Spruch:
Den Mietern steht mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung kein Recht auf Mietzinszahlung gerade in der Hausbesorger- oder Hauseigentümerwohnung zu. Der Hauseigentümer kann Zinszahlung mittels Erlagscheines verlangen.
Entscheidung vom 23. Jänner 1957, 2 Ob 534/56.
I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Kläger sind Mieter von Wohnungen in dem den Beklagten gehörigen Hause. Bis einschließlich März 1955 wurde der Mietzins von den Klägern in der Dienstwohnung des Hausbesorgers dieses Hauses und im Falle der Verhinderung des Hausbesorgers in der im selben Hause befindlichen Wohnung der Beklagten gezahlt. Ab April 1955 lehnten die Beklagten diese Art der Zinszahlung ab und verlangten die Zahlung mittels Erlagscheines an die Postsparkasse. Im April und Mai 1955 wurde der Zins von den Klägern mittels Erlagscheines gezahlt.
Das Erstgericht wies das in der am 1. Juni 1955 überreichten Klage gestellte Begehren, es werde den Beklagten gegenüber festgestellt, daß hinsichtlich der zwischen den Streitteilen bestehenden Mietverträge der Erfüllungsort für die Zahlung der Mietzinse entweder in der Dienstwohnung des Hausbesorgers oder in der Wohnung der Beklagten nach Wahl der Beklagten sei, ab.
Über Berufung der Kläger erkannte das Berufungsgericht in Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles, es werde den Beklagten gegenüber festgestellt, daß die Kläger berechtigt seien, den jeweils fälligen Mietzins nach Wahl der Beklagten entweder beim Hausbesorger in dessen Dienstwohnung oder den Beklagten in deren Wohnung zu zahlen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist allerdings nicht im Recht, wenn sie behauptet, das Berufungsgericht habe eine Begründung des Rechtes der Kläger auf Zahlung in der Hausbesorger- oder Hauseigentümerwohnung überhaupt unterlassen. Denn das angefochtene Urteil begrundet dieses Recht damit, daß die Mietzinszahlung bisher an den angegebenen Orten erfolgt sei. Dem von der Revision gegen diese rechtliche Beurteilung der Sache gerichteten Angriff muß aber Berechtigung zuerkannt werden.
Wenn auch eine Zahlstelle und eine bestimmte Zahlungsart für die Zahlung der Mietzinse zwischen Vermieter und Mieter vertraglich bindend, d. h. nur im beiderseitigen Einvernehmen abänderbar, festgelegt werden kann, ist eine solche beide Teile bindende vertragliche Regelung nach der Verkehrsübung (§§ 863 Abs. 2, 914 ABGB.) im Zweifel doch nicht als vereinbart anzunehmen, weshalb eine länger dauernde stillschweigende Übung in Ansehung der Verwendung einer Zahlstelle oder in Ansehung einer bestimmten Zahlungsart nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten (§ 863 Abs. 2 ABGB.) auch keinen Schluß auf einen Vertragswillen auf Einrichtung dieser Zahlstelle oder Festlegung dieser Zahlungsart gestattet. Denn bezüglich Art, Uhrzeit und Stelle der Zahlung besteht in der Regel kein Interesse eines Vertragsteiles, dem Gegner innerhalb des Verkehrsüblichen Beschränkungen aufzuerlegen, und insbesondere kein Interesse des Geldschuldners, sich billigen Wünschen des Gläubigers nach einer bestimmten verkehrsüblichen Zahlungsart zu widersetzen. Dem Verkehrsbedürfnis widerstreitet diesbezüglich eine unelastische vertragliche Regelung.
§ 905 Abs. 2 ABGB. bestimmt, daß der Schuldner Geldzahlungen dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu "übermachen" habe. "Übermachen" bedeutet nicht dasselbe wie "überbringen". Die erwähnte Regelung des § 905 Abs. 2 ABGB. gilt ferner ausdrücklich nur im Zweifel, d. h. sie gilt nur, wenn nicht eine andere Zahlstelle für beide Teile bindend vereinbart wurde oder wenn nicht nach einer ausdrücklichen Vereinbarung oder nach einer der Verkehrsübung entsprechenden stillschweigenden Vereinbarung einem Teile innerhalb eines gewissen vereinbarten oder verkehrsüblichen Rahmens ein Wahlrecht zugestanden erscheint, auch eine andere Zahlstelle zu bestimmen, und wenn nicht von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht wurde. Aus dem bereits angeführten Grund, daß in der Regel kein Interesse des Mieters anzunehmen ist, sich den jeweiligen billigen Wünschen des Vermieters nach einer bestimmten verkehrsüblichen Zahlungsart zu widersetzen, muß im Zweifel ein Wahlrecht des Vermieters bezüglich der "Übermachungsart" bei der Mietzinszahlung als stillschweigend vereinbart angesehen werden. Es muß daher dem Vermieter zugebilligt werden, sich bei der Empfangnahme der Mietzinse jederzeit eines Bevollmächtigten, etwa eines Hausbesorgers oder Hausverwalters, zu bedienen, dessen Vollmacht aber gegebenenfalls, z. B. bei Vertrauensverlust, auch wieder zu widerrufen, die Mietzinse in seiner Hauseigentümerwohnung in Empfang zu nehmen oder, etwa aus familiären oder persönlichen Gründen, wie wegen Krankheiten, räumlicher Beschränktheit usw., in einem anderen geeigneten Lokal, und auch die etwa zwecks billigerer oder bequemerer Abwicklung des Zahlungsverkehrs erhobene Forderung der Zahlung mittels eines Postsparkassenerlagscheines - auch diese Zahlungsart erscheint im Verhältnis zwischen den Vertragsteilen als eine Art Übersendung ("Übermachung") des geschuldeten Betrages (vgl. SZ. XV 153) - hält sich innerhalb des Verkehrsüblichen, wobei die Frage der Kostentragung hier als nicht verfahrensgegenständlich außer Betracht zu bleiben hat. Wenn Mietzinsforderungen unter gewissen Beschränkungen abgetreten werden können (§ 42 MietG.), kann die gegen eine Abtretung geringfügige Zahlstellenänderung nicht ausgeschlossen werden. Wenn § 905 Abs. 2 ABGB. bei Wohnungsänderungen des Gläubigers (auch innerhalb eines Ortes, vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 82 Anm. 11; Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 367 zu § 905 ABGB.) die "Übermachung" des geschuldeten Geldbetrages an den neuen Wohnsitz des Gläubigers vorschreibt, entspricht auch dies dem oben erwähnten Verkehrsbedürfnis. Der Schuldner hat nur dann die Wahl zwischen den verkehrsüblichen Zahlungs- oder Übersendungsarten, wenn der Gläubiger nicht eine bestimmte Zahlungsform ausdrücklich vorgeschrieben hat (2 Ob 414/49).
Die Bedeutung des Verkehrsüblichen für die Zahlungsmodalitäten geht auch aus folgender Erwägung hervor: trotz des Fehlens einer dem § 358 HGB. analogen Vorschrift im bürgerlichen Recht muß ein Leistungsanbot zur Unzeit nicht angenommen werden (Gschnitzer a. a. O. S. 347 zu § 903 ABGB.). Dies kann ebenso wie die Entscheidung der Frage, wann Unzeit vorliegt, nur aus der Verkehrsübung abgeleitet werden.
Den Klägern steht sohin mangels einer dahingehenden ausdrücklichen Vereinbarung kein Recht auf Mietzinszahlung gerade in der Hausbesorger- oder Hauseigentümerwohnung zu.
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