überweisen, sei der Beklagte keineswegs beschwert worden. Die Klägerin habe sich daher keineswegs in Annahmeverzug gesetzt, als sie Ende Oktober/Anfang November 1983 einen angeblichen Übergabstermin mit dem Beklagten versäumt und auch in der mündlichen Streitverhandlung am 4. April 1984 ein Barzahlungsanbot des Beklagten ausgeschlagen habe. Im Zahlungsverzug habe sich vielmehr der Beklagte befunden. Er habe ihn nur durch die Überweisung des Darlehensbetrages auf das ihm bekanntgegebene Konto des Klagevertreters beenden können. Die zutreffende Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß ein bereits eingetretener Zahlungsverzug nicht schon mit der Erteilung des Überweisungsauftrages, sondern erst mit dem Einlangen des geschuldeten Geldbetrages auf dem Konto des Gläubigers ende, werde offensichtlich vom Beklagten selbst nicht angezweifelt. Demnach habe sich der Beklagte bei Schluß der Verhandlung erster Instanz noch nicht von seiner Geldschuld befreit gehabt. Es sei daher die Berufung nicht berechtigt und das angefochtene Urteil mit der entsprechenden Berichtigung des Zinsenausspruches (§ 419 Abs. 3 ZPO) zu bestätigen gewesen.

Dem gegenüber vertritt der Beklagte in seiner Revision den Standpunkt, daß die Bezahlung des geforderten Betrages jedenfalls noch vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz erfolgt sei und damit dem Klagebegehren keine Berechtigung zukomme. Dem kann nicht gefolgt werden.

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß Geldschulden Schickschulden sind, „übermachen“ im Sinne des § 905 Abs. 2 ABGB nicht „überbringen“ sondern „übersenden“ bedeutet und eine nachträgliche einseitige Bestimmung der Zahlungsart durch den Gläubiger – bei rechtzeitigem Einlangen der Mitteilung beim Schuldner – dann als zulässig erachtet werden muß, wenn sie den Schuldner gegenüber § 905 ABGB oder einer getroffenen Vereinbarung nicht schwerer belastet (Reischauer in Rummel ABGB, Rzd 15 zu § 905 und die dort angeführte Rechtsprechung). Rechtzeitig erfolgt die Zahlung einer Geldschuld, die auch dann Schickschuld bleibt, wenn die Zahlung auf ein Bankkonto zu erfolgen hat (vgl. RZ 1965, 82; Reischauer, aaO, Rzd 14 zu § 905), wenn am Fälligkeitstag der Betrag bar aufgegeben (SZ 24/347; HS 6289/9; HS 7249) wird, etwa – wie hier – mit PSK‑Erlagschein (vgl. PSK‑Empfangschein AS 27). Bei bargeldloser Überweisung entscheidet der Tag des Einlangens des Überweisungsauftrages beim kontoführenden Institut, sofern entsprechende Deckung vorhanden ist oder die Überweisung als gedeckt behandelt wird, weil dies der Bareinzahlung gleichkommt (Reischauer, aaO, Rdz 16 zu § 905). Die Rechtzeitigkeit der Zahlung steht aber immer unter der Bedingung des Einlangens des Betrages (SZ 14/206), beziehungsweise der Kontogutschrift (SZ 50/151 u.a.).

Nach § 406 ZPO ist der Entscheidungsgegenstand der Bestand oder Nichtbestand des Anspruches im Zeitpunkte des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Das bedeutet, daß nur eine vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung erfolgte Klaglosstellung zu berücksichtigen ist (Fasching III 660; Fasching, Lehrbuch, RZ 794). Eine Anwendung der dargestellten zu § 905 ABGB entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt zu dem Ergebnis, daß zur Zeit des Schlusses der Verhandlung erster Instanz jedenfalls nicht feststand, ob der vom Beklagtenvertreter am 4. April 1984 knapp vor Schluß der Verhandlung überwiesene Geldbetrag von S 389.700,‑‑ beim Klagevertreter auch tatsächlich eingelangt ist. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend von der Annahme ausgegangen, daß im vorliegenden Verfahren eine Klaglosstellung nicht erfolgt ist, zumal sie auch richtig erkannt haben, daß der Verzug bei Schickschulden erst mit dem Einlangen der Leistung beim Gläubiger bzw. dessen Machthaber (SZ 46/6) beendet ist (Reischauer, aaO, Rdz 17 zu § 905).

Insoweit der Revisionswerber meint, es sei Annahmeverzug eingetreten, weil der Klagevertreter in der Tagsatzung vom 4. April 1984 die ihm angebotene Barzahlung abgelehnt habe, übersieht er, daß der Annahmeverzug eine ordnungsgemäße Leistung des Schuldners (vgl. Reischauer, aaO, Rdz 22 zu § 419), hier also in der geforderten Zahlungsart zur Voraussetzung hat. Liegt aber kein Annahmeverzug vor, so hören weder Vertragszinsen noch Verzugszinsen zu laufen auf. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen handelte es sich um ein mit 9 % verzinsliches Darlehen. Da die Klägerin die bis zum vereinbarten Rückzahlungstermin aufgelaufenen Zinsen kapitalisiert geltend gemacht hat, ist der Beklagte verpflichtet, 9 % Zinsen aus dem Darlehensbetrag von S 360.000,‑‑ ab 1. September 1983 zu bezahlen. Zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz waren diese Zinsen höher als der auf Grund der Überweisung des Beklagtenvertreters auf Zinsen entfallende Betrag. Zur Klaglosstellung hätte der Beklagte daher den Klagsbetrag zuzüglich 9 % Zinsen aus S 360.000,‑‑ vom 1. September 1983 bis 4. April 1984 bezahlen müssen. Da er in der Tagsatzung vom 4. April 1984 dem Klagevertreter bloß einen Betrag von S 389.700,‑‑, also weniger als der Zahlungspflicht des Beklagten entsprach, angeboten hat, wäre die Klägerin – wie sie in der Revisionsbeantwortung zutreffend ausführt – gar nicht verpflichtet gewesen, diese Zahlung anzunehmen (§ 415 ABGB). In der Stattgebung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen kann daher ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden.

Es mußte somit der Revision der Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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