OGH 3Ob113/84

OGH3Ob113/8419.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl L*****, vertreten durch Dr. Tilmann Luchner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heribert Schar, Dr. Andreas Oberhofer, Rechtsanwälte in Innsbruck wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 37 EO) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. April 1984, GZ 1 a R 117/84-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 22. Dezember 1983, GZ 7 C 21/83-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.289,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 335,40 S Umsatzsteuer und 600 S Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zugunsten der beklagten Partei wurden zu 7 c E 5796/82 des Bezirksgerichts Innsbruck am 13. 12. 1982 unter den PZ 1-17 des Pfändungsprotokolls mehrere Möbelstücke im Geschäft der verpflichteten Partei Marie Luise W***** in I*****, gepfändet.

Die klagende Partei machte geltend, durch Sicherungsübereignungsvertrag und symbolische Übergabe Eigentum an diesen Gegenständen erworben zu haben, und erhob gemäß § 37 EO Widerspruch gegen die von der beklagten Partei geführte Exekution.

Die beklagte Partei bestritt die Gültigkeit der Sicherungsübereignung und beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass die Klage abgewiesen wurde. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S übersteige.

Die Vorinstanzen gingen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Marie Luise W***** betreibt in I*****, Parterre, ein Einzelunternehmen für den Handel mit Stilmöbeln und Dekorationsgegenständen. Weil der Kläger für einen von ihr aufgenommenen Kredit bürgte, übereignete ihm Marie Luise W***** sicherheitshalber mit Sicherungsvertrag vom 5. 3. 1982 ua ihr gesamtes Warenlager und die Geschäftseinrichtung ihres Handelsunternehmens. Laut Vertrag verpflichtete sie sich zur Übergabe eines Inventars und zur Anbringung einer deutlich erkennbaren Aufschrift mit dem Text: „Warenlager und Geschäftseinrichtung sicherungsübereignet an Karl L*****“. Marie Luise W***** sollte berechtigt sein, das Warenlager durch Verkauf und Zukauf zu verändern, es sollte aber im Wesentlichen gleichbleiben. Noch am 5. 3. 1982 begab sich der Kläger in das Geschäftslokal der Marie Luise W*****, um eine Tafel mit dem Hinweis auf sein Eigentum anzubringen. Er schrieb den im Vertrag vereinbarten Text auf ein Schild, das er im Geschäftsraum etwa in Augenhöhe anbrachte. Das Schild war auffällig. Nur bei Möbelaus- oder Möbelanlieferungen konnte die Sicht darauf verstellt sein. Etwa alle 14 Tage kontrollierte der Kläger bei Marie Luise W***** die Erkenntlichmachung seines Sicherungseigentums. Als die Tafel zB einmal nicht mehr gut sichtbar war, brachte er sie an einer neuen Stelle gut sichtbar an. Ob der Vollstrecker bei der Pfändung das Schild bemerkt hatte, steht nicht fest. Am 13. 7. 1983 konnte eine Sekretärin des Beklagtenvertreters bei einer Nachschau im Lokal das Schild nicht entdecken, ebenso nicht der Beklagtenvertreter selbst, der sich danach ins Geschäft begab.

Das Erstgericht leitete von diesem Sachverhalt ab, dass das Warenlager als eine Gesamtsache auch symbolisch übergeben werden habe können. Die vom Kläger gewählte tatsächliche Übergabsform (Schildanbringung, 14-tägige Nachschau) sei in diesem Sinn ausreichend. Dass Marie Luise W***** die sicherungsweise übereigneten Gegenstände benützen habe dürfen, schade nicht. Ebensowenig schade eine allenfalls später vorgenommene nachträgliche Entfernung des Schildes.

Das Berufungsgericht vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die erwiesene Übergabsform den Publizitätserfordernissen der §§ 451, 452 ABGB nicht entspreche. Der schriftliche Hinweis auf das Sicherungseigentum des Klägers, der noch dazu nicht immer sichtbar gewesen sei, reiche nicht aus. Es sei damit weder eine körperliche noch eine ausreichende symbolische Übergabe erfolgt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Vorinstanzen und auch der Revisionswerber gehen zutreffend davon aus, dass nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre für die Sicherungsübereignung analog die Regelungen für das Pfandrecht (§§ 451, 452 ABGB) anzuwenden sind. Danach muss die sicherungsweise zu übereignende Sache wie der Pfandgegenstand dem Gläubiger körperlich übergeben und von ihm in Verwahrung genommen werden (§ 451 ABGB). Eine bloß symbolische Übergabe ist nur möglich und ausreichend, wenn es sich um bewegliche Sachen handelt, welche keine körperliche Übergabe von Hand zu Hand zulassen.

Im Interesse des Publizitätsgrundsatzes muss dabei ein strenger Maßstab angelegt werden.

Wenn auch das Warenlager im § 427 ABGB als Beispiel für eine solche bewegliche Sache angeführt wird, bei der wegen ihrer Beschaffenheit eine körperliche Übergabe nicht möglich ist, so kann doch nicht schlechthin von jedem Warenlager behauptet werden, dass es nicht körperlich von Hand zu Hand übergeben werden könne. Wenn etwa ein Warenlager wie im vorliegenden Fall nur aus relativ wenigen Gegenständen besteht, könnten diese Gegenstände an sich ohne Schwierigkeit körperlich übergeben werden. Es ist in diesem Zusammenhang auf den doch bedeutsamen Unterschied zwischen § 427 ABGB und § 452 ABGB hinzuweisen: Zur Begründung des Eigentums genügt eine Übergabe durch solche Zeichen, die das Eigentumsrecht des Übernehmers dartun und für jedermann deutlich erkennen lassen und die den Übernehmer in den Stand setzen, ausschließend den Besitz der Sache zu ergreifen (§ 427 ABGB), während man sich zur Begründung des Pfandrechts solcher Zeichen bedienen muss, woraus jedermann die Verpfändung leicht erfahren kann (§ 452 ABGB). Die Verpfändung einer beweglichen Sache bedeutet aber Übergabe derselben in die „Hand“ des Pfandgläubigers (vgl § 448 ABGB: „Handpfand“). Eine Verpfändung ist daher bei Gegenständen, die eine solche körperliche Übergabe immerhin zuließen, nur dann als solche leicht zu erkennen, wenn sich die Pfandgegenstände „in der Hand“ des Pfandnehmers befinden.

Es ist auch zu bedenken, dass die Erwerbung des Sachbesitzes an beweglichen Sachen gemäß § 312 ABGB nur durch physisches Ergreifen, Wegführung oder Verwahrung stattfindet. Der dem Faustpfandprinzip des § 451 ABGB entsprechende Übergang des Besitzes könnte daher nur bei Verwendung solcher Zeichen im Sinne des § 427 ABGB angenommen werden, welche die ausschließliche Verfügungsmacht einräumen (vgl dazu Klang in Klang 2, II 322).

Schließlich ist aber auch das sogenannte Spezialitätsprinzip zu beachten. Soll daher ein Warenlager zum „Handpfand“ im Sinne des § 448 ABGB werden, muss Vorsorge getroffen sein, dass der Pfandnexus für jedes einzelne Stück des Warenlagers hergestellt wird, was für später erst dazukommende Waren nicht einfach von selbst geschehen kann, sondern nur durch die Bestellung von Vertrauensleuten (Pfandhaltern) erreicht werden kann (Gschnitzer, Sachenrecht 170, vgl auch Entscheidungen wie EvBl 1966/232).

Auf den vorliegenden Fall bezogen, bedeutet dies, dass die Sicherungsübereignung nur wirksam geworden wäre, wenn die 17 Möbelstücke der klagenden Partei entweder körperlich übergeben worden wären oder wenn das gesamte Warenlager dem weiteren Zugriff der Marie Luise W***** wirklich entzogen worden wäre. Letzteres hätte etwa dadurch erreicht werden können, dass der klagenden Partei alle Schlüssel des Warenlagers übergeben worden wären oder dass im Warenlager eine Vertrauensperson der klagenden Partei für die Ausübung der nicht zu entbehrenden Verfügungsmacht und Gewahrsame gesorgt hätte (vgl dazu JBl 1980, 435). Nur unter diesen beiden zuletzt genannten Voraussetzungen wäre die symbolische Übergabe im Einklang mit den für Pfandrecht und Sicherungsübereignung geltenden Publizitätserfordernissen gestanden und hätte für die Begründung des Sicherungseigentums ausgereicht (EvBl 1966/232). Damit ist auch die Frage des Revisionswerbers beantwortet, wie im vorliegenden Fall die symbolische Übergabe beschaffen sein hätte müssen. Dann allerdings, aber eben nur dann, hätten die Gegenstände am bisherigen Ort verbleiben dürfen und hätte Marie Luise W***** (unter der Aufsicht der klagenden Partei, sei es, dass sie jedesmal bei ihr die Schlüssel holen oder deren Vertrauensperson befassen hätte müssen) sie auch weiter benützen können. Nur in diesem eingeschränkten Sinn kann daher auch die vom Erstgericht zitierte Entscheidung EvBl 1972/156 (= QuHGZ 1972/110) verstanden werden. Die im vorliegenden Verfahren allein durchgeführten Maßnahmen einer guten Beschilderung (die sich allerdings nicht auf die einzelnen Möbelstücke bezog!) des Lagers und die Überwachung derselben durch die klagende Partei waren daher nicht ausreichend, um Sicherungseigentum begründen zu können. Es ist daher auch nicht zu prüfen, welche Rechtswirkungen der vorübergehenden Entfernung der Beschilderung zukämen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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