OGH 1Ob525/85

OGH1Ob525/8517.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut A, Büchsenmachermeister, Eisenreichs Nr.14, vertreten durch Dr.Wilfried Werbik, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagten Parteien 1. Günter B, Angestellter, Krems an der Donau, Berggasse 6, 2. Elisabeth B, Verkäuferin, Krems an der Donau, Symalenstraße 15/2, beide vertreten durch Dr.Franz Müller, Rechtsanwalt in Kirchberg am Wagram, wegen S 120.000 und Feststellung (Gesamtstreitwert S 150.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom 8. November 1984, GZ 1 b R 334/84-37, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 14.Mai 1984, GZ 2 C 1083/82-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.913,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 541,20 Umsatzsteuer und S 160 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 5.10.1982 vermieteten die Beklagten dem Kläger mit 1.11.1982 ein Geschäftslokal samt Büroräumen im Hause Krems an der Donau, Burggasse 5, auf zehn Jahre zu einem monatlichen Bestandzins von S 5.500

zuzüglich einer anläßlich der Unterfertigung des Mietvertrages geleisteten Mietzinsvorauszahlung von S 120.000. Die Voreigentümerin der Liegenschaft und Vorbenützerin des Geschäftslokales war Maria C gewesen. Diese hatte einen mit Bescheid des Magistrates der Stadt Krems vom 21.8.1968 genehmigten Umbau nicht gemäß den erteilten Auflagen und Vorschriften durchgeführt, weshalb die Baubehörde mit Bescheid vom 4.4.1969 die Ersatzvornahme angedroht und mit Bescheid vom 4.6.1969 die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme aufgetragen hat. Gegen beide Bescheide hat Maria C Berufungen erhoben, über die nicht entschieden wurde. Ungeachtet dessen betrieb Maria C in dem nicht vorschriftsgemäß umgebauten Geschäftslokal bis Ende 1981 einen Textilhandel. Daß das Geschäftslokal nicht kollaudiert sei, war den Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrages bekannt. Anläßlich der Vertragsgespräche erwähnte der Kläger, daß er großen Wert darauf lege, das Lokal bald öffnen zu können, um das Weihnachtsgeschäft noch voll ausnützen zu können. Der Erstbeklagte antwortete darauf, der Kläger könne das Geschäftslokal sofort benützen. Wegen der vom Kläger in Aussicht genommenen Umbauarbeiten werde er aber für Oktober 1982 noch keinen Zins verlangen. Kurz nach Abschluß des Bestandvertrages erfuhr der Kläger, daß eine Benützungsbewilligung nicht erteilt worden war und damit ein konsensloser Zustand vorliege, daß für die geplanten Umbauarbeiten und die Widmungsänderung des Geschäftslokales eine Baubewilligung erforderlich sei, sowie daß die seinerzeit Maria C erteilte Baubewilligung durch Zeitablauf ihre Gültigkeit verloren habe und in dieser Form nicht mehr vollzogen werden könne. Etwa eine Woche nach Abschluß des Vertrages erklärte der Kläger dem Erstbeklagten vorerst mündlich, auf Grund dieser Umstände vom Bestandvertrag zurückzutreten. Mit an beide Beklagte gerichtetem Schreiben seines Rechtsvertreters vom 27.10.1982 erklärte er neuerlich den Rücktritt vom Bestandvertrag und machte dessen sofortige Auflösung geltend, weil der Vertrag vom Kläger nicht abgeschlossen worden wäre, wäre ihm mitgeteilt worden, daß für die seinerzeit vorgenommenen Umbauten des Mietgegenstandes mangels Kollaudierung keine Benützungsbewilligung der Baubehörde vorliege und außerdem - dies war allerdings den Beklagten nicht bekannt - die zur Mitbenützung eingeräumte ebenerdig gelegene WC-Anlage zum Gutsbestand eines Nachbargrundstückes gehöre. Die Herstellung eines der seinerzeitigen Baubewilligung entsprechenden ordnungsgemäßen Bauzustandes würde S 45.374 erfordern.

Mit der am 6.12.1982 eingebrachten und unter anderem ausdrücklich auf Irrtum gestützten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß der am 5.10.1982 abgeschlossene Bestandvertrag rechtsunwirksam sei sowie den Zuspruch des als Mietzinsvorauszahlung geleisteten Betrages von S 120.000 samt Anhang.

Die Beklagten wendeten in erster Instanz im wesentlichen nur ein, allfällige Auflagen der Baubehörde seien ihnen nicht bekannt gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sei u.a. aus dem Grund der Irrtumsanfechtung berechtigt. Die Beklagten hätten den Mangel der Benützungsbewilligung und somit eine wesentliche Eigenschaft des Bestandobjektes verschwiegen. Der Kläger sei deshalb der Meinung gewesen, er miete ein Geschäftslokal, das er in rechtlicher Beziehung ohne weiteres verwenden könne. Der Kläger habe sich daher in einem Geschäftsirrtum befunden.

Dieser Irrtum sei auch wesentlich, da er ohne ihn den Bestandvertrag nicht abgeschlossen hätte. Er sei daher berechtigt, das abgeschlossene Geschäft anzufechten. Dies führe zur Aufhebung des Vertrages ex tunc. Die Beklagten hätten die auf Grund des Vertrages erhaltenen Leistungen zurückzustellen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil insgesamt den Betrag von S 300.000 übersteige. Es übernahm die vom Erstgericht getroffene Feststellung, daß ohne die Irreführung der Kläger den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Das Erstgericht habe daher dem Klagebegehren wegen Irrtums nach dem § 871 ff ABGB zu Recht stattgegeben. Der Kläger habe in den Geschäftsräumlichkeiten, die Hauptgegenstand des Mietvertrages gewesen seien, unverzüglich einen Waffenhandel eröffnen wollen, um das Weihnachtsgeschäft 1982 noch voll ausnützen zu können. Hiezu wäre aber die baubehördliche Genehmigung der Verwendung des Bestandgegenstandes als Geschäftslokal Voraussetzung gewesen. Die Annahme des Klägers, daß eine solche Bewilligung vorliege, habe sich also auf einen Punkt bezogen, der Inhalt des Rechtsgeschäftes gewesen sei. Für den Irrtum des Klägers hätten die Beklagten einzustehen, weil der Irrtum durch sie veranlaßt und darüber hinaus noch rechtzeitig vom Kläger aufgeklärt worden sei. Für die Veranlassung sei Verschulden nicht erforderlich. Die Abgrenzung zwischen wesentlichem und unwesentlichem Irrtum liege darin, ob ohne Irrtum der Vertrag gar nicht oder anders zustandegekommen wäre. Hiebei sei in erster Linie auf den hypothetischen Parteiwillen abzustellen. Nur bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte aus dem Verhalten der Parteien komme es auf die Verkehrsauffassung nach einem objektiven Maßstab an. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes habe der Kläger unverzüglich mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebes beginnen wollen, wobei er vorausgesetzt habe, daß die Benützungsbewilligung gegeben sei, er also nicht zwecks Erlangung einer Benützungsbewilligung Zeit und Kosten aufwenden müsse. Er fechte daher den Bestandvertrag zu Recht wegen Irrtums an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor.

In ihrer Rechtsrüge bekämpfen die Beklagten die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der von ihnen veranlaßte Irrtum sei wesentlich, es läge vielmehr für den Kläger nur ein unerheblicher Irrtum vor. Wie das Berufungsgericht jedoch zutreffend ausführte, ist ein Irrtum dann wesentlich, wenn der Irrende ohne den Irrtum das Geschäft nicht abgeschlossen hätte. Dies ist nach dem hypothetischen Parteiwillen, hilfsweise nach der Verkehrsauffassung, zu beurteilen (SZ 55/2; SZ 53/108; SZ 48/112 uva;

Koziol-Welser 6 I 101; Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 872; Gschnitzer in Klang 2

IV/1, 124 f). Die Vorinstanzen zogen auf Grund der bei den Vertragsgesprächen gemachten öußerung, dem Kläger komme es darauf an, wegen des zu erwartenden Weihnachtsgeschäftes möglichst bald das Lokal zu eröffnen, und der Zusicherung des Erstbeklagten, der Kläger könne das Lokal sofort benützen, den Schluß auf den den Beklagten erkennbaren und nach den Umständen auch bekannten hypothetischen Parteiwillen, der Kläger hätte ohne den von den Beklagten veranlaßten Irrtum den Bestandvertrag nicht abgeschlossen. Der Schluß von bestimmten Tatsachen auf einen bestimmten Willen oder eine bestimmte Absicht gehört aber ebenso in den irrevisiblen Tatsachenbereich (SZ 49/43; RZ 1974/54

uva; Fasching Kommentar IV 333; derselbe Zivilprozeßrecht RZ 1926) wie die Feststellung hypothetischer Tatumstände (1 Ob 560/83; 8 Ob 184/79; 8 Ob 18/75

ua). Den Revisionswerbern ist es daher verwehrt, diesen konkret festgestellten hypothetischen Parteiwillen, zudem mit dem neuen Vorbringen, der Kläger hätte zum vorgesehenen Termin (1.11.1982) das Lokal nicht eröffnen können, weil er bis zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Konzession nicht erlangt hätte, die von den Beklagten durchzuführende, von ihnen aber gar nicht angebotene Herstellung eines konsensgemäßen Zustandes wäre leicht innerhalb des Zeitraumes der vom Kläger beabsichtigten Umbauarbeiten zu bewerkstelligen gewesen, zu bekämpfen. Von einer Klaglosstellung des Klägers durch die Beklagten und einer Unerheblichkeit des Irrtums des Klägers kann dann keine Rede sein.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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