OGH 11Os176/84

OGH11Os176/848.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Jänner 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kohlegger als Schriftführers, in der Strafsache gegen Robert A wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 Z 1 und 2 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengerichts vom 18.Mai 1984, GZ 23 Vr 3.100/82-53, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung des von Punkt 4 des Schuldspruches erfaßten Verhaltens unter den § 105 Abs. 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Robert A hat durch die ihm im Punkt 4 des Schuldspruches angelastete Tat das Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach den unberührt bleibenden Schuldsprüchen zur Last liegenden strafbaren Handlungen nach dem § 145 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren verurteilt. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Teilfreispruch enthält, wurde Robert A zu Punkt 1/ des Schuldspruches des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 Z 1 und 2, 15 StGB, zu Punkt 2/ und 4/ des Schuldspruches des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB und zu Punkt 3/ des Schuldspruches des Vergehens der Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles nach dem § 7 Abs. 1 MilStG schuldig erkannt.

Zum Schuldspruch 1/ liegt dem Angeklagten zur Last, daß er in der Zeit zwischen dem 22.Oktober und dem 8.November 1982, teils als Mittäter des Roman B (jun.), zu wiederholten Malen den Karl C, der ein sogenanntes 'Animierlokal' betrieb, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung, gewerbsmäßig und mit dem weiteren Vorsatz, die Erpressung gegen ihn längere Zeit hindurch fortzusetzen, durch gefährliche Drohung - teils mit dem Tod und teils mit der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz - zur wöchentlichen Bezahlung eines sogenannten 'Schutzgeldes' von 5.000 S nötigte bzw. zu nötigen versuchte; dies insbesondere dadurch, daß er dem Opfer zunächst eine Revolverpatrone sowie einen Zettel vorhielt und dabei äußerte 'Der Abschiedsbrief !', ferner vor ihm mehrmals die Trommel eines Revolvers (von dem nicht feststeht, ob es sich um eine echte Faustfeuerwaffe oder um einen Schreckschußrevolver handelte) drehte und außerdem (sinngemäß) erklärte, er werde über Mittelsleute 'die Hütten' (gemeint das Animierlokal) zusammenschlagen (1/ a/ des Schuldspruchs); ein andermal dadurch, daß er, auf den gewaltsamen Tod des Roman B (jun.) - der inzwischen in einer Zuhälterfehde erschossen worden war - anspielend, äußerte:

'Siehst, so geht's einem jeden' (1/ d/), ferner durch Durchladen einer Pistole unbekannter Marke (von der ebenfalls nicht gewiß ist, ob es sich um eine echte Faustfeuerwaffe handelte) und Vorzeigen eines Hohlspitzgeschosses mit dem Hinweis, daß ein solches eine nur kleine Einschußöffnung, hingegen eine Ausschußöffnung in der Größe einer Faust verursache (1/ e/).

Dem Schuldspruch 2/ zufolge nötigte der Angeklagte zwischen dem 6. und 8.November 1982 den Karl C durch die Drohung: 'Wenn du sagst, daß ich von dir Schutzgeld verlangt habe und ich dann ins Häfen komm, passiert etwas' zur Unterlassung der Anzeigeerstattung. - Die Willensbeugung gelang zunächst, denn C gab erst am 22.November 1982, als er sich in Verwaltungsstrafhaft befand, den Sachverhalt der Behörde bekannt (S 7 ff d.A).

Rechtliche Beurteilung

Damit war die Nötigung vollendet (vgl. Leukauf-Steininger 2 RN 22 zu § 105 StGB).

Schuldspruch 4/ erfaßt die vom Angeklagten in der Zeit von Mitte August bis 22.November 1983 durch die Androhung von Schlägen begangene Nötigung der Prostituierten Patricia D, Helga E und Margot F zu 'sexuellen Handlungen' gegen Entgelt mit ihnen nicht genehmen (weil betrunkenen oder körperlich abstoßenden) männlichen Kundschaften.

Nach dem Schuldspruch 3/ schließlich leistete der Angeklagte am 6. September 1982 der Einberufung zum ordentlichen Präsenzdienst, nämlich zu einer bis 17.September 1982 anberaumten allgemeinen Truppenübung des Fliegerregiments 3 in Hörsching, vorsätzlich nicht Folge.

Dieses Urteil wird in seinem kondemnierenden Teil vom Angeklagten aus den Nichtigkeitsgründen der Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO, vom öffentlichen Ankläger aber lediglich im Schuldspruch Punkt 4/ wegen des Vergehens der Nötigung aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 leg. cit. mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO wendet sich der Angeklagte gegen die Abweisung seiner in der Hauptverhandlung vom 7. bzw. 18. Mai 1984 gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen Margot F, Renate G und Patricia D (S 327 bis 330, 365 bis 368 d.A) sowie gegen das übergehen seines weiteren Antrages auf Vernehmung des Zeugen Dr. Georg H (S 327 d.A).

Die Verfahrensrüge versagt, weil weder durch das abweisliche Zwischenerkenntnis noch durch die Nichterledigung eines Beweisantrages Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt wurden:

Daß Karl C (Schuldspruch Punkt 1/ und 2) - worauf der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des früheren Verteidigers des Angeklagten Dr. H und der Renate G gerichtet war (S 327 f d.A) - in einer außergerichtlichen Erklärung angab, seine den Angeklagten belastenden Angaben seien unrichtig und er werde sie widerrufen (die Anzeige zurückziehen), stellte das Erstgericht teils auf Grund eines von Dr. H am 27.Jänner 1983

verfaßten Schriftstückes (Beilage B/ zu ON 52), teils auf Grund der Aussagen des Zeugen C (S 273 ff d.A) ohnedies fest (S 391 f, 408 f d. A).

Wenn in der Beschwerde eine Vernehmung über den 'Eindruck' der Zeugen Dr. H und G von der Richtigkeit der Erklärungen CS für erforderlich angesehen wird, so geht dieses Vorbringen über den - maßgebenden - Inhalt der Beweisanträge selbst hinaus; es ist aber auch deshalb unbeachtlich, weil Zeugen im allgemeinen nicht über ihre Werturteile, Mutmaßungen und Meinungen, sondern allein über ihre (sinnlichen) Wahrnehmungen von Tatsachen zu befragen sind (arg. ex § 150 StPO: '... bekannt ist ...';

vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder, ENr. 1 bis 3, 7 bis 8 zu § 150 StPO). Die Vernehmung der Zeugen Dr. H und Renate G war daher nicht geboten.

Die abermalige Vernehmung der - in derselben Hauptverhandlung schon einvernommenen - Zeugin F (S 295 ff d.A) begehrte der Angeklagte zum Beweis dafür, 'daß die im Atelier I arbeitenden Prostituierten von ihm nicht zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurden, insbesondere sich nie eine Szene abspielte, in der von ihm Helga E, Margot F und Michaela J zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit mehreren Ausländern gezwungen wurden', und mit dem Hinweis darauf, daß die Zeugin F zu dem Vorfall, den die Zeugin E (S 63 des Hauptverhandlungsprotokolls = S 309

d. A) schilderte, nicht hätte befragt werden können, weil man dieses Geschehen erst durch die (nachfolgende) Aussage der Zeugin E erfahren habe (S 327, 330, 366 i.V. mit dem Berichtigungsbeschluß vom 18.Oktober 1984, S 3 m verso d.A).

Auch diese Beweisaufnahmen konnten ohne Nachteil für den Angeklagten unterbleiben.

Zunächst war nämlich nicht entscheidend, ob vom Angeklagten Prostituierte (nicht bloß zu nicht bis zum Beischlaf gediehenen Sexualhandlungen, sondern) zum Geschlechtsverkehr genötigt wurden oder nach seinem Vorsatz hätten genötigt werden sollen, weil das Erstgericht dies ohnehin nicht als erwiesen annahm (S 396, 411 d.A). Ebensowenig ist von Belang, ob der Angeklagte eine Nötigung auch gegenüber Michaela J beging oder nicht, denn eine solche ist weder von der Anklage (S 251 d.A) noch vom Schuldspruch erfaßt.

Im übrigen bezogen sich nach dem Akteninhalt - der Beschwerde

zuwider - die Angaben der Zeugin E, welche nach der Ansicht des

Angeklagten die neuerliche Vernehmung der Zeugin F indiziert hätten,

nicht nur auf einen bestimmten Vorfall, sondern ersichtlich auf eine

Mehrzahl ähnlicher Ereignisse (vgl. S 306 d.A: '... Er hat nur

gesagt, daß, wenn wir nicht wollten, er uns jemanden schicken werde

.... hat uns mit Watschen gedroht. Das war ja gang und gäbe bei uns

....', S 308 d.A: '... Wenn ...

Meistens ...'), bei welchen der Angeklagte die Prostituierten Helga E, Margot F und Patricia ('Trixi') D durch Drohungen veranlaßte, mit ihnen unliebsamen Gästen aufs Zimmer zu gehen. Eben solche sinngemäß gleiche Anschuldigungen gegen den Angeklagten erhob auch die Zeugin F in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung (S 296 f d.A), sodaß irgendein durch eine nochmalige Vernehmung zu klärender erörterungsbedürftiger Gegensatz zwischen den Aussagen der Zeugen E und F, auf welche das Erstgericht schließlich seine Feststellungen stützt (S 411 d.A), nicht bestand.

Soweit der Angeklagte im gegebenen Zusammenhang im allgemeinen gegen die Art und Weise der Protokollierung während Hauptverhandlungen remonstriert, fehlt es an jeglicher Substantiierung dieses Beschwerdevorwurfes, mit welchem demnach ein Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird (§ 285 a Z 2 StPO). Die Vernehmung der Zeugin Patricia D wurde nicht vom Angeklagten, sondern vom öffentlichen Ankläger - zum Beweis dafür, daß sie der Angeklagte durch Androhung von Schlägen zum Geschlechtsverkehr mit unliebsamen Gästen gezwungen habe - beantragt (S 326 f d.A). Die Vorführung dieser zur Hauptverhandlung vom 7.Mai 1984 trotz ausgewiesener Ladung nicht erschienenen Zeugin (S 249 d.A) zur fortgesetzten Hauptverhandlung vom 18.Mai 1984 mißlang, weil die Zeugin - in Kenntnis des Hauptverhandlungstermins - verzogen und unbekannten Aufenthaltes war (S 339 d.A). Gegen Ende der Hauptverhandlung gab der Verteidiger die Erklärung ab, daß der Antrag auf Einvernahme der Patricia D 'aufrechterhalten' und einer Verlesung ihrer früheren Aussagen mangels der Voraussetzungen des § 252 Abs. 1 Z 1 StPO widersprochen werde, weil eine bloß vorübergehende Abwesenheit nicht das Abgehen vom Grundsatz der Unmittelbarkeit im Strafverfahren rechtfertige. Der Staatsanwalt 'schloß sich dem Antrag auf Einvernehmung der Zeugin D an' (S 366 f d. A). Das Erstgericht wies jedoch den Antrag auf Vernehmung der Patricia D ab und beschloß die Verlesung der Zeugenaussage gemäß dem § 252 Abs. 1 Z 1 StPO (S 368 d.A).

Zunächst fehlt der Rüge des Angeklagten gegen die - wenngleich ohne Begründung stattgefundene - Ablehnung der Vernehmung der erwähnten Zeugin in der Hauptverhandlung die Formalvoraussetzung eines, vor allem auch das Beweisthema bezeichnenden Beweisantrages, der in der bloßen Erklärung, den - tatsächlich nicht von ihm, sondern - von der Staatsanwaltschaft gestellten Antrag 'aufrechtzuerhalten', nicht erblickt werden kann. Da das im Beweisantrag des öffentlichen Anklägers genannte Beweisthema dem Anklagevorwurf (S 251 d.A) entspricht, kann die Erklärung des leugnenden Angeklagten sinnvollerweise auch nicht dahin verstanden werden, daß er sich dem Beweisantrag des öffentlichen Anklägers angeschlossen hätte. Insofern erweist sich daher die Verfahrensrüge des Angeklagten erneut als nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt. Daß das Erstgericht aber trotz des Widerspruches des Angeklagten die Angaben der Zeugin Patricia D vor der Sicherheitsbehörde verlas (S 368 f in Verbindung mit ON 2 S 15 ff und ON 28 S 159, 165 ff, je in ON 38), entsprach dem Gesetz, weil diese Angaben als Bestandteil der Ergebnisse der sicherheitsbehördlichen Erhebungen zu den gemäß dem § 252 Abs. 2 StPO - sofern nicht beide Teile darauf verzichten - zwingend zu verlesenden Urkunden und Schriftstücken gehören, die für die Sache von Bedeutung sind. Dabei schadet nicht, daß das Erstgericht die Verlesung bloß formal verfehlt auf § 252 Abs. 1 Z 1 StPO stützte, welche Bestimmung nur auf Protokolle anwendbar ist, die bei Gericht aufgenommen wurden (Mayerhofer-Rieder, II/1, ENr. 11 zu § 252 StPO). Davon abgesehen wäre, was nur am Rand vermerkt sei, die Verlesung selbst eines Protokolls über eine gerichtliche Aussage der Zeugin D gemäß dem § 252 Abs. 1 Z 1 StPO zulässig gewesen, weil die Zeugin tatsächlich, wie das Gesetz voraussetzt, unbekannten Aufenthaltes war und nach der Aktenlage nicht gesagt werden konnte, daß sie innerhalb absehbarer Zeit hätte ausgeforscht und dem Gericht vorgeführt werden können (vgl. auch ihre Angaben vor der Sicherheitsbehörde, wonach sieuvor dem Angeklagten und dessen Freunden Angst hatte).

Mit seinen Beschwerdeausführungen unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO sucht der Angeklagte weitgehend bloß nach Art einer Schuldberufung in unzulässiger Weise die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs. 2 StPO) zu bekämpfen, ohne einen Begründungsmangel formaler Natur in der Bedeutung des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Im einzelnen sei dem Beschwerdeführer folgendes entgegnet:

Der Vorwurf, das Urteil lasse nicht erkennen, auf welche Verfahrensergebnisse die Feststellungen zum Schuldspruch 2/ (Nötigung CS zur Unterlassung der Anzeige) gegründet werden, ist aktenwidrig.

Das Erstgericht bringt in den Urteilsgründen unmißverständlich zum Ausdruck, daß es auch die Feststellungen zu diesem Schuldspruch (S 388 d.A) auf die für glaubwürdig befundenen Aussagen des Zeugen C stützt (S 407 d.A).

In Ansehung der Schuldsprüche zu Punkt 1/ und 2/ des Urteilssatzes befaßte sich das Erstgericht eingehend und unter Berücksichtigung aller wesentlichen einschlägigen Verfahrensergebnisse auch mit der letztlich verneinten Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugen Richard K und Erich L (S 403 bis 406 d.A).

Den erstgerichtlichen Erwägungen, die der Beschwerde zuwider den formalen Kriterien der Begründungspflicht (§§ 258 Abs. 2, 270 Abs. 2 Z 5 StPO) entsprechen, hält der Beschwerdeführer lediglich seiner Ansicht nach denkbare andere Schlußfolgerungen entgegen, womit er sich aber auf das ihm verwehrte Gebiet einer Anfechtung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung begibt.

Denkmöglich und auch zureichend begründet ist der Schluß, mit dem das Erstgericht (wörtlich) 'aus der Natur der Sache', nämlich aus dem (konkreten Tat-)Umstand, daß der Angeklagte ein allwöchentlich unter dem Druck von Nötigungen zu zahlendes 'Schutzgeld' verlangte, die Absicht ableitet, sich durch wiederkehrende, über längere Zeit fortzusetzende Begehung der Erpressung eine fortlaufende Einnahmequelle zu erschließen (S 409 f d.A.). Weitere Darlegungen hiezu waren, entgegen der Beschwerdeauffassung, auch unter dem Gesichtspunkt der gedrängten Abfassung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) entbehrlich.

Die Konstatierungen zum Schuldspruch Punkt 4/ (Nötigung von drei Prostituierten zu sexuellen Handlungen mit ihnen nicht genehmen Partnern) gründet das Erstgericht auf die für glaubwürdig befundenen übereinstimmenden Aussagen dieser Frauen (S 411 ff d.A). Bei dem Einwand, das Erstgericht unterlasse eine Erörterung der Angaben der Zeugen F und E in der Hauptverhandlung, wonach ihre Aussagen vor dem Untersuchungsrichter (S 29 bzw. 31 in ON 38 d.A) insoweit unrichtig seien, als ihnen der Angeklagte tatsächlich nicht mit Schlägen gedroht habe (S 296 bzw. 304 d.A), löst die Beschwerde die entsprechenden Aussagepartien aus dem (Gesamt-)Zusammenhang.

Denn die Widerrufe betrafen erkennbar lediglich die Frage, ob die Zeugen vom Angeklagten auch zur täglichen übergabe von Geldbeträgen in der Höhe von 300 S genötigt wurden (insoweit erging ein Freispruch von der Anklage; vgl. auch S 394, 412 f d.A), und nicht jene, ob - wie die Zeugen in der Folge sogleich aufrechterhielten (S 297 ff bzw. 304 f d.A.) - der Angeklagte die Prostituierten durch Androhung von Schlägen nötigte, mit ihnen nicht genehmen Gästen ins Separee zu gehen und sexuell intim zu werden. Erneut im Widerspruch zum Akteninhalt ist die Beschwerdebehauptung, (auch) die Aussagen der Zeugin E ergäben keine Grundlage für die Urteilsfeststellungen zum Schuldspruch 4/ (S 395 f d.A), weil, wie bereits angedeutet, auch nach den Angaben der Zeugin E der Angeklagte diese Prostituierte sowie Margot F und Patricia D durch Androhung von Schlägen zu den vorgenannten Sexualkontakten veranlaßte (S 304 f, 308 f d.A).

Kein Begründungsmangel haftet entgegen den zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO erhobenen Beschwerdeeinwänden schließlich auch den Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Vergehens nach dem § 7 Abs. 1 MilStG (Punkt 3/ des Schuldspruches) an:

Das Erstgericht leitet nämlich die - den Erfordernissen des Eventualvorsatzes (§ 5 Abs. 1 StGB) für das Vergehen nach dem § 7 MilStG (vgl. Foregger-Kunst, Anm. 2 hiezu) gemäße - Konstatierung, daß der Angeklagte es unterließ, dem Einberufungsbefehl (welcher die ausdrückliche Belehrung enthielt, daß Gesuche um Aufschiebung oder Befreiung keine aufschiebende Wirkung haben) Folge zu leisten, obwohl er ernstlich bedachte, daß sein Ansuchen um Befreiung von der Truppenübung oder um Verschiebung des Einrückungstermins abgelehnt worden sein könnte, und diese Möglichkeit ('und damit den Umstand, daß er unberechtigt der Truppenübung fernbleiben könnte') in Kauf nahm (S 384 d.A), im wesentlichen daraus ab, daß sich der Angeklagte von vornherein im klaren war, daß sein Gesuch auf falschen Angaben beruhte, sowie daraus, daß einer Aufforderung des Ergänzungskommandos zur Beibringung von Stempelmarken vom Angeklagten nicht hätte entnommen werden können, es würde seinem Gesuch Folge gegeben (S 399 f d.A). Diese Schlußfolgerung steht ebenfalls mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Erfahrung im Einklang und bietet eine ausreichende Grundlage für die erwähnte Feststellung. Wenn das Erstgericht in diesem Zusammenhang die gegenteilige Verantwortung des Angeklagten für nicht glaubwürdig hält, so ist auch dies ein zulässiger und nicht mit Erfolg bekämpfbarer Akt freier Beweiswürdigung.

Aus den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und 10 StPO - sachlich nur aus dem letzteren - ficht der Angeklagte im Zusammenhang mit dem Schuldspruch Punkt 1/ (Faktum a/) die angenommenen Tatqualifikationen schwerer Erpressung nach dem § 145 Abs. 1 Z 1 StGB an.

Auch dies nicht zu Recht.

Soweit der Angeklagte das Vorhalten einer Revolverpatrone und eines Zettels im Zusammenhang mit der Äußerung: 'Der Abschiedsbrief' sowie die Drohung, C die 'Hütten zusammenzuhauen', nicht als Drohung mit dem Tod bzw. mit einer Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz, sondern (eher) als bloß milieubedingte und übertriebene Drohungen mit einer Körperverletzung gewertet wissen will, entfernt er sich vom Urteilssachverhalt, an dem jedoch bei Darstellung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes stets festzuhalten ist. Die Beurteilung des Bedeutungsinhalts einer gefährlichen Drohung ist eine Feststellung tatsächlicher Natur; das Erstgericht gab in seinen Urteilsgründen den relevierten Drohungen nicht jene Deutung, wie sie nunmehr in der Beschwerde reklamiert wird, sondern eben jene, die einer Drohung mit dem Tod bzw. mit einer Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Opfers entspricht. Ausgehend von diesem Sachverhalt bejahte das Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (Leukauf-Steininger 2 , RN 20 zu § 74 StGB) zutreffend auch die objektive Eignung der qualifizierenden Tatumstände, begründete Besorgnisse hervorzurufen. Denn auch bei unbefangener Betrachtung der Situation konnte der Bedrohte erwarten, daß der Angeklagte in der Lage und willens sei, die angedrohten Folgen tatsächlich herbeizuführen. Irgendwelcher weiterer (Urteils-)Feststellungen in tatsachenmäßiger Beziehung bedurfte es hiezu nicht.

Somit erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten in keinem Anfechtungspunkt als stichhältig. Sie war daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Das Erstgericht unterstellte die vom Schuldspruch Punkt 4/ erfaßte Nötigung dreier Prostituierter dem Tatbild der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB und lehnte eine anklagekonforme Subsumtion unter jenes der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB aus der Erwägung ab, daß durch die Vornahme sexueller Handlungen an Opfern im Prostituiertenmilieu die Sittlichkeit in geschlechtlicher Hinsicht nicht verletzt würde und demnach das abgenötigte Verhalten, das die Frauen zunächst wegen der abstoßenden körperlichen Beschaffenheit oder der Alkoholisierung ihrer Kunden ablehnten, nicht als Unzucht im Sinn des § 204 StGB gewertet werden könne.

Diese Aufassung bekämpft die Anklagebehörde aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO mit Recht:

Die Bestimmungen der §§ 203 und 204 StGB über die Strafbarkeit des Zwanges und der Nötigung zur Unzucht pönalisieren gleich jenen der §§ 201, 202 und 205 StGB über die Strafbarkeit der Notzucht, der Nötigung zum (außerehelichen) Beischlaf, bzw. der Schändung Verletzungen der Sexualfreiheit. Dieses zu den Persönlichkeitsrechten zählende Selbstverfügungsrecht ist unverwirkbar und in seinem Bestehen unabhängig von der Art und Weise seiner Ausübung. Beeinträchtigungen dieses Rechtes durch im Sinn der §§ 203 bzw. 204 StGB tatbildliche Verhaltensweisen sind daher auch dann nach diesen Bestimmungen zu ahnden, wenn es sich bei den Opfern - etwa Prostituierten - um Personen handelt, die sich in anderen Fällen freiwillig zu objektiv als unzüchtig zu beurteilenden Handlungen bereitfinden.

Sexuelle Handlungen, die - wie auch in den gegenständlichen Fällen, die sich in einem Bordell ereigneten - darin bestehen, daß zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, dem männlichen bzw. weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien von Täter und Opfer in eine nicht bloß flüchtige sexualbezogene Berührung gebracht werden, stellen unter der Voraussetzung der die Sexualfreiheit verletzenden Willensbeugung des Opfers strafgesetzwidrigen (§§ 203 bzw. 204 StGB) Mißbrauch zur Unzucht im Sinn einer objektiven, von jedem Sozialintegrierten als unerträglich empfundenen Verletzung der Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung dar. Insoweit kommt es - der Auffassung des Erstgerichtes zuwider - nur auf diesen objektiven Unzuchtscharakter an und nicht darauf, ob an sich Sexualbeziehungen von Prostituierten in deren Milieu als Unzucht aufgefaßt werden oder nicht.

Somit wäre die vom Angeklagten durch Drohung mit Schlägen - die bei der gegenständlichen Fallgestaltung vom Erstgericht ersichtlich als solche mit Verletzungen am Körper (§ 74 Z 5 StGB) gewertet wurden - bewirkte Beugung des entgegenstehenden Willens der Prostituierten zur Vornahme von Sexualkontakten mit ihnen aus bestimmten Gründen nicht genehmen Partnern rechtsrichtig dem (Sonder-)Tatbild der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB zu unterstellen gewesen (vgl. hiezu Pallin im WK, RN 1 zu § 201, RN 1 zu § 204 StGB).

Es war sohin in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung des vom Punkt 4/ des Schuldspruches erfaßten Verhaltens unter den § 105 Abs. 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und im Umfang dieser Aufhebung gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen und mit einer Neubemessung der Strafe vorzugehen.

Hiebei wurden das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen, das Vorliegen mehrerer strafsatzerhöhender Umstände, welche die Erpressung zu einer schweren qualifizieren, sowie die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend gewertet und der Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb, demgegenüber als mildernd angesehen.

Bei sorgfältiger Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erschien in Anbetracht der im Ergebnis teilweise strengeren materiellrechtlichen Einordnung der Taten eine vierjährige Freiheitsstrafe dem erheblichen Gewicht des Tatunrechts und der Schuld des Angeklagten sowie der durch zahlreiche Vorstrafen belasteten Täterpersönlichkeit adäquat.

Der Angeklagte - der weder in seiner Berufung noch in einer Gegenausführung seine Vorführung zum Gerichtstag beantragt hatte (§ 294 Abs. 5 StPO) - sowie die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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