OGH 13Os39/85

OGH13Os39/8518.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1985 durch den Hofrat des Obersten Geichtshofs Dr.Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Frieda A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 ff. StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 11.Dezember 1984, GZ 9 b Vr 11.466/84-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Gehart, der Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Hofellner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Die am 27.August 1933 geborene Frieda A wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1, 128 Abs 2 und 129 Z. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie am 9.September 1984 in Wien Erich B, in dessen Wohnung sie sich seit zwei Tagen aufgehalten hatte, eine (aus Papiergeld und Münzen bestehende) Barschaft von 154.500 S gestohlen, indem sie die (das Geld enthaltende) Kassette mit dem in einem Versteck gefundenen (sohin widerrechtlich erlangten) Schlüssel öffnete.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In der Mängelrüge behauptet die Beschwerdeführerin (sinngemäß) eine teils aktenwidrige, teils unvollständige Begründung des Urteils, soweit darin (sachverhaltsmäßig) das Zustandekommen einer außerehelichen Lebensgemeinschaft zwischen ihr und dem Bestohlenen negiert wird.

Zwischen der Angabe der Entscheidungsgründe (S. 85), die Angeklagte habe 'die Frage, ob eine Lebensgemeinschaft zu gründen beabsichtigt war, verneint (Seite 74 unten)', und der im Hauptverhandlungsprotokoll beurkundeten Antwort der Angeklagten auf die betreffende Frage: 'Nein, davon hat er (gemeint: Erich B) nichts gesagt' (S. 74), ist indes kein erheblicher Widerspruch in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO zu erkennen. Einer Erörterung der Aussage des Zeugen B, er 'habe schon daran gedacht' (eine Lebensgemeinschaft zu begründen: S. 77), bedurfte es in diesem Zusammenhang nicht; denn begründet wird eine außereheliche Lebensgemeinschaft (§ 72 Abs 2 StGB) nicht schon durch das innere Vorhaben eines Teils (für die Zukunft), sondern erst durch die faktische Gestaltung des gemeinschaftlichen Zusammenlebens beider Partner im Sinn einer auf längere Dauer ausgerichteten, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommenden Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft (LSK 1975/198; 1978/229 u.a.). Auch die vom Zeugen B geäußerte (im Urteil ohnehin als erwiesen angenommene: S. 85) Erwartung, die Angeklagte werde bei ihm wohnen bleiben und ihm dafür im Haushalt helfen, besagt noch nicht, daß (darüber hinaus) eine umfassende eheähnliche Gemeinschaft in der dargelegten Bedeutung zwischen ihnen bereits aufgenommen worden sei.

Ebensowenig gefolgt werden kann der die Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO zitierenden, im Hinblick auf das Verhältnis der öffentlichen zur Privatanklage (der Sache nach) in Richtung einer Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z. 9 lit c (LSK 1976/134) ausgeführten Rechtsrüge, die einen sofortigen Freispruch wegen Fehlens einer nach § 166 StGB bei Begehung des Diebstahls im Familienkreis erforderlichen (rechtzeitigen) Privatanklage des Verletzten reklamiert.

Die Beschwerdeauffassung, an eine außereheliche Lebensgemeinschaft im Sinn des § 72 Abs 2 StGB seien zu deren Beginn geringere Anforderungen zu stellen als später, ist dem Gesetz fremd, welches, wie bereits erwähnt, eine (im Tatzeitpunkt bestehende) auf längere Zeit ausgerichtete, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommende Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft voraussetzt. Eine solche umfassende und auf Dauer ausgerichtete eheähnliche Gemeinschaft zwischen der Angeklagten und dem von ihr Bestohlenen hat aber das Erstericht ausgeschlossen und damit das Bestehen einer für die Heranziehung des § 166 StGB vorausgesetzten Lebensgemeinschaft zutreffend verneint, ohne noch dem Verdacht nachgehen zu müsssen, die Angeklagte habe die Beziehung zu Erich B überhaupt nur zur Erreichung ihres kriminellen Ziels angestrebt (LSK 1984/58).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach § 128 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Dabei wertete es die einschlägigen, rückfallsbegründenden Vorstrafen als erschwerend, hingegen als mildernd das Geständnis.

Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Diesem Rechtsmittel kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Wenngleich von der Berufungswerberin zusätzlich reklamierte Milderungsgründe nicht vorliegen, erachtet der Oberste Gerichtshof einen Freiheitsentzug von fünf Jahren für überhöht. Zunächst darf nicht außer acht bleiben, daß die Strafnorm des § 128 Abs 2 StGB Diebstähle mit einem 100.000 S in jeder auch nur erdenklichen Höhe übersteigenden Wert der Beute deckt. Gemessen an den durch keine Obergrenze limitierten, denkbaren Fallvarianten liegt die gestohlene Barschaft von 154.500 S noch an der Untergrenze des vom § 128 Abs 2 StGB erfaßten Schadensbereiches. Dazu kommt, daß die Angeklagte zwar schon ähnliche Taten begangen hat, sich ihr aber hier, anders als sonst, die Gelegenheit bot, einen unverhältnismäßig größeren Betrag (als sonst) zu stehlen. Dies eröffnet die Möglichkeit, erstmals eine mehrjährige Freiheitsstrafe über die Angeklagte zu verhängen, die bisher nur jeweils mehrmonatige Freiheitsentzüge erlitten hatte. Eine Freiheitsstrafe von drei Jahren ist demgegenüber eine so fühlbare Steigerung, daß sie - auch unter Berücksichtigung des raschen Rückfalls und der Belange der Spezial- und Generalprävention - als ausreichend angesehen werden kann.

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