OGH 13Os25/85

OGH13Os25/8528.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.März 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann (Berichterstatter) und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nora A und andere wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Nora A sowie über die Berufungen dieser Angeklagten und der Angeklagten Michael B, Anton R*** und Johann C gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 20.November 1984, GZ 12 a Vr 2288/84-101, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, sowie der Verteidiger Dr. Mayerhofer, Dr. Höhne, Dr. Piffl-Lambert und Dr. Maurer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die österreichischen Staatsbürger Nora Maria A, geboren am 23.November 1951, Michael B, geboren am 23.November 1954, Anton D, geboren am 17.April 1948, und Johann C, geboren am 26.September 1953, des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und § 15 StGB (A), Johann C auch des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 1 SuchtgiftG. (B) und Nora Maria A, Michael B und Johann C überdies des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 (3. und 4. Fall) SuchtgiftG. (C) schuldig erkannt. Darnach haben die Angeklagten vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen aus Marokko ausgeführt und in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen versucht, teilweise auch Suchtgift in Wien in Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte oder entstehen hätte können, indem sie als Mittäter unter Mitwirkung einer abgesondert verfolgten Frau am 5.August 1983 insgesamt 11 kg für den Vertrieb in Österreich bestimmtes Haschisch auf dem Luftweg in Frankfurt am Main einzuführen versuchten, wobei Nora Maria A subjektiv aber nur die von ihr transportierte Menge von 5,1 kg angerechnet wurde (A 1 und 2); Nora Maria A hat überdies vom Mai bis Juli 1983 in mehreren Angriffen ca. 14 Gramm Heroin an den abgesondert verfolgten Ernst B*** verkauft (A 3) und Johann C hat ebenfalls allein im Juli und August 1984

in mehreren Angriffen ca. 25 Gramm Heroin an den abgesondert verfolgten Peter E verkauft (A 4). Johann C liegt darüber hinaus auch die unberechtigte überlassung von Suchtgift an die abgesondert verfolgte Helga F im Sommer 1984 (B) zur Last und ihm sowie Nora Maria A und Michael B auch der wiederholte und unberechtigte Besitz und Erwerb von Suchtgift in den Jahren 1982 bis Herbst 1984 (C).

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte A bekämpft mit ihrer auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den sie betreffenden Schuldspruch wegen des versuchten Imports von 5,1 kg Haschisch von Marokko in die Bundesrepublik Deutschland (A 1) mit der Begründung, infolge der rechtskräftigen Aburteilung wegen dieser Straftat bereits in Deutschland liege eine entschiedene Sache vor, was einer neuerlichen Verfolgung und Verurteilung in Österreich entgegenstehe. Die Rüge erweist sich als verfehlt.

Richtig ist, daß wegen der dem Schuldspruch A 1 zugrundeliegenden Tathandlung über die Angeklagte A mit Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 1.November 1983, AZ. 90 Js 22675/83, wegen Einfuhr von Haschisch in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verhängt und ihre Berufung gegen dieses Urteil vom Landgericht Frankfurt am Main am 5.April 1984 mit der Maßgabe zurückgewiesen worden ist, daß Nora Maria A 'wegen versuchter Einfuhr von Haschisch in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Haschisch in nicht geringer Menge' zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt wurde.

Zu dieser Strafsache befand sie sich vom 5.August 1983, 0.00 Uhr, bis 6.August 1984, 12 Uhr, in Polizei-, Untersuchungs- und Strafhaft. Nach der Verbüßung von etwa der Hälfte der Strafe wurde die Verurteilte in Auslieferungshaft übernommen (S. 141, 229, 231, 233/I, S. 71-81/II). Die Beschwerdeführerin übersieht, daß für ausländische Straftaten, die ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatorts nach den österreichischen Strafgesetzen zu bestrafen sind (§ 64 StGB), nicht das im § 65 Abs 4 StGB verankerte Erledigungsprinzip gilt, diese Delikte vielmehr auch dann, wenn sie im Tatortstaat bereits abgestraft wurden (soweit der Staatsanwalt nicht gemäß § 34 Abs 2, letzter Fall, StPO vorgeht), in Österreich zu verfolgen und abzuurteilen sind, sodaß es zu einer Doppelbestrafung kommen kann (Leukauf-Steininger 2 RN. 1 zu § 65, 1 und 40 zu § 64 StGB). Für diese Fälle sieht § 66 StGB die Anrechnung der im Ausland erlittenen Strafe (und zwar sowohl der Strafhaft als auch der vom ausländischen Gericht auf die - verbüßte (LSK. 1977/45 = SSt. XLVII/80) - Strafe angerechneten Verwahrungs- und Untersuchungshaft) vor.

Auf die Tat der Angeklagten A kommt § 64 Abs 1 Z. 4 StGB zur Anwendung (LSK. 1983/153), weil durch das von ihr im Ausland begangene Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und § 15 StGB österreichische Interessen verletzt worden sind. Nach den Urteilskonstatierungen war das von der Angeklagten aus Marokko ausgeführte und auf dem Luftweg nach Frankfurt am Main beförderte Suchtgift zur Einfuhr nach Österreich und hier zur Weiterverbreitung an einen unbestimmten gr ßeren Personenkreis bestimmt. Wenngleich zufolge Sicherstellung der von A übernommenen Sendung anläßlich des Transits am Flughafen Frankfurt am Main der Schmuggel nicht gelungen und es demgemäß auch nicht zum beabsichtigten Inverkehrsetzen im Inland gekommen ist, war unter den gegebenen Umständen doch schon durch die übernahme einer größeren, zur Herbeiführung der im § 12 Abs 1 SuchtgiftG.

umschriebenen Gemeingefahr geeigneten Suchtgiftmenge seitens der Rechtsmittelwerberin und die Ausfuhr des Haschisch aus Marokko zum Zweck seiner schließlichen Einfuhr nach Österreich ein Bezug zwischen der Tat und Österreich hergestellt, welcher die Annahme einer Verletzung österreichischer Interessen erfordert (SSt. 52/6, Erben-Kodek-Pipal, Komm. zur Suchtgiftgesetzgebung, 37). Darüber hinaus liegt auch die Alternativvoraussetzung des § 64 Abs 1 Z. 4, letzter Halbsatz, StGB vor, weil die österreichische Staatsbürgerin A unabhängig davon, daß die Bundesrepublik Deutschland als ein Tatortstaat ihren Strafanspruch bereits ausgeschöpft hat, zufolge der im Verfassungsrang stehenden Norm des § 12 Abs 1 ARHG. überhaupt nicht ausgeliefert werden dürfte (SSt. 47/66).

Daraus folgt, daß die ausländische Verurteilung der Angeklagten wegen derselben Straftat - auch wenn man davon ausgeht, daß der nicht verbüßte Strafrest ihr erlassen worden ist (§ 65 Abs 4 Z. 3 StGB) - kein Verfolgungshindernis nach § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO begründet. Das Erstgericht hat vielmehr zutreffend gemäß dem hier anzuwendenden Einrechnungsprinzip der Beschwerdeführerin nach § 66 StGB auch die in der Bundesrepublik Deutschland vom 5.August 1983, 0.00 Uhr, bis 6.August 1984, 12 Uhr, erlittene Vor- und Strafhaft auf die im Inland verhängte Strafe angerechnet. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte, offenbar nach der ersten Strafstufe des ersten Strafsatzes des § 12 Abs 1 SuchtgiftG., unter Anwendung des § 28 StGB über die Angeklagten nachfolgende unbedingte Freiheitsstrafen:

A zweieinhalb Jahre, B drei Jahre, D zwei Jahre und C drei Jahre. A und C wurden überdies gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG. zu Verfallsersatzstrafen verurteilt und gemäß § 16 Abs 3 SuchtgiftG. wurden die sichergestellten Suchtgifte für verfallen erklärt.

Bei der Strafzumessung wurden bei den einzelnen Angeklagten nachfolgende Umstände gwürdigt:

A erschwerend: die Tatbegehung aus Gewinnsucht,die große Menge

des (geschmuggelten) Haschisch und (in Verkehr

gesetzten) Heroins, die Wiederholung des

Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG. und dessen

Zusammentreffen mit dem Vergehen nach § 16

SuchtgiftG., die zwei einschlägigen

Vorstrafen, mildernd: das Geständnis und daß es

teilweise beim Versuch geblieben ist.

B erschwerend: die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen,

die große Haschischmenge, die Verleitung der

A zur Tat, mildernd: das Geständnis und daß es

teilweise beim Versuch geblieben ist.

D erschwerend: die große Haschischmenge, die Begehung aus

Gewinnsucht und die Verführung der

weiteren Mittäterin

zur Tat, mildernd: das Geständnis, die Unbescholtenheit

und daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.

C erschwerend: die große Menge des (geschmuggelten)

Haschisch und des (in Verkehr gesetzten)

Heroins, die beiden nach § 12 SuchtgiftG.

strafbaren Handlungen und deren

Zusammentreffen mit weiteren Vergehen nach §

16 SuchtgiftG., mildernd: das Teilgeständnis und daß es

teilweise beim Versuch geblieben ist.

Mit ihren Berufungen streben alle vier Angeklagten ersichtlich nur die (beträchtliche) Herabsetzung der nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. verhängten Freiheitsstrafen an, lassen die übrigen Strafaussprüche aber unangefochten.

Zu den einzelnen Berufungsausführungen ist generell vorweg festzuhalten, daß sich die Strafsanktion unter Zugrundelegung der auch vom Schöffengericht zitierten Grundsätze des § 32 StGB an der Einzeltatschuld zu orientieren hat, sodaß beim Vergleich der über die Mittäter verhängten Strafen nicht einzelne für oder gegen einen Komplizen sprechende Umstände isoliert betrachtet werden dürfen, sondern auch wieder nur das täterbezogene Ergebnis der Abwägung der einzelnen Milderungs- und Erschwerungsumstände. Eine überprüfung nach diesem Gesichtspunkt bringt aber zutage, daß das Erstgericht die unterschiedliche Vorbelastung und Tatbeteiligung (Suchtgiftmengen, Deliktshäufung) durchaus abgewogen und zueinander abgestufte, insgesamt aber im Mittelfeld des von einem bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatzes liegende Freiheitsstrafen verhängt hat. Da die Schwere der Tat auch bei den unbescholtenen (weniger belasteten) Tätern ein deutliches überschreiten der Strafuntergrenze erfordert und auch die vorbelasteten Angeklagten gewichtige Milderungsumstände für sich in Anspruch nehmen können, sieht sich der Oberste Gerichtshof aus dieser Sicht nicht veranlaßt, Strafreduzierungen vorzunehmen.

Wenn die Angeklagte A hervorhebt, daß sie als einzige nur für den Transport von 5,1 kg Haschisch verantwortlich sei (A 1), während die Mittäter, vor allem der auch wegen Heroinverkaufs verurteilte (A 4) Johann C, für 11 kg Haschisch strafrechtlich zu haften haben (A 1 und 2), bedarf es des Hinweises, daß C zwar wegen anderer (allerdings teilweise auch gegen Leib und Leben gerichteter) Delikte nicht aber wegen eines Verstoßes gegen das SuchtgiftG. vorbestraft ist. Selbst wenn man die Meinung vertreten wollte, daß dessen Bestrafung zu mild ist, kann damit noch kein Grund für die Milderung der angemessenen Bestrafung der A gefunden werden. Da A und C geständig und süchtig waren, können ihren diesbezüglichen Berufungsausführungen keine für eine Strafreduzierung sprechenden Umstände entnommen werden.

Dem Vorbringen des am schwersten einschlägig vorbestraften Michael B, er sei hineingezogen worden und habe nur Nachschub für den Eigenkonsum benötigt, ist entschieden entgegenzuhalten, daß er A angeworben und an der Tatvorbereitung und -ausführung intensiv mitgearbeitet hat (S. 108, 111, 112/II), sodaß bei ihm ebenso wie bei C eine Korrektur nach unten überhaupt nicht diskutabel ist. Diese intensive Beteiligung an der Planung und Ausführung des schwerwiegenden Suchtgiftschmuggels (S. 110, 111, 112, 113, 115/II) spricht aber auch gegen eine noch mildere Bestrafung des einzigen unbescholtenen Mittäters D.

Den Berufungen war somit insgesamt der Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte