OGH 5Ob35/84

OGH5Ob35/8416.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Dr. Jürg C*****, vertreten durch Dr. Paul Appiano, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Kommerzialrat Friedrich W*****, vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 37, Abs 1 Z 8, und 44 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 1984, GZ 41 R 957/83‑19, womit infolge Rekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. August 1983, GZ 48 Msch 8/83‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Antragsteller ist seit dem 9. 5. 1979 Mieter der Wohnung top Nr 13 im Hause ***** im *****, das im Eigentum des Beklagten steht. Die Wohnung hat eine Nutzfläche von 183 m2 und besteht aus 4 Zimmern, 2 Kabinetten, Küche, Badezimmer, 2 Toiletten, Vorzimmer, Abstellraum und begehbarer Garderobe. Zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrags bestand dort keine ausreichende Heizmöglichkeit ‑ es war nur in einem Raum ein sogenannter Kanonenofen vorhanden ‑, in der Küche befand sich kein Herd zum Kochen, die Wasserentnahmestelle funktionierte jedoch; im Badezimmer stand eine nicht verkleidete Badewanne, die Wände waren nicht verfliest, sondern mit einem schadhaften Ölanstrich versehen, und der Gasdurchlauferhitzer war mangels Umstellung auf Erdgas nicht benützbar, der Gasanschluss von den Gaswerken abgesperrt; zwei Toiletten waren nicht benützbar, weil der Wasserzulauf zufolge Undichtheit der Leitungen gesperrt war, eine Toilette hatte einen hölzernen Spülkasten. Der vereinbarte monatliche Mietzins beträgt 5.500 S (zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten). Am 22. 3. 1982 begehrte der antragstellende Mieter vom Antragsgegner schriftlich die Herabsetzung des monatlichen Hauptmietzinses für die Wohnung gemäß § 44 Abs 2 MRG auf 1.006,50 S. Seit 1. 4. 1982 bezahlt der Antragsteller auch nur diesen Betrag an monatlicher Miete, obwohl ihm seit damals ein monatlicher Nettohauptmietzins von 6.504,01 S vom Antragsgegner zur Zahlung vorgeschrieben wird. Er ist der Ansicht, die Wohnung habe zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrags nur dem Standard der Kategorie D entsprochen.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Vereinbarung der Parteien vom 9. 5. 1979 über den Hauptmietzins der Wohnung seit 1. 4. 1982 insoweit unwirksam sei, als sie monatlich 3.019,50 S (netto ohne Betriebskosten und Umsatzsteuer) übersteigt, und dass durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von 6.504,01 S (ohne Betriebskosten) und zusätzlich 520,32 S an 8 % Umsatzsteuer aus diesem Betrag das zulässige Zinsausmaß seit 1. 4. 1982 um 3.763,27 S (einschließlich 8 % USt) monatlich überschritten worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Sachbeschluss des Erstgerichts und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Beide Vorsitzenden kamen ‑ mit unterschiedlicher Begründung ‑ zu dem Ergebnis, dass die Wohnung zur Zeit des Vertragsschlusses der Parteien der Ausstattungskategorie C entsprochen habe. Dementsprechend betrage der monatliche Hauptmietzins, den der Antragsteller dem Antragsgegner seit 1. 4. 1982 schulde, 3.019,50 S (183 m2 á 11 S x 1,5).

Das Erstgericht meinte, die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses nach § 16 Abs 1 Z 3 MRG lägen nicht vor, weil der Vermieter zur Erhaltung des Hauses nicht erhebliche Eigenmittel aufgewendet habe, und es sei auch § 16 Abs 1 Z 4 MRG unanwendbar, weil die Wohnung der Ausstattungskategorie A oder B nicht zugerechnet werden könne; mangels Funktionsfähigkeit der Toiletten entspräche die Wohnung zwar der Ausstattungskategorie D, doch werde dieser Mangel durch die Größe der Wohnung von 183 m2 Nutzfläche gemäß § 16 Abs 3 MRG aufgewogen, so dass letztlich der Berechnung des neuen Mietzinses die Kategorie C zugrunde gelegt werden müsse.

Das Rekursgericht äußerte im Wesentlichen folgende Rechtsansichten:

Der Antragsgegner berufe sich zu Unrecht darauf, dass er zur Erhaltung des in der Schutzzone des ***** liegenden Hauses erhebliche Eigenmittel iSd § 16 Abs 1 Z 3 MRG, nämlich 500.000 S ca aus der vorhandenen Hauptmietzinsreserve, aufgewendet habe, denn unter Eigenmittel dieser Art könnten nur solche verstanden werden, die nicht aus den nach § 3 Abs 3 Satz 1 MRG verrechnungspflichtigen Mietzinsen stammen: dies ergebe sich daraus, dass Aufwendungen des Vermieters nur dann die Vereinbarung eines angemessenen Zinses rechtfertigen, wenn bei ihrer Vornahme ein gewisses Risiko vom Vermieter getragen werde; davon könne aber nicht gesprochen werden, wenn diesen Ausgaben zumindest gleich hohe Einnahmen aus den Mietzinsen gegenüberstehen.

Auch die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 4 MRG lägen nicht vor: hinsichtlich der Ausstattungskategorie A sei eine Nutzfläche der Wohnung von über 90 m2, hinsichtlich der Ausstattungskategorie B eine solche von über 130 m2 erforderlich und für beide Kategorien werde eine dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit (Baderaum oder ‑nische) verlangt. Hier entspreche das Badezimmer nicht dem zeitgemäßen Standard: es verfüge mangels Umstellung des Gasdurchlauferhitzers auf Erdgasbetrieb über kein Warmwasser, die Badewanne sei nur freistehend aufgestellt und der Boden und die Wände des Raumes seien nicht verfliest. Zur Zeit des Mietvertragsabschlusses müsse, der Ansicht des Durchschnittsbürgers entsprechend, für einen zeitgemäßen Standard einer Badegelegenheit eine Fußboden‑ und Wandverfliesung, eine eingebaute Wanne und eine automatische Warmwasserbereitungsanlage gefordert werden, und eine solche sei hier nicht vorhanden gewesen, so dass weder die A‑ noch die B‑Ausstattungskategorie in Frage komme.

Es müsse jedoch auch eine Wohnung der Ausstattungskategorie C zur Zeit der Vermietung in einem brauchbaren Zustand sein. Der antragstellende Mieter habe behauptet, dies sei nicht der Fall gewesen, und er habe deshalb eine Ermäßigung des Hauptmietzinses unter Zugrundelegung der Ausstattungskategorie D verlangt. Das Nichtfunktionieren der Toiletten stehe aber der Einordnung der Wohnung in die Kategorie C nicht im Wege, weil eine Zurechnung der Ausstattungskategorie D nur dann in Betracht komme, wenn die vorhandene mangelhafte Toilette nicht innerhalb angemessener Frist nach Anzeige durch den Mieter vom Vermieter brauchbar gemacht wird. Der Ansicht des Erstgerichts, das meint, das funktionsunfähige WC führe zwar zunächst zur Einstufung der Wohnung in die Ausstattungskategorie D, doch werde dieser Ausstattungsmangel durch die Wohnungsgröße kategorieverändernd (C) aufgewogen, könne nicht beigepflichtet werden, denn die Wohnungsgröße sei kein Ausstattungsmerkmal.

Die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung erblickte das Rekursgericht in der Interpretation der Begriffe „erhebliche Eigenmittel“ iSd § 16 Abs 1 Z 3 MRG, „zeitgemäßer Standard“ einer Badegelegenheit iSd § 16 Abs 2 Z 1 und 2 MRG und „brauchbarer Zustand“ einer Wohnung iSd § 16 Abs 2 Z 1, 2 und 3 MRG (§ 37 Abs 3 Z 18 MRG).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichts eingebrachte Revisionsrekurs des Antragsgegners ist nicht berechtigt.

Mit der Auslegung des Begriffs „erhebliche Eigenmittel“ hat sich in der Zwischenzeit der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. 10. 1984, 5 Ob 50/84, befasst. Er ist schon dort zu dem Ergebnis gekommen, dass darunter iSd § 16 Abs 1 Z 3 MRG (vom Normzweck her gesehen, jene Vermieter zu belohnen, die im öffentlichen Interesse Aufwendungen vornehmen oder bereits vorgenommen haben) nur aus dem Vermögen des Vermieters stammende Mittel gemeint sind, die ihm frei und nicht nach § 3 Abs 3 Satz 1, § 20 MRG oder § 6 Abs 1 MG verrechnungspflichtig zur Verfügung stehen (ebenso Würth‑Zingher, MRG2 Anm 14 und 19 zu § 16). Dieses Auslegungsergebnis wird auch insoferne von den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des MRG gestützt (abgedruckt bei Derbolav, MRG 222, 234, 246), als das Risiko, das der Vermieter im Interesse der Erhaltung eines im § 16 Abs 1 Z 3 MRG näher beschriebenen Gebäudes durch Aufwendungen von nicht verrechnungspflichtigen Mitteln eingeht, größer ist als jenes bei Aufwendungen verrechnungspflichtiger Mietzinseinnahmen: in beiden Fällen trägt der Vermieter das Risiko, künftig keinen Mieter finden zu können, der bereit wäre, den angemessenen oder auch nur den der Kategorie entsprechenden Mietzins zu bezahlen, aber in der Hauptmietzinsabberechnung gemäß § 20 Abs 1 Z 1 lit c MRG den Kategoriemietzins als Einnahme ausweisen zu müssen; in diesem Fall kann er aber die Aufwendungen in der Hauptmietzinsabrechnung als Ausgaben einstellen (§ 20 Abs 1 Z 2 lit a MRG) und so die als Grundlage mietrechtlicher Entscheidungen dienende Rechnungsgröße „Mietzinsreserve“ vermindern, in jenem Falle jedoch nicht. Da der Antragsgegner, seinen eigenen Angaben zufolge, keine Eigenmittel in dem eben dargelegten Sinn aufgewendet hat, braucht auch die Frage der Erheblichkeit nicht mehr erörtert zu werden.

Bei der Auslegung des Begriffs „zeitgemäßer Standard“ eines Baderaums iSd § 16 Abs 2 Z 1 und 2 MRG können die im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Bauschriften und Förderungsrichtlinien herangezogen werden (so Würth in ImmZ 1982, 132 Punkt 14 und OGH in 5 Ob 15/84 vom 23. 10. 1984 ua), da sie in ihrer jeweiligen Forderung nach der bautechnischen Ausführung und technischen Ausstattung eines Baderaums auf die Bedürfnisse der Hygiene und des Schall‑, Wärme‑, Feuchtigkeits‑, Abgas‑ und Unfallschutzes, aber auch auf den zur Erzielung größter Wirtschaftlichkeit vertretbaren Baukostenaufwand Bedacht nehmen und durch die konkrete Angabe der Ausführungs‑ und Ausstattungsqualität den jeweiligen Inhalt des fortlaufend Wandlungen unterworfenen Begriffs „zeitgemäßer Standard“ im Sinne eines allgemeinen Richtmaßes (vgl Brockhaus Enzyklopädie17, 18. Band, 9, und Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 22, 446) wiedergeben, das den herrschenden Verkehrsauffassungen entspricht. Es kann sich dabei nur um jenes Qualitätsniveau handeln, das dem Begriff „normale Ausstattung“ einer Wohnung gemäß § 2 Abs 1 Z 2 und 8 WBFG 1968 gerecht wird. Nach der hier für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien maßgebenden Verordnung der Wiener Landesregierung vom 12. 12. 1972, LGBl Nr 3/1973, mit der ua die „normale Ausstattung“ geförderter Baulichkeiten festgelegt wurde, waren Baderäume mit einem Brausebad oder mit einer Wanne mit Schlauchbrause, Waschtisch mit Mischbatterie für Kalt‑ und Warmwasserversorgung und einer Vorsorge für Raumheizung, mit Fußböden aus Kunststoff‑, Linol‑ oder Steinbelag und mit einer dauerhaften Wandverkleidung oder ‑belägen auszustatten (§§ 3 Abs 1 Z 2 und 4 Abs 1 lit b). Es kann deshalb nicht dem Rekursgericht in der Auffassung beigestimmt werden, dass nur eine Verfliesung des Fußbodens und der im Bereich der Badewanne befindlichen Wände und eine eingebaute Badewanne dem vom Gesetz geforderten „zeitgemäßen Standard“ entspricht. Auch Fußböden aus Stein (Steinfußböden), Terrazzo und Kunststoff‑ oder Linolbelägen und Wandverkleidungen aus Kunststoff sowie Badewannen, die nach ihrer Bauart freistehend verwendet werden, entsprachen und entsprechen auch heute noch, wie der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 13. 1. 1981, LGBl Nr 6/1981 idF LGBl Nr 19 und 35/1982, entnommen werden kann (vgl §§ 3 Abs 1 Z 2 und 4 Abs 1 lit b), dem Erfordernis einer „normalen Ausstattung“ (§ 2 Abs 1 Z 2 und 8 WBFG 1968) und damit auch dem „zeitgemäßen Standard“ eines Baderaums (§ 16 Abs 2 Z 1 und 2 MRG). Es ist allerdings dem Rekursgericht zuzustimmen, dass ein sogenannter Ölanstrich im Bereich der Badewanne, wie er hier festgestellt wurde, nicht mehr dem „zeitgemäßen Standard“ entsprach, als der Mietvertrag der Parteien geschlossen wurde. Schon aus diesem Grunde ist die angefochtene Entscheidung zu bestätigen, ohne dass es notwendig wäre, auch noch die Beschaffenheit des Fußbodens im Baderaum zu ermitteln (Feststellungen dazu fehlen). Auf die der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsprechenden Ausführungen des Rekursgerichts zur Frage des „brauchbaren Zustandes“ einer Wohnung kann nicht eingegangen werden, weil der Antragsteller die Entscheidung nicht bekämpfte.

Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens entfällt, der der Antragsteller keine Kosten verzeichnete.

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