OGH 13Os11/85

OGH13Os11/8531.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerald A wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1, 2 und 3 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 27. November 1984, GZ. 4 c Vr 1336/84-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das im übrigen unberührt bleibende angefochtene Urteil in dem Ausspruch (A), der durch die Tat am Fahrzeug vom Angeklagten Gerald A verursachte Schaden übersteige 5.000 S, demgemäß in der Unterstellung der von Gerald A zu verantwortenden Tat unter die Qualifikation des § 136 Abs. 3 StGB. und in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Gerald A auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 11.Juni 1965 geborene Gerald A wurde - ebenso wie der rechtskräftig verurteilte Mitangeklagte Bernd B - u.a. des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1, 2 und 3 StGB.

schuldig erkannt (A). Ihnen liegt diesbezüglich zur Last, in der Nacht zum 6.Mai 1984 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich das Kleinmotorrad 'Puch M 50' des Herbert C, ohne Einwilligung des Berechtigten vorsätzlich in Gebrauch genommen zu haben, wobei sie sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Aufbrechen der Lenkersperre verschafften und der durch die Tat am Fahrzeug verursachte Schaden 5.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die (Schadens-)Qualifikation nach Abs. 3 des § 136 StGB. bekämpft der Angeklagte A mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt. Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer zutreffend den Widerspruch zwischen den - die eben erwähnte Qualifikation, mithin eine entscheidende Tatsache betreffenden - Urteilsfeststellungen, durch Fahrten im unwegsamen Gelände (Schottergrube), wo sie mehrmals stürzten, hätten die Angeklagten am Fahrzeug Totalschaden verursacht, wobei die Schadenshöhe 5.000 S bei weitem übersteige (S. 123) und - unter der Annahme der Richtigkeit der Verantwortung AS bei der Polizei und in der Hauptverhandlung, er sei in der Schottergrube gar nicht mehr gefahren - es stehe keineswegs fest, daß das Moped erst in der Schottergrube und nicht schon am Weg dahin Beschädigungen erlitt (S. 125). Damit unterlief dem Erstgericht aber auch eine (abermals entscheidungswesentliche) Undeutlichkeit, weil seinen Konstatierungen nicht klar zu entnehmen ist, ob nun der Angeklagte in der Schottergrube fuhr oder nicht.

Das Erstgericht hat es nämlich unterlassen, im Sinn des § 258 Abs. 2 StPO. zu prüfen und sodann festzustellen, ob es der Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei in der Schottergrube nicht gefahren, Glauben schenkte, oder ob es diese durch die Angaben des Mitangeklagten B und der Zeugen Harald D sen. und jun. für widerlegt erachtete. In dem angefochtenen Urteil werden diese der Verantwortung AS widersprechenden Aussagen zwar angeführt, das Erstgericht unterzog sich jedoch nicht der Aufgabe, die Beweise zu würdigen. Denn die Hinweise, daß die Angaben BS durch die Aussagen der beiden unbeteiligten Zeugen D sen.

und jun. bestätigt werden (S. 125 Mitte) und daß deren Bekundungen, wonach die Angeklagten wechselseitig die Zeit für die Zurücklegung einer Runde in der Schottergrube maßen und die Ergebnisse der Zeitnahme dem (jeweiligen) Fahrer zuriefen, 'interessant' seien (S. 126), sind keine zu einer zweifelsfreien Urteilsfeststellung führende Beweiswürdigung, sondern ein unreflektiertes Anführen von Beweisergebnissen.

Dies umso mehr, als das Erstgericht, wie schon erwähnt, die den Angaben des Angeklagten B und der Zeugen D sen. und jun. entgegenstehende, bei der Polizei und in der Hauptverhandlung vorgetragene Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei in der Schottergrube gar nicht gefahren, B habe das Fahrzeug (in der Schottergrube) beschädigt und sodann über eine Böschung geworfen, einer rechtlichen Beurteilung unterzieht (S. 125/126). Dabei gelangte das Erstgericht - den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. verwirklichend - zu dem irrigen Ergebnis, es sei auch unter Zugrundelegung der Verantwortung des Beschwerdeführers die Qualifikation des Abs. 3 des § 136 StGB. erfüllt. Wie bereits aufgezeigt, fehlt eine eindeutige Feststellung der fahrlässigen Verursachung eines 5.000 S übersteigenden Schadens (vgl. dazu u.a. Foregger-Serini, MKK. 3 , Erl. IV zu § 136 StGB.) durch den Angeklagten A.

Bemerkt wird, daß die Polizeiangaben AS (S. 31/32 in ON. 2), auf die das Erstgericht in seinem Urteil Bezug nimmt (S. 125), in der Hauptverhandlung gar nicht verlesen wurden (s.S. 117), sodaß sie gemäß § 258 Abs. 1 StPO. als Beweismittel nicht herangezogen werden durften. Allerdings wäre die Polizeianzeige gemäß § 252 Abs. 2 StPO. zu verlesen und damit zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen gewesen.

Insoweit sich dem, wie dargelegt, mit Widersprüchen und Undeutlichkeiten sowie mit dem oben erörterten Feststellungsmangel behafteten Urteil des Jugendgerichtshofs Wien eine Mittäterschaft zum Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB. (durch Werfen des Mopeds über eine Böschung) entnehmen läßt, fehlt es auch an Feststellungen zur Frage der Kausalität. Dies sei nur der Vollständigkeit halber angemerkt.

Aus den aufgezeigten Gründen war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerald A schon bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben, weil sich zeigte, daß sich die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht vermeiden läßt, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst aber noch nicht eintreten kann (§ 285 e StPO.).

Im zweiten Rechtsgang werden eindeutige Feststellungen darüber zu treffen sein, ob und in welcher Weise der Beschwerdeführer an den zur strafrechtlichen Zurechnung eines 5.000 S übersteigenden Schadens am Kleinmotorrad relevanten Vorgängen in der Schottergrube oder auf der Fahrt dorthin mittätig oder sonst beteiligt war. Hiebei wird nicht die bloße Anführung und unkritische Betrachtung von Beweisergebnissen, sondern die Würdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) der in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismittel (§ 258 Abs. 1 StPO.) vorzunehmen sein.

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