OGH 8Ob74/84

OGH8Ob74/8421.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. S*****, und 2. Alfred P*****, beide vertreten durch Dr. Franz Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 479.075,10 S sA und Feststellung (61.000 S), Revisionsstreitwert 540.075,10 S, infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Juli 1984, GZ 6 R 148/84-48, womit infolge Berufung der klagenden und der erstbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. März 1984, GZ 16 Cg 64/80-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 16.297,95 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 2.400 S und USt von 1.263,45 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. 2. 1977 ereignete sich gegen 15:00 Uhr am Palinkopf im Schigebiet Ischgl-Fimbertal ein Lawinenunglück, bei dem der bei der Klägerin sozialversicherte Egon P***** den Tod fand. Wegen dieses Lawinenunglücks wurde zu Z 80/77 des Bezirksgerichts Landeck unter anderem gegen den Zweitbeklagten ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet; es wurde gemäß § 90 StPO eingestellt.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin aus dem Rechtsgrund des Ersatzes an die Witwe und an den Sohn des Getöteten erbrachter Pflichtaufwendungen iSd § 332 ASVG die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 479.075,10 S sA; überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für ihre künftigen Pflichtaufwendungen gerichtetes Feststellungsbegehren.

Der Höhe nach ist das Leistungsbegehren der Klägerin nicht mehr strittig; auch das Feststellungsinteresse der Klägerin ist unbestritten.

Dem Grunde nach stützte die Klägerin ihr Begehren im Wesentlichen darauf, dass Egon P***** als Schifahrer zur Unfallszeit den unteren Teil einer Schipiste befahren habe während vier Ratrac-Geräte Präparierungsarbeiten an dieser Piste durchgeführt hätten. Während dieser Arbeiten habe sich oberhalb der Piste eine Lawine gelöst. P***** habe mit einer Schussfahrt zu flüchten versucht, sei dabei aber zu Sturz gekommen, wobei er so schwere Kopfverletzungen erlitten habe, dass er noch am gleichen Tag verstorben sei. Da das Schigelände, in dem sich der Unfall ereignet habe, zum Betrieb der Erstbeklagten gehört habe, sei diese dafür verantwortlich, dass die Schifahrer ihren Sport nur dort ausüben dürften, wo keine Lawinengefahr bestehe. Der Zweitbeklagte sei damals der Pistenchef der Erstbeklagten gewesen; er habe den Einsatz der Ratrac-Geräte persönlich geleitet. Die Piste am Palinkopf sei bis zum Unfallstag für Schifahrer gesperrt und mit dem Hinweisschild „Lawinengefahr“ abgesichert gewesen. Anlässlich der Präparierungsarbeiten sei von Angestellten der Erstbeklagten über Auftrag des Zweitbeklagten die Absperrung entfernt und die Lawinenwarntafel umgedreht worden. Die Haftung der Erstbeklagten für die Unfallsfolgen sei grundsätzlich deshalb gegeben, weil sie für die Sicherheit auf dem zum Bereich der von ihr betriebenen Seilbahn gehörenden und von ihr präparierten Schipisten verantwortlich sei. Die zivilrechtliche Haftung der Beklagten gründe sich auf § 1299 ABGB. Der Zweitbeklagte, der Sachverständiger im Sinne dieser Gesetzesstelle gewesen sei, habe nicht die dafür erforderlichen Kenntnisse gehabt, um zu erkennen, dass er auf keinen Fall während der Arbeiten mit den Pistengeräten auf dem lawinengefährdeten Hang die Piste für die Schifahrer freigeben durfte. Gerade durch das Befahren des Geländes mit diesen Geräten seien Kräfte ausgelöst worden, die zum Lawinenabgang geführt hätten. Dies habe der Zweitbeklagte nicht erkannt. Für diese Unkenntnis sei er zivilrechtlich verantwortlich. Schon aus Gründen der allgemeinen Vorsicht wäre er verpflichtet gewesen, den Hang während der Präparierung zu sperren oder gesperrt zu lassen. Dem Zweitbeklagten habe bewusst sein müssen, dass er zu wenig technische Ausbildung dafür hatte, um beurteilen zu können, ob durch die Verwendung der vier Ratrac-Geräte die Piste gefestigt werde oder gerade durch den von diesen Geräten erzeugten Druck der Abgang der Lawine herbeigeführt werde. Mangels dieser Kenntnisse wäre besondere Vorsicht geboten gewesen. Ein Ratrac sei eine gefährliche Arbeitsmaschine, weshalb auch die Haftungsbestimmungen des EKHG analog anzuwenden seien.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach ein, sie seien für die Folgen des Unfalls nicht haftbar. Der Zweitbeklagte habe alle Sicherungsmaßnahmen getroffen, die ihm zum Zeitpunkt des Unfalls aufgrund seiner Ausbildung und seiner Erfahrung bekannt gewesen seien und die auch dem Stand der allgemeinen fachlichen Kenntnisse entsprochen hätten. Die Abbruchgefahr eines Hanges sei nach den derzeitigen Kenntnissen entweder durch Absprengen des Hanges oder durch Befahren eines Hanges mit Pistengeräten zu überprüfen. Der Zweitbeklagte sei vor Beginn der Präparierungsarbeiten mit einem Pistenfahrzeug an die lawinengefährdetste Stelle am westlichen Ende des Hanges eingefahren und von dort den Hang abgefahren. Weil dabei der Hang nicht abgebrochen sei, habe der Zweitbeklagte mit einer Lawinengefahr nicht rechnen können. Zum Zeitpunkt dieses Tests am Morgen des 2. 2. 1977 hätten sich keine Schifahrer im Hang befunden. Dass trotz des in der Folge erfolgten mehrmaligen Befahrens des Hanges mit vier Pistenfahrzeugen erst bei der dritten Befahrung des Hanges durch eines dieser Pistenfahrzeuge die Lawine ausgelöst werde, sei nach den allgemein gültigen fachlichen Kenntnissen nicht erkennbar gewesen. Es habe sich um einen selbst für den Fachmann ungewöhnlichen und nicht voraussehbaren Lawinenabgang gehandelt. Egon P***** treffe ein Mitverschulden am Unfall, weil er den Hang befahren habe, ohne dass dieser als Piste gekennzeichnet gewesen sei und weil er nach dem Auslösen der Lawine falsch reagiert habe.

Das Erstgericht gab (abgesehen von der Abweisung eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens) dem gegen die Erstbeklagte gerichteten Klagebegehren statt und wies das gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klagebegehren ab.

Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Das Lawinenunglück vom 2. 2. 1977 ereignete sich am West-Nordwest-Hang des Palinkopfes. Die Schneedecke wies an diesem Hang Anfang Februar einen ungünstigen Aufbau mit nur mäßig verfestigter Zwischenschicht und mit Schwimmschneebildung in Bodennähe auf. Es war somit eine verstärkte Störanfälligkeit und Abbruchsbereitschaft gegeben. Der Hang war auch bis zum 2. 2. 1977 abgesperrt und mit einer Lawinengefahrtafel kenntlich gemacht. Trotzdem wurde der Hang immer wieder von Schifahrern befahren, sodass der bei der Erstbeklagten als Pistenchef beschäftigte Zweitbeklagte nach Absprache mit dem Vorstand der Erstbeklagten am Morgen des 2. 2. 1977 die Präparierung des Hanges anordnete.

In der Zeit von 9:30 Uhr bis 12:00 Uhr wurde daraufhin durch Angestellte der Erstbeklagten die über diesen Hang führende Abfahrt vom Palinjoch zur Bodenalpe durch je zweimaliges Befahren mit vier Pistenfahrzeugen der Erstbeklagten in einer Breite von 40 m für die Benützung als Massenschiabfahrt präpariert. Am Nachmittag dieses Tages fuhr der Zweitbeklagte in einem von Raimund W***** gelenkten Pistenfahrzeug abermals in den Hang ein, um zusammen mit zwei anderen Pistenfahrzeugen diesen nochmals zu präparieren. Als sich das Pistenfahrzeug, in dem der Zweitbeklagte mitfuhr, knapp über der Hälfte des angefahrenen Hanges befand, brach knapp 20 m oberhalb ein ca 60 m breites Schneebrett los.

Egon P*****, der ebenso wie andere Schifahrer an diesem Nachmittag in den Hang eingefahren war, da die Absperrung entfernt und die Lawinengefahrtafel umgedreht worden war und der sich mit ca 10 anderen Schifahrern im unteren Abschnitt des Hanges befand, ergriff vor der herannahenden Lawine - einer von Fachleuten propagierten Methode folgend - die Flucht, indem er der Falllinie des Hanges folgend abfuhr. Dabei wurden ihm die Schier verrissen; er kam zu Sturz, schlug mit seinem Kopf auf einem Stein auf und erlitt dabei tödliche Verletzungen.

Zur Unfallszeit war die Testung einer Schneedecke auf ihre Lawinensicherheit durch Befahren mit Pistengeräten durchaus üblich. Die Gefährlichkeit dieser Methode wurde erst durch etliche schwere Unfälle im Jahr 1979 offensichtlich und erst nach diesen Geschehnissen ausführlich in der Fachliteratur behandelt. Ungewöhnlich an diesem Unglück ist, dass die Lawine nicht schon bei der erstmaligen Präparierung noch dazu mit vier Pistenfahrzeugen durch zweimaliges Befahren, sondern erst am Nachmittag, als der Zweitbeklagte eine erneute Präparierung anordnete und als sich nur ein einziges Pistenfahrzeug auf dem Hang befand, abging. Die äußeren Verhältnisse hatten sich zwischen der vormittägigen und der nachmittägigen Befahrung kaum geändert. Die Piste wurde durch die erstmalige Präparierung infolge des geringen Drucks der Pistenfahrzeuge kaum verfestigt; die Oberflächenspannung nahm hingegen zu und wurde durch die dritte Befahrung des Hanges mit dem Pistenfahrzeug derart überhöht, dass die Festigkeit der Schneedecke überschritten wurde. Dabei wurde durch ein brüskes Wenden, rasches Schalten oder dergleichen durch das Gerät örtlich eine zusätzliche, weit über das Eigengewicht hinausgehende dynamische Belastung ausgeübt und dadurch der Abgang des Schneebretts ausgelöst.

Der Zweitbeklagte war seit 1972 bei der Erstbeklagten beschäftigt, davon drei Jahre hindurch - so auch im Winter 1976/77 - als Pistenchef. Er war als Schilehrer und Schiführer ausgebildet und hatte im Winter 1976/77 auch an einem Lawinenkurs teilgenommen. Die Ausbildung, die ein Pistenchef, Schilehrer und Schiführer in Lawinenkunde erhält und die in solchen Lawinenkursen vermittelt wird, reicht aus, um die wesentlichen Aspekte der Lawinenbildung zu kennen und vermittelt Hinweise zur Prüfung und Beurteilung der Schneedeckenbildung. Die hiebei vermittelten Kenntnisse reichen aber nicht aus, um zu einer zutreffenden Beurteilung bei so komplexen Situationen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben waren, zu gelangen; dies insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Praxis in der Ausbildung in Lawinenkunde meist zu kurz kommt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen dahin, aus § 1299 ABGB ergebe sich, dass jeder, der eine besondere Tätigkeit ausübe, dafür einstehen müsse, dass er die dafür notwendigen Fähigkeiten besitze. Er hafte also für das Vorhandensein der Kenntnisse und des Fleißes, die seine Fachgenossen gewöhnlich hätten. Die zum Zeitpunkt des Unglücks erforderlichen und auch üblichen Kenntnisse eines Pistenchefs in Lawinenkunde hätten nicht ausgereicht, um in einer derart ungewöhnlichen Situation zu einer zutreffenden Beurteilung, also zur Bejahung des Weiterbestehens der Lawinengefahr auf einem Hang trotz dessen am gleichen Tag erfolgter mehrmaliger Präparierung, zu gelangen. Den Zweitbeklagten treffe somit auch unter Berücksichtigung des verschärften Haftungsmaßstabs nach § 1299 ABGB wegen der unterlassenen Absperrung des Hanges während der Präparierung mit den Pistenfahrzeugen kein Verschulden, sodass das gegen ihn gerichtete Begehren abzuweisen sei.

Die Erstbeklagte hafte zwar nicht nach dem § 1299 ABGB, jedoch kraft Analogie nach dem EKHG. Die vom Gesetzgeber in einzelnen Fällen - etwa im EKHG - angeordnete Haftung des Unternehmers für die spezifische Betriebsgefahr sei grundsätzlich auf alle gefährlichen Betriebe anzuwenden. Pistenfahrzeuge, wie sie von der Erstbeklagten betrieben worden seien, stellten eine gewisse Gefahr unter anderem für Schifahrer dar, da immer wieder die Möglichkeit einer Kollision mit einem solchen Gerät gegeben sei. Es sei aber auch durchaus möglich, dass beim Betrieb eines Pistenfahrzeugs Lawinen ausgelöst würden. Die aus dem Betrieb eines solchen Fahrzeugs entstehenden und ersatzfähigen Schäden seien daher analog § 5 EKHG vom Halter des Pistenfahrzeugs, im vorliegenden Fall also von der Erstbeklagten, zu ersetzen. Eine Haftungsbefreiung analog § 9 EKHG liege nicht vor, weil die mit dem Willen des Halters beim Betrieb tätigen Personen nicht jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt beachtet hätten. Ein Mitverschulden des verunglückten Egon P***** liege nicht vor, da der Hang nicht abgesperrt gewesen und die von ihm ergriffene Schussflucht eine von Fachleuten propagierte Methode sei.

Diese Entscheidung wurde sowohl von der Klägerin als auch von der Erstbeklagten mit Berufung bekämpft.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht beiden Berufungen keine Folge.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts mit Ausnahme jener, dass die Ausbildung eines Pistenchefs, Schilehrers und Schiführers in Lawinenkunde nicht ausreicht, um zu einer zutreffenden Beurteilung, insbesondere bei so komplexen Situationen wie im vorliegenden Fall, zu gelangen. Es traf nach teilweiser Beweiswiederholung und Beweisergänzung folgende zusätzliche Feststellungen:

Egon P***** wurde am 2. 2. 1977 durch das Unternehmen der Erstbeklagten entgeltlich auf den Palinkopf befördert, von wo er die Abfahrt über den West-Nordwest-Hang antrat, wo sich der Unfall ereignete. Die Abfahrt vom Höllenjoch zur Bodenalpe über den West-Nordwest-Hang des Palinkopfs war im Jahr 1977 in der Panoramakarte der S***** als Schiroute eingetragen. Wegen Schneemangels und zeitweiser Schneebrettgefahr war diese Abfahrt jedoch, nachdem sie nach Weihnachten 1976 einmal gewalzt worden war, bis zum 2. 2. 1977 gesperrt. Die Sperre erfolgte durch eine Abzäunung auf dem Höllenjoch, wo außerdem eine Lawinenwarntafel aufgestellt war. Als am Morgen des 2. 2. 1977 vier Pistenfahrzeuge der Erstbeklagten vom Höllenjoch aus, also von oben, in den Hang einfuhren, um diesen zu präparieren, wurde von den Bediensteten der Erstbeklagten der Zaun am Höllenjoch in einer Breite von ca 5 m geöffnet und die Lawinenwarntafel umgedreht. Zu diesem Zeitpunkt war der Hang bereits sehr stark durch Schifahrer, die die Sperre nicht beachtet hatten, verspurt.

Als Egon P***** am Nachmittag des 2. 2. 1977 vom Höllenjoch aus in den Unfallshang einfuhr, war die vom Höllenjoch zur Bodenalm führende Abfahrt zwar bereits gut präpariert, aber noch nicht markiert und es wies auch kein Hinweisschild am Höllenjoch oder an der Bergstation des Palinkopflifts auf diese Abfahrt hin. Es war aber schon die Einfahrt in den Hang breit angewalzt und es deutete nichts auf eine Sperre der Abfahrt vom Palinkopf zur Bodenalm hin. Als Egon P***** in den Hang einfuhr, befanden sich dort keine Pistenpflegefahrzeuge. Diese fuhren nämlich auf dem für sie notwendigen Umweg durch das Höllenkar von der Bodenalm wieder in Richtung Höllenjoch, um von dort aus die Präparierung des Hanges fortzusetzen.

Da am Hang am Vormittag des 2. 2. 1977 trotz des zweimaligen Befahrens mit vier Pistenfahrzeugen kein Lawinenabgang ausgelöst worden war, dachte der Zweitbeklagte am Nachmittag nicht an die Möglichkeit, dass durch das nochmalige Befahren mit Pistenfahrzeugen ein Lawinenabgang ausgelöst werden konnte. Er fuhr deshalb mit einem Pistenfahrzeug in den Hang ein, obwohl er sah, dass sich im unteren Bereich des Hanges mehrere Schifahrer befanden. Wenn bei einem der Hänge, die durch die Liftanlagen der Erstbeklagten erschlossen wurden, überprüft werden sollte, ob der Schnee hält, so hat man dies bis zu diesem Unfall dort, wo ein Befahren mit Pistenraupen möglich war, durch ein solches Befahren überprüft, in den anderen Fällen durch Absprengen. Wenn die Absprengung nicht gelang, hat man eine Überprüfung der Schneedecke vorgenommen. Beim Unfallshang hielt der Zweitbeklagte eine Erprobung mit den Pistengeräten für ausreichend. Wenn durch das Befahren mit Pistenfahrzeugen Lawinenabgänge ausgelöst wurden, so war dies nach den bisherigen Erfahrungen des Zweitbeklagten immer beim ersten Befahren der Fall. Hatte der Hang ein einmaliges Befahren ausgehalten, so ist später nichts mehr passiert.

Ob die bis zum Winter 1976/77 bei der Ausbildung, die ein Pistenchef, Schilehrer und Schiführer in Lawinenkunde erhielt, vermittelten Kenntnisse und damit insbesondere auch die damals dem Zweitbeklagten zur Verfügung stehenden Kenntnisse ausreichten, um im vorliegenden Fall die Frage der Lawinengefahr zutreffend beurteilen zu können, insbesondere ob der Zweitbeklagte erkennen konnte, dass durch das Befahren des Hanges mit einem Pistenfahrzeug am Nachmittag des 2. 2. 1977 nach der zweimaligen Befahrung des Hanges mit vier Pistenfahrzeugen am Vormittag desselben Tags noch mit der Gefahr eines Lawinenabgangs zu rechnen war und ob der Zweitbeklagte beurteilen konnte, ob zur ausreichend sicheren Klärung der Frage der Lawinengefahr eine Prüfung der Schneedecke am Unfallshang trotz der vormittägigen Erprobung mit den Pistengeräten notwendig war, kann nicht festgestellt werden.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus, es könne dahingestellt bleiben, ob der Betrieb von Pistenfahrzeugen als gefährlicher Betrieb anzusehen sei, weil die Haftung der Erstbeklagten schon aus einem anderen Grund gegeben sei.

Die Vorschrift des § 1319a ABGB gelte auch für Schipisten, beziehe sich aber nur auf nicht vertraglich übernommene Pflichten; die in dieser Gesetzesstelle vorgesehene Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sei daher bei Verletzung vertraglich übernommener Pflichten nicht anzuwenden.

Zu prüfen sei somit, ob und in welchem Umfang eine vertragliche Verpflichtung der Erstbeklagten gegenüber P*****, der durch das Unternehmen der Erstbeklagten entgeltlich auf den Palinkopf befördert worden sei, bestehe. Die Hauptleistungspflicht des Seilbahnunternehmens gegenüber seinen Kunden bestehe darin, diese zur Bergstation zu bringen, von der aus sie die ihren Fähigkeiten entsprechenden Abfahrten bewerkstelligen könnten. Da die Beförderung der Seilbahn also regelmäßig gerade zu dem Zweck erfolge, den Kunden die Abfahrt von der Bergstation mit Schiern zu ermöglichen, sei die Sicherung der Abfahrten eine vertragliche Nebenpflicht der Seilbahnunternehmung. Diese vertragliche Nebenpflicht aus dem Beförderungsvertrag, bei deren Verletzung eine Haftung auch bei leichter Fahrlässigkeit gegeben sei, gelte allerdings nicht für jede von der Bergstation ausgehende Abfahrtsmöglichkeit, sondern nur für den vom Seilbahnunternehmen als Pistenhalter organisierten Schiraum, also die von ihm ausdrücklich oder schlüssig gewidmeten Schipisten und die ausdrücklich gewidmeten Schirouten. Diese seien vom Pistenhalter ihrer Qualifikation entsprechend im Gegensatz zu den sogenannten „wilden Abfahrten“ zu sichern. Im unmittelbaren Bereich des von ihm eröffneten Schiverkehrs hafte der Liftunternehmer also aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht für das Ergreifen der nach der Verkehrsauffassung erforderlichen und zumutbaren Schutzmaßnahmen. Diese Verkehrssicherungspflicht beziehe sich insbesondere auch auf die Lawinensicherheit. Der vom Pistenhalter organisierte Schiraum müsse in einem Bereich liegen, der unter normalen winterlichen Bedingungen nicht von Lawinen bedroht sei, wobei eine drohende Lawinengefahr unter Umständen durch künstliche Auslösung der Lawine gebannt werden könne und notfalls eine Piste und die zu ihr führenden Lifte und Seilbahnen zu sperren seien.

Ob die Abfahrt über den West-Nordwest-Hang des Palinkopfes am Unfallstag als Schipiste oder als Schiroute zu qualifizieren gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, da nicht nur Schipisten, sondern auch vom Pistenhalter ausdrücklich gewidmete Schirouten - die im Gegensatz zu den Schipisten nicht präpariert werden müssten - jedenfalls vor alpinen Gefahren, insbesondere vor Lawinengefahr, gesichert werden müssten. Im vorliegenden Fall sei zwar die Abfahrt vom Höllenjoch zur Bodenalm am Unfallstag nicht markiert gewesen, sie sei jedoch in der Panoramakarte als Schiroute eingezeichnet und am Vormittag des Unfalltags gut präpariert worden. Im Zusammenhang mit der gleichzeitig vorgenommenen Öffnung der Absperrung am Höllenjoch und dem Umdrehen der Lawinenwarntafel habe die Präparierung dieser Abfahrt von Liftbenützern in der Richtung verstanden werden können, dass von der Erstbeklagten auch diese Abfahrt für den allgemeinen Schiverkehr - sei es nun als Schipiste oder als Schiroute - zur Verfügung gestellt worden sei. Damit habe aber auch mit der erforderlichen Absicherung dieser Abfahrt gegen Lawinengefahr gerechnet werden dürfen. Da die Lawinenwarntafel im Beginn der Abfahrt umgedreht worden sei, hätten die Benützer der Abfahrt damit rechnen können, dass eine Lawinengefahr nicht bestand oder bereits beseitigt worden war. Zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Seilbahnunternehmens würde jedenfalls auch die Warnung vor Lawinengefahr bzw die Sperre der davon betroffenen Abfahrten gehören.

Die im § 1298 ABGB vorgesehene Umkehr der Beweislast trete auch bei der Verletzung von vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten ein und gelte auch in Bezug auf das Verschulden von Erfüllungsgehilfen. Die Erstbeklagte hätte daher beweisen müssen, dass sie an der Erfüllung ihrer vertraglichen Verkehrssicherungspflichten ohne ihr Verschulden verhindert war. Dieser Entlastungsbeweis sei von der Erstbeklagten jedoch nicht erbracht worden. Es stehe jedenfalls fest, dass in dem von der Erstbeklagten organisierten Schiraum, der vor alpinen Gefahren zu sichern gewesen sei, durch ein von der Erstbeklagten betriebenes Pistenfahrzeug ein Lawinenabgang ausgelöst worden sei, der schließlich zum Tod des diesen organisierten Schiraum befahrenden Schifahrers Egon P***** geführt habe. P***** sei zwar nicht mehr von der Lawine erfasst worden, weil er vor dieser noch rechtzeitig durch eine Schussfahrt geflüchtet sei. Er sei aber im Zuge dieser an sich durchaus zur Gefahrenabwehr geeigneten Maßnahme so unglücklich gestürzt, dass er dabei tödliche Verletzungen erlitten habe. Der erforderliche Kausalzusammenhang mit dem Lawinenabgang sei daher zu bejahen. Der Unfall hätte vermieden werden können, wenn die Abfahrt über den aufgrund der festgestellten Verhältnisse objektiv zumindest potentiellen Lawinenhang während der Präparierungsarbeiten durch die Pistenfahrzeuge für Schifahrer gesperrt worden wäre. Ob die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme aufgrund des damals gegebenen Wissensstandes für die Bediensteten der Erstbeklagten erkennbar gewesen wäre, sei nicht feststellbar und könne daher jedenfalls auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Damit habe die Erstbeklagte aber den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB nicht erbracht und sei daher gegenüber der Klägerin schadenersatzpflichtig.

Hingegen treffe die Beweislast für ein Verschulden des Zweitbeklagten gemäß § 1296 ABGB die Klägerin; diesen Beweis habe sie nicht erbracht. Das gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klagebegehren sei mit Recht abgewiesen worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Erstbeklagten. Sie bekämpft sie im Umfang der Stattgebung des gegen sie gerichteten Klagebegehrens aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des gegen sie gerichteten Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der (im Zusammenhang mit den Ausführungen der Erstbeklagten in ihrer Rechtsrüge geltend gemachte) Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

In ihrer Rechtsrüge gesteht die Erstbeklagte zu, dass sie gegenüber den Benützern des von ihr betriebenen Lifts im Rahmen einer vertraglichen Nebenverpflichtung zur Sicherung der von der Bergstation ausgehenden Abfahrten soweit verpflichtet war, als es sich um den von ihr organisierten Schiraum gehandelt habe. Den diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts ist unter diesen Umständen nichts hinzuzufügen.

Wenn die Erstbeklgte aber darzutun versucht, dass die von P***** befahrene Abfahrt vom Palinkopf zur Unfallszeit nicht dem von ihr organisierten Schiraum, sondern dem ungesicherten freien Schigelände zuzurechnen gewesen sei, weil die Piste nicht markiert gewesen sei und überdies gerade Präparierungsarbeiten vorgenommen worden seien, kann ihr nicht gefolgt werden.

Die Verkehrssicherungspflicht des Liftunternehmers wird in Lehre und Rechtsprechung nicht nur aufgrund Vertrags für die von ihm ausdrücklich in Inseraten, Prospekten oder sonstigen Hinweisen als gepflegt, präpariert und gesichert angepriesenen Abfahrten bejaht, sondern darüber hinaus für alle jene Schipisten, die nicht bloß ohne weiteres Zutun des Liftunternehmers durch willkürliches Verhalten der Schifahrer im Gelände entstanden sind, sondern vom Betriebsunternehmer ausdrücklich oder konkludent zum Beispiel dadurch als Pisten gewidmet wurden, dass sie von ihm präpariert werden. Das Vertrauen auf das Vorhandensein einer von gewissen Gefahren freien Piste erweckt nämlich jeder, dessen Verhalten nach der Übung des redlichen Verkehrs erkennen lässt, dass er eine Grundfläche als Abfahrtsstrecke widmet, also vor allem derjenige, der eine Abfahrtsstrecke anlegt oder markiert. Es genügt daher, dass die Abfahrtspiste vom Liftunternehmen präpariert und damit in eindeutiger Weise für den Verkehr der mit dem Lift beförderten Schifahrer bestimmt wird (vgl Reindl in ZVR 1975, 359 f; Pichler in ZVR 1977, 225 ff; EvBl 1979/1, 7 Ob 649/79; 1 Ob 514/83; 7 Ob 580/83 ua).

Unter diesen Gesichtspunkten besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der von P***** befahrenen Abfahrt vom Palinkopf zur Unfallszeit um von der Erstbeklagten organisierten Schiraum handelte. Denn diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Panoramakarte der S***** eingetragene Abfahrt war zur Unfallszeit durch Pistenfahrzeuge der Erstbeklagten bereits gut präpariert; der vorher bei der Einfahrt am Höllenjoch angebrachte Sperrzaun war von Leuten der Erstbeklagten in einer Breite von ca 5 m geöffnet und die dort befindliche Lawinenwarntafel umgedreht worden; die Einfahrt in den Hang war durch die Pistenfahrzeuge der Erstbeklagten breit angewalzt. Aus all diesen Umständen konnte ein mit dem Lift der Erstbeklagten beförderter Schifahrer eindeutig entnehmen, dass von ihr auch diese Abfahrt für den allgemeinen Schiverkehr zur Verfügung gestellt wurde.

Die Erstbeklagte war unter diesen Umständen, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, im Rahmen des mit P***** geschlossenen Beförderungsvertrags, nämlich aufgrund einer sich aus diesem Vertrag ergebenden Nebenverpflichtung, zur entsprechenden Sicherung dieser Abfahrt verpflichtet. Es handelt sich dabei um eine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Vertragspartner. Die Vorschrift des § 1319a ABGB ist entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsmeinung nach ständiger Rechtsprechung nur auf die Verletzung von Sorgfaltspflichten anwendbar, die nicht vertraglich übernommen wurden, nicht aber auf die Verletzung vertraglich übernommener Sorgfaltspflichten (SZ 52/135; SZ 53/143; ZVR 1983/57; ZVR 1983/83 uva).

Bediente sich die Erstbeklagte in Erfüllung ihrer vertraglichen Nebenverpflichtung zur Sicherung der Abfahrt des Zweitbeklagten insoweit, als dieser zur Unfallszeit den Einsatz ihrer Pistengeräte zur (weiteren) Präparierung der Abfahrt anordnete, dann wurde der Zweitbeklagte gegenüber P***** als Erfüllungsgehilfe der Erstbeklagten iSd § 1313a ABGB tätig.

Unter diesen Umständen ist es iSd § 1298 ABGB Sache der Erstbeklagten, nachzuweisen, dass sie die ihr obliegenden Pflichten und Nebenverbindlichkeiten aus dem mit P***** geschlossenen Vertrag mit aller Sorgfalt erfüllt hat und dass auch ihrem Erfüllungsgehilfen kein Verschulden zur Last fällt (JBl 1978, 377; JBl 1979, 654; SZ 54/13; 8 Ob 159/81; 8 Ob 170/82; 8 Ob 45/84 uva). Die Beweislastumkehr im Sinne dieser Gesetzesstelle setzt ein wenigstens objektiv fehlerhaftes (vertragswidriges) Verhalten des Vertragspartners des Geschädigten voraus (RZ 1982/62 mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzung ist hier gegeben, weil feststeht, dass der Lawinenabgang, der letztlich zum Tod des P***** führte, durch den vom Zweitbeklagten angeordneten Einsatz des Pistengeräts der Erstbeklagten ausgelöst wurde. Es obliegt daher der Erstbeklagten, nachzuweisen, dass den Zweitbeklagten kein Verschulden am Tod des P***** trifft.

Geht man nun von der dem im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbaren Tatsachenbereich zuzuordnenden Negativfeststellung des Berufungsgerichts aus, dass nämlich nicht festgestellt werden kann, ob der Zweitbeklagte aufgrund seiner damaligen Kenntnisse erkennen konnte, dass durch das Befahren des Hanges mit einem Pistenfahrzeug am Nachmittag des 2. 2. 1977 nach der zweimaligen Befahrung des Hanges mit vier Pistengeräten am Vormittag desselben Tages noch mit der Gefahr eines Lawinenabgangs zu rechnen war, dann ist der Erstbeklagten der ihr obliegende Beweis des mangelnden Verschuldens des Zweitbeklagten an dem eingetretenen Unfall nicht gelungen. Denn diese Feststellung des Berufungsgerichts schließt nicht aus, dass der Zweitbeklagte aufgrund seiner damaligen Kenntnisse die Gefahr eines Lawinenabgangs unter den damaligen konkreten Verhältnissen erkennen hätte können und trotzdem den Einsatz des Pistengeräts anordnete, ohne irgendwelche ohne weiteres einsichtige und zumutbare Sicherungsmaßnahmen (Sperre des Hanges während der Präparierungsarbeiten und Beginn dieser Arbeiten erst nach Räumung des Hanges durch die dort befindlichen Schifahrer) zu beachten. Diese verbliebene Unklarheit im erhobenen Sachverhaltsbild geht ausschließlich zu Lasten der beweispflichtigen Erstbeklagten.

Wenn somit das Berufungsgericht unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen zu dem Ergebnis kam, dass der Erstbeklagten der ihr obliegende Beweis der Schuldlosigkeit des Zweitbeklagten an dem eingetretenen Unfall des P***** nicht gelungen sei und dass sie daher für die Unfallsfolgen hafte, kann darin eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht erblickt werden.

Der Revision der Erstbeklagten musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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