OGH 2Ob608/84

OGH2Ob608/8429.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois R*****, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei T*****, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Erfüllung eines Vertrags (Streitwert 50.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Mai 1984, GZ 6 R 102/84-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10. Jänner 1984, GZ 15 Cg 266/83-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 2.700 S (darin 240 S Barauslagen und 223,50 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gestützt auf eine zwischen den Streitteilen getroffene mündliche Vereinbarung begehrte der Kläger, den beklagten Verein (im Folgenden: Beklagter) schuldig zu erkennen, die Entfernung des an der nördlichen Grenze der Gp ***** Katastralgemeinde K***** errichteten Zaunes, die Einräumung eines Zufahrtsrechts auf dem nördlichen Grenzstreifen der Gp ***** Katastralgemeinde K***** sowie die grundbücherliche Einverleibung der Verpflichtung zur Unterlassung der Zaunerrichtung an der nördlichen Grenze der Gp ***** und der Dienstbarkeit des Durchfahrtsrechts auf dem nördlichen Grenzstreifen der Gp ***** zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers der EZl ***** Katastralgemeinde K***** zu veranlassen.

Die Beklagte räumte ein, damit einverstanden zu sein, dass dem Kläger die von ihm mit der Klage gewünschten Rechte eingeräumt werden. Er beantragte aber Klagsabweisung und wendete ein, dass dies außerhalb seiner Möglichkeiten liege; der Beklagte sei nicht mehr Eigentümer dieser Liegenschaft und daher nicht mehr in der Lage, das Klagebegehren zu erfüllen. Es liege Unmöglichkeit der Leistung und auch mangelnde Passivlegitimation vor. Der Kläger müsste sich an die nunmehrigen Eigentümer der erwähnten Liegenschaft wenden. Der Beklagte habe nämlich in den Kaufverträgen mit den nunmehrigen Eigentümern die Bestimmung aufgenommen, dass Übergabe und Übernahme des Kaufobjekts so erfolge, wie es der Verkäufer bisher selbst besessen und benützt hat oder zu besitzen und benützen berechtigt war.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im Wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Der Kläger ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft in EZl ***** Katastralgemeinde K*****, bestehend aus der Gp ***** und *****. Der Beklagte war grundbücherlicher Eigentümer der südlich daran angrenzenden Gp ***** in EZl ***** Katastralgemeinde K*****. Anlässlich der Bauverhandlung hinsichtlich einer vom Beklagten geplanten Wohnanlage am 24. 3. 1972 wurde zwischen dem Beklagten und dem Kläger eine mündliche Vereinbarung dahingehend getroffen, dass der Beklagte an seiner nördlichen Grundstücksgrenze die Errichtung eines Zaunes unterlässt und dass dem Kläger auf einem entsprechenden Streifen des Grundstücks des Beklagten ein Zufahrtsrecht zu seinem Betriebsgebäude eingeräumt wird. Bei dieser Vereinbarung wurde dem Kläger von Seiten des Beklagten auch die grundbücherliche Eintragung dieser Dienstbarkeit zu Lasten des Beklagten zugesichert. Dazu ist es aber nie gekommen. Vielmehr wurde dann tatsächlich ein Zaun errichtet, sodass dem Kläger die zugesagte Zufahrt zu seinem Betrieb nicht mehr möglich ist. Im Jahr 1975 hatte der Beklagte sein Bauvorhaben auf der Gp ***** beendet und es wurden die einzelnen Eigentumswohnungen übergeben. Ab diesem Zeitpunkt ist der Beklagte nicht mehr Eigentümer der Grundparzelle ***** in EZl ***** Katastralgemeinde K*****.

Das Erstgericht beurteilte die Klage als eine Servitutenklage iSd § 523 ABGB (Confessoria), und führte aus, dass eine solche ausschließlich gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks zu richten sei. Der Beklagte sei aber seit 1975 nicht mehr Eigentümer der Gp ***** in EZl ***** Katastralgemeinde K*****, sodass er passiv nicht legitimiert sei. Ein gegen den Beklagten ergehendes Urteil wäre nicht exekutierbar.

Infolge Berufung des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichts im Sinne der Klagsstattgebung ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 15.000 S, nicht aber 300.000 S, übersteige, und dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts führte das Berufungsgericht zur Rechtsfrage aus, die Klage stelle keine Servitutsklage dar. Der Kläger habe ausdrücklich sein Begehren so formuliert, dass der Beklagte die im Klagebegehren verlangten Schritte zu veranlassen habe. Der Kläger gehe also ganz bewusst davon aus, dass der Beklagte nicht (mehr) Eigentümer des zu belastenden Grundstücks sei; er begehre also lediglich Vertragszuhaltung. Es ergebe sich damit die Frage, ob der Umstand allein, dass die Liegenschaft, hinsichtlich der die Streitteile die Einräumung einer Dienstbarkeit vereinbarten, nicht mehr im Eigentum der verpflichteten Partei (des Beklagten) stehe, dieser die Möglichkeit eröffne, Unmöglichkeit der Leistung zu behaupten und damit ohne weiteres die Abweisung der Klage zu erreichen. Dies sei zu verneinen. Abgesehen von dem Fall der zufälligen Unmöglichkeit, der hier nicht in Betracht komme, werde die verschuldete Unmöglichkeit, einen Vertrag zu erfüllen - um eine solche handle es sich hier, da der Beklagte im vollen Bewusstsein seiner dem Kläger gegenüber eingegangenen Verpflichtung die Liegenschaft weiterveräußert habe, ohne die vorgesehene Verbücherung der vereinbarten Dienstbarkeit in die Wege zu leiten und ohne diese Verpflichtung auf die Käufer zu überbinden - im § 920 ABGB geregelt. Diese Bestimmung setze voraus, dass die durch Verschulden des Schuldners unmöglich gewordene Leistung nicht mehr zu erbringen sei. Hiezu sei zur Frage der Doppelveräußerung in der Rechtsprechung der Grundsatz entwickelt worden, dass der Umstand, dass die Sache sich in dritter Hand befinde, die Beschaffung an sich noch nicht unmöglich mache. Es sei dabei der Rechtsgedanken zugrunde zu legen, dass die Verpflichtung eines Verkäufers zur Zuhaltung des Vertrags selbstverständlich auch dann bestehen bleibe, wenn er sich in Verletzung der übernommenen Pflichten zur Weiterveräußerung der Sache an einen Dritten verstanden habe, und dass sich derjenige, der die Unmöglichkeit der Leistung selbst verschuldet habe, sich jedenfalls solange nicht darauf berufen könne, als die Möglichkeit der Wiederbeschaffung gegeben und zumutbar sei. In den Fällen einer solchen relativen Leistungsunmöglichkeit brauche sich also der in seinen Rechten verletzte Vertragspartner nicht auf den Schadenersatzanspruch nach § 920 ABGB verweisen zu lassen, sondern könne weiterhin Erfüllung verlangen. Der Verpflichtete habe dann die Folgen seines Vertragsbruchs auf sich zu nehmen. Das hier zur Frage des Doppelverkaufs Gesagte gelte aber auch für den vorliegenden Fall. Die hier ausgesprochenen Gedanken seien nämlich auf alle die Fälle anzuwenden, in denen ein Vertragsteil in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten deren Erfüllung unmöglich mache. In allen diesen Fällen würde die Sanktionierung der vom Schuldner selbst herbeigeführten Unmöglichkeit, die vertragliche Leistung zu erbringen, den obersten Grundsätzen widersprechen, die der Gesetzgeber für die bürgerlichen Gesetze aufgestellt habe, nämlich den allgemeinen Grundsätzen der Gerechtigkeit. Unmöglichkeit der Leistung käme nur dann in Frage, wenn sich der Dritte (hier also die Käufer der früher im Eigentum des Beklagten gestandenen Liegenschaft) definitiv weigere, die vom Beklagten als Rechtsvorgänger eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Im vorliegenden Fall habe sich aber der Beklagte damit begnügt, darauf zu verweisen, nicht mehr Eigentümer der Liegenschaft, auf der das Dienstbarkeitsrecht des Klägers begründet werden sollte, zu sein. Er habe aber nicht einmal behauptet, geschweige denn zu beweisen versucht, dass er alles unternommen habe, den Dritten (also die Käufer) zu einer die Erfüllung ermöglichenden Handlung zu bewegen. Vielmehr habe der Beklagte im Gegenteil darauf hingewiesen, in die Kaufverträge mit den nunmehrigen Eigentümern die Bestimmung aufgenommen zu haben, dass die Übergabe und Übernahme des Kaufobjekts so erfolge, wie es der Verkäufer bisher selbst besessen und benützt habe, und dass also die nunmehrigen Eigentümer als Rechtsnachfolger des Beklagten im Eigentum dieses Grundstücks ein Dienstbarkeitsrecht des Klägers gegen sich gelten lassen müssten. Unter diesen Umständen könne aber keineswegs Unmöglichkeit der Leistung angenommen werden. Bei diesem Vorbringen des Beklagten könne also nicht von einer wirklichen, das heißt „logischen Unmöglichkeit“ gesprochen werden, weshalb die Abweisung der Klage aus dem dargelegten Grunde allein nicht gerechtfertigt erscheine. Mangels entsprechender relevanter Prozessbehauptungen des Beklagten habe also in Abänderung des angefochtenen Urteils dem Begehren des Klägers ohne Aufnahme von Beweisen in Stattgebung seiner Berufung Folge gegeben werden können.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt:

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.

Die Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge führt der Beklagte aus, es sei möglich und wahrscheinlich, dass sich das Betriebsgebäude des Klägers nur auf einer der beiden Grundparzellen seiner Liegenschaft befinde und dem Kläger auch nur hinsichtlich dieser Parzelle eine allfällige Dienstbarkeit eingeräumt worden sei. Die Einräumung der behaupteten Dienstbarkeit an den Kläger sei auch in Form einer unregelmäßigen Servitut möglich. Er habe die Einräumung nur zu seinen Gunsten begehrt, das Klagebegehren auf Einräumung zu Gunsten des jeweiligen Liegenschaftseigentümers sei durch das Prozessvorbringen nicht gedeckt.

Auf dieses erstmals in der Revision erstattete Vorbringen war schon mit Rücksicht auf das Neuerungsverbot nicht einzugehen.

Soweit der Beklagte vorbringt, es sei zwischen den Streitteilen die Errichtung eines schriftlichen Dienstbarkeitsvertrags vorgesehen gewesen, wozu es aber nicht gekommen sei, sodass mangels Schriftlichkeit kein rechtsverbindlicher Vertrag zustandegekommen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Klagebegehren auf eine mündliche Vereinbarung gestützt wurde. Diese mündliche Vereinbarung wurde vom Erstgericht unbekämpft festgestellt und vom Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Wenn der Beklagte daher vorbringt, seine allfälligen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger könnten nur aus einem schriflichen Vertrag abgeleitet werden, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und bringt in diesem Umfang die Rechtsrüge der Revision nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Der Beklagte führt weiter aus, die Bestimmung des § 920 ABGB sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil durch die Veräußerung seiner Liegenschaft sämtliche darauf bezüglichen Rechte und Pflichten auf die nunmehrigen Eigentümer übergegangen seien. Gegen diese könnte der Kläger sein Klagebegehren unmittelbar durchsetzen. Dem Beklagten mangle aber die Passivlegitimation. Den Beklagten treffe auch kein Verschulden, weil er doch damit einverstanden sei, dass dem Kläger von den nunmehrigen Eigentümern die mit der Klage verlangten Befugnisse eingeräumt werden.

Auch in diesem Punkt kann der Revision nicht gefolgt werden. In der Rechtsprechung ist zunächst für den Fall der Doppelvermietung der Rechtssatz aufgestellt worden, dass sich der Vermieter gegenüber der Erfüllungsklage eines seiner Vertragspartner nicht mit dem Hinweis darauf, dass er seinem anderen Vertragspartner bereits erfüllt habe, auf die Unmöglichkeit der Leistung (§ 920 ABGB) berufen könne, dass es aber anderseits dem übergangenen Mieter als Gläubiger freistehe, sich auf den Standpunkt der Leistungsunmöglichkeit zu stellen, wenn erkennbar ist, dass die versprochene Leistung in absehbarer Zeit nicht erbracht werden kann (vgl Spruch Nr 48 neu = SZ 30/33 = JBl 1957, 559). Diese Erwägungen wurden in der Folge auch auf den Doppelverkauf ausgedehnt (JBl 1958, 471). Nach ständiger Rechtsprechung bleibt also die Verpflichtung eines Verkäufers zur Zuhaltung des Vertrags auch dann bestehen, wenn er sich in Verletzung der übernommenen Pflichten zur Weiterveräußerung der Sache verstanden hat. Der Umstand, dass die Sache sich in dritter Hand befindet und der Dritte nicht verpflichtet ist, sie abzugeben, macht die Beschaffung der Sache nicht an sich unmöglich. Der Veräußerer, der die Unmöglichkeit der Leistung selbst verschuldet hat, kann sich solange nicht darauf berufen, als die Wiederbeschaffung der Sache möglich und zumutbar ist (EvBl 1954/132, SZ 26/288). Eine Verurteilung zur Leistung des geschuldeten Gegenstands kann aber dann nicht mehr erfolgen, wenn nicht nur eingewendet, sondern auch bewiesen wird, dass der Dritte sich endgültig weigert, die Sache überhaupt oder anders als gegen ein übermäßiges Entgelt abzugeben (vgl JBl 1979, 146 und die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur). Die gleichen Grundsätze sind, wie der Oberste Gerichtshof in JBl 1958, 471 ausgesprochen hat, immer dann anzuwenden, wenn ein Vertragsteil in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten deren Erfüllung unmöglich macht. Unmöglichkeit der Leistung, die auch bei schuldhafter Verletzung der Vertragspflichten durch den Schuldner an sich nicht ausgeschlossen ist, kann daher nicht angenommen werden, wenn der Beklagte nicht einmal behauptet und zu beweisen versucht hat, dass er alles unternommen habe, den Dritten zu einer die Erfüllung ermöglichenden Handlung zu bewegen (vgl JBl 1979, 146); nur eine nicht zu vertretende Unmöglichkeit verbietet die Verurteilung zum primären Leistungsanspruch (vgl Reischauer in Rummel ABGB, 1088, Rdz 10 zu § 920). Im vorliegenden Fall hat aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, der Beklagte seine passive Klagslegitimation auf die Veräußerung der Liegenschaft gestützt und nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen, dass er alles unternommen habe, um die Käufer der Liegenschaft zu einem die Erfüllung seiner gegenüber dem Kläger bestehenden vertraglichen Verpflichtungen ermöglichenden Verhalten zu bewegen und diese sich trotzdem endgültig geweigert hätten. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht das Vorliegen einer absoluten, vom Beklagten nicht zu vertretenden Unmöglichkeit verneint und der Klage stattgegeben.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen, ohne dass es zur abschließenden rechtlichen Beurteilung weiterer Feststellungen bedurft hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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